Ich habe hier einen sehr schönen Artikel gelesen (leider gibt es ihn nur auf englisch). Die Quintessenz lässt sich recht einfach zusammenfassen (es lohnt sich trotzdem den Artikel ganz zu lesen). Wenn wir etwas einhundert Mal machen – absichtslos und ergebnisoffen – können wir staunen was passiert.
Einhundert Wiederholungen ohne zu schauen, ob man Fortschritte macht oder nicht. Einhundert Wiederholungen bevor man sich beklagt dass etwas einfach nicht funktioniert (nach einhundert Wiederholungen gibt es oft keinen Grund mehr, zu klagen…..). Einhundert Wiederholungen, bevor man dann hinschaut und sieht, was passiert ist.
Duncan und ich waren noch keine hundertmal spazieren. Es sind ungefähr 70 Spaziergänge die wir jetzt hinter uns haben. Und wenn ich zurück schaue auf die Anfänge, dann ist es faszinierend, wie viel Routine wir schon erworben haben.
Aber man muss sich das halt auch mal durchrechnen. Wenn ich etwas jeden Tag tue, dann dauert es dennoch über 3 Monate, bis ich es einhundert mal wiederholt habe. Und was tut man schon wirklich jeden Tag? Wenn ich jetzt wieder raus gehe und Diego reite und mich frage, warum der Fortschritt so langsam ist, dann werde ich mir eingestehen müssen, dass ich einfach zu wenig mit ihm mache um ernsthaft Fortschritte zu erzielen. Ein- oder zweimal in der Woche, das würde bei hundert Wiederholungen ein oder zwei Jahre bedeuten! Also mal ganz ruhig bleiben.
Und darum mache ich mit Duncan so viele Dinge schon so früh. Wenn er – vermutlich im Frühjahr 2022 – vor die Kutsche soll, dann möchte ich einhundert Mal das Fahren vom Boden geübt haben, in möglichst vielen Varianten. Da kann ich mir schon ausrechnen, wie oft ich es machen muss um da hinzukommen! Denn das sind jetzt noch ungefähr 16 Monate und wir haben es erst 3mal gemacht. Da müsste ich eigentlich 6mal im Monat üben und das kann schon ganz schön knapp werden! Gleiches gilt fürs erste Aufsteigen. Er kennt jetzt, dass ich erhöht stehe und meinen Fuß auf seine Kruppe lege. Er kennt, dass ich neben ihm hochspringe. Einmal bin ich auch schon an ihn rangedotzt beim Springen. Aber von einhundert Wiederholungen sind wir weit entfernt.
Nun ist das ja nicht unbedingt immer nötig, einhundert Wiederholungen zu machen bevor man einen Schritt weiter geht. Aber zum ersten Mal drauf sitzen oder zum ersten Mal vor die Kutsche spannen, das sind große Schritte, die auch ordentlich Gefahrenpotential haben. Da möchte ich schon gern sehr gründlich vorbereiten. Ich möchte sichergehen, dass es nicht nur „gut geht“ sondern dass es auch wirklich GUT geht. Dass mein Pony entspannt sein kann dabei. Dass er aus der Situation raus geht und sagt „war cool, ich freue mich aufs nächste Mal!“. Und da sind doch einhundert Wiederholungen (qualitativ hochwertig versteht sich) ein guter Plan.
Und wenn wir über Routine sprechen, darüber, ob ich mich auf mein Pony verlassen kann, darüber, ob mein Pony sich auf mich verlassen kann, darüber, dass wir uns wirklich gut kennen, dann ist 100 mal ein guter Richtwert. Einhundert mal die Hufe hoch heben. Einhundert mal in den Anhänger einsteigen. Einhundert mal gemeinsam eine Schrecksituation überstehen und sehen wer wie reagiert.
Pferde lernen sehr schnell. Gerade junge Pferde lernen oft in schier atemberaubendem Tempo. Pferde brauchen keine 100 Wiederholungen um etwas zu verstehen oder zu können. Ich beobachte eher, dass mein Mann recht hat, der sagt „alles was mehr als dreimal passiert, ist Gewohnheit“. Und ich beobachte, dass es bei vielen Pferden noch nicht einmal diese drei Wiederholungen braucht. Manche, die ein einziges Mal Erfolg hatten mit einem Verhalten, lassen nicht mehr davon ab.
100 Wiederholungen braucht es nicht fürs Verstehen. 100 Wiederholungen braucht es um entweder ein Problem zu lösen (zum Beispiel weil mein Pferd Angst hat vor etwas ) oder es braucht 100 Wiederholungen um so viele Varianten rein zu bringen wie es irgend geht und zu wissen, was in jeder Variante passiert. Denn 100 Wiederholungen heißt nicht, etwas 100 mal auf die selbe Art und Weise zu machen. Es heißt, 100 mal in kleinen Varianten an einem Thema zu arbeiten. Fahren vom Boden auf der Wiese, auf dem Spaziergang, in der Halle. Mit Gebiss und ohne. Mit Blendklappen und ohne. Mit gruseligen Geräuschen von hinten und ohne. Mit jemandem der mal Gewicht in die Zugstränge gibt und ohne. Im Schritt und im Trab, bei Regen, bei Sonne, bei Wind. Im Dorf und im Wald, mit fremden Pferden dabei und so weiter und so fort.
100 mal Aufsteigeübung heißt neben im hoch springen, ihn anspringen, erhöht neben ihm stehen, den Fuß auf den Rücken legen, Gewicht in meine Hände geben, oberhalb von ihm Quatsch machen wie Jacke an- und ausziehen, ihn leichte Dinge tragen lassen, Dinge runter fallen lassen, später auch schon hochspringen und bäuchlings auf seinem Rücken liegen und wenn ich völlig verrückt bin Handstand an ihn angelehnt üben und das alles jeweils von rechts und von links. Und mal sehen was mir noch so einfällt. 100 Wiederholungen in x Varianten. Denn dann, wenn wir so viele Varianten wie möglich geübt haben, wird eine unbeabsichtigte neue Variante nicht mehr sein als das: eine neue Variante. Und Duncan und ich werden flexibler werden dabei (nicht unflexibler, wie wir es bei 100 Wiederholungen im immer gleichen Stil werden würden).
Das Beste daran ist: wir werden bei jeder dieser Wiederholungen Spaß zusammen haben. Es ist keine Pflichtübung, sondern ein Spiel: wie viele Varianten finden wir, wie oft haben wir das nun schon gemacht und wie verändert sich unser beider Gefühl während wir es wieder und wieder tun?
Wiederholung kann Spaß machen (etwas was uns leider in unserer Schulzeit verdorben wird). Und deswegen muss ich jetzt auch aufhören zu schreiben und Dinge wiederholen gehen mit den Ponys.
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