Ich habe schon einmal etwas über diesen wunderbaren Text geschrieben. Mein Artikel damals hieß „Einhundert mal“ und wenn ich ihn heute lese, grinse ich ein bisschen. Denn vieles von dem, was wir damals erarbeitet haben, ist heute längst Routine. Andererseits ist mein damaliger Plan, Duncan erst einzufahren bevor ich ihn reite, nicht wahr geworden (aus diversen Gründen). Und das ist gar nicht schlimm, heißt aber, dass die einhundert mal vom Boden fahren, die ich mir damals vorgenommen hatte, noch längst nicht erledigt sind. Und erinnert mich daran, damit wieder anzufangen, denn irgendwann – vielleicht nächstes Frühjahr – soll es ja losgehen mit der Fahrerei.
Jetzt habe ich den ursprünglichen Artikel wieder ausgegraben, denn es gibt etwas, wo ich mich noch viel mehr an den einhundert Mal orientieren werde. Der Witz im ursprünglichen Artikel ist ja der: einhundert Mal wiederholen, OHNE zu überlegen, ob man Fortschritte macht. Stur wiederholen. Egal ob es besser wird oder nicht. Quasi völlig ziellos.
Duncan und ich wollen jetzt wirklich ernsthaft an das „fremde Pferde“-Thema ran. (Ja, ich glaube schon dass Duncan das auch will, denn es wird sein Leben bereichern). Das sind die Momente, wo er mich einfach mal ausblendet: da ist ein fremdes Pferd, da muss ich jetzt gucken. Aber wenn ich jemals auch mit anderen Leuten ausreiten oder sogar mal auf Distanzritt gehen will, dann müssen wir das in den Griff kriegen! Er muss ja nicht alles wegignorieren wie Diego, aber ein bisschen Aufmerksamkeit für mich übrig lassen wäre schon schön. Und hier kommen die 100 mal ins Spiel.
Tatsächlich ist es nämlich so, dass das Fremd-Pferd-Thema für mich angstbesetzt ist, weil Duncan mehrfach an der Hand gestiegen ist in diesem Zusammenhang. Nicht, dass jemals jemand zu Schaden gekommen wäre, aber es war immer recht ansatzlos so, dass das Pony plötzlich senkrecht stand und das ist dann schon beeindruckend. Inzwischen kenne ich die Voranzeichen besser und natürlich ist zu vermuten, dass die Kastration die Heftigkeit des Ganzen abmildert (wobei ich am Sonntag noch nicht das Gefühl hatte, dass er sehr viel ruhiger ist). Das Thema ist mein persönliches Schreck-Gespenst. In meinem Kopf existiert noch keine Vorstellung von einem gelassenen, aufmerksamen Duncan in der Nähe unbekannter Pferde. Und einen echten Trainingsplan habe ich auch nicht. Hier kommen jetzt die 100 ziellosen Wiederholungen ins Spiel. Einfach 100 mal eine Begegnung mit fremdem Pferd üben, dabei meine Komfortzone nicht zu weit verlassen (also so, dass ich mich mit ihm sicher fühle). Ohne Anspruch, dass sich etwas ändert. Ohne Anspruch an mich, dass ich irgendetwas steigern muss, etwas erreichen muss, etwas verbessern muss. Wenn wir es 100 mal auf die gleiche Art machen ist das auch ok. Danach können wir immer noch sehen, wie es weiter geht.
Den Druck raus nehmen und gleichzeitig das Thema angehen. Und ich merke, wie gut mir das tut. Ich denke an viele meiner Schülerinnen, ganz besonders an jene, die Verladetraining machen. Denn irgendwie ist Verladetraining besonders vertrackt. Während bei allem anderen für viele instinktiv gilt „der Weg ist das Ziel“, fühlt sich das am Anhänger direkt anders an. Verladetraining ist erst nützlich, wenn man los fahren kann (so zumindest der Gedanke und das Gefühl der meisten Pferdemenschen). Für mich ist Verladetraining ja immer eher Beziehungsarbeit und ein Stück weit körperliches Training fürs Pferd (Füße sortieren, sich mit unbekannten Bodenverhältnissen auseinander setzen). Aber ich verstehe das Gefühl (zumal die meisten erst anfangen, das Verladen zu üben, wenn sie irgendwo hin müssen – was übrigens wirklich viel zu spät ist!).
Aber was, wenn wir uns einfach mal vornehmen würden, 100 mal am Anhänger zu üben – ohne Zieldruck (gibt es das Wort oder hab ich das gerade erfunden?)? Ich bin ja immer so sehr dafür, einen guten Plan zu haben und genau zu wissen, welcher Schritt nach welchem kommt. Aber manchmal wissen wir das einfach nicht. Manchmal bewegen wir uns auf unbekanntem Terrain und müssen schauen, wo der Weg uns hin führt. Manchmal sind wir innerlich blockiert von Angst oder Sorgen, Frustration oder schlicht davon, dass wir uns nicht vorstellen können dass das jemals klappen kann. Und auch wenn 100 planlose Wiederholungen sicherlich weniger Fortschritt bringen als wenn wir einen guten Plan hätten, so sind 100 planlose Wiederholungen eben doch ganz sicher besser, als es gar nicht zu tun. Denn von gar nichts tun wird gar nichts besser, so viel ist klar.
Wer weiß, vielleicht erkennen wir nach 50 Wiederholungen bestimmte Muster, die uns helfen, einen besseren Trainingsplan zu erstellen? Vielleicht erzielen wir nach 80 Wiederholungen plötzlich einen Durchbruch?
Das einzige was es zu vermeiden gilt ist, 100 mal das FALSCHE zu üben. Deswegen ist es wichtig, die Schritte so klein zu halten, dass wir auf jeden Fall ein gutes Ergebnis an diesem Tag haben. Wenn das bedeutet, dass meine und Duncans Maximalleistung ist, grasend mit 10m Abstand neben einem fremden Pferd zu stehen – dann ist das so. Und wenn es die nächsten 99 mal wieder so ist, dann ist es so. Wenn es für ein Verladetraining bedeutet, dass nur ein Vorderhuf des Pferdes die Rampe betritt, dann ist das so. Und wenn wir dann akzeptieren, dass es unter Umständen 100 mal so bleibt, wie fühlt sich das dann an? Und wie oft haben wir schon gesagt „ich habe Zeit“ und behauptet, wir hätten Geduld? Und jetzt reden wir darüber, was Geduld ist – wenn wir uns vorstellen, wie wir 100 Wiederholungen lang keine Fortschritte machen. Und ich glaube, dann, wenn wir wissen, dass das passieren kann und TROTZDEM mit dem Training anfangen, dann sind wir wirklich mutig.
In meinem Fall empfinde ich es so: ich kann mich dem Thema jetzt so stellen und mir genehmigen, einigermaßen angstfrei das Zusammensein mit fremden Pferden mit Duncan zu üben, ohne zu wissen ob das so irgendwie zum Ziel führt. Oder ich muss mein Pony für dieses Training aus der Hand geben, denn es nützt Duncan auch nichts, wenn ich angespannt und ängstlich bin, weil da fremde Pferde sind. Beide Lösungen sind ok. Ich entscheide mich zunächst für die 100 Wiederholungen. Ich habe keinen Zeitdruck und ich will wissen, was passiert. In der Excel-Liste in der ich unsere Erlebnisse dokumentiere und gemeinsam gemachte Kilometer zähle, wird es also jetzt eine neue Spalte geben: Fremdpferdeübung. Ziellos, aber dafür umso hartnäckiger und geduldiger. Und wenn eine von Euch auch so ein Thema hat und mitmachen möchte, dann lasst uns uns gegenseitig anspornen. 100 Wiederholungen ohne Druck. 100 mal machen ohne zu wissen was dabei heraus kommt. Ich lass mich überraschen.
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