Unsere Ponys leben im Offenstall: sie können jederzeit frei entscheiden, ob sie rein oder raus gehen. Und nicht nur das: sie können auch wandern, immerhin 500 Meter um die Koppel herum. Das ist nicht viel, aber mehr Anreiz zur Bewegung als im Durchschnittsstall mit viereckigem Paddock. Und sie wandern – um die Nachbarn zu besuchen, nach Zweigen im Knick zu haschen oder aus mir unbekannten Gründen (um ihre kleine Welt zu sehen oder so). Duncan fordert regelmäßig einen der anderen zum Spielen auf und mit Gatsby spielt er jetzt im Winter oft so intensiv, dass beide nassgeschwitzt sind. Und dennoch: er hat Energieüberschuss. Und wenn ich dann mein Highlandpony so ansehe, denke ich an die hochblütigeren Modelle, die Araber, die Spanier, die Vollblüter. Wie viel Bewegung steckt da drin und darf nie raus? Ich denke an einen Tierarzt, der mal gesagt hat, er beobachtet Cushing-Erkrankungen besonders bei Pferden die „nichts auszustehen“ haben. Wie viel Stress sammelt sich in Pferden über Jahre an, weil sie sich nicht genug bewegen (können)? Duncan, der hier alle Möglichkeiten hat, bewegt sich von allein nicht so viel, dass er nachher wirklich entspannt wäre. Ich denke an Elsas halb scherzhaften Tipp: kauf dir ein jüngeres Pferd dazu, das will dann NOCH MEHR spielen, dann wird Duncan erwachsen. Weil er dann mal mehr Bewegung bekommt als er möchte. Aber mein Stall ist voll und ich kann Duncan die Bewegung anders verschaffen: per Ausritt. Wie gut, dass er mich jetzt tragen kann! Und wie gut für seinen Körper, der sich jetzt, wo er sich noch entwickelt, anpassen kann an die Belastung, der er später stand halten soll (wer jetzt kurz eine Krise kriegt, weil ich mein noch nicht ausgewachsenes Pferd reite und anfange zu trainieren, kann sich mal diesen Podcast anhören). Schritt für Schritt kann ich steigern und ich beobachte, wie es mehr wird. Als wir am Sonntag so schön getrabt sind, über Stock und Stein und durch den Matsch war ich sehr beeindruckt, wie gut Duncan das jetzt schon kann. Hätte ich den Boden nicht gesehen, hätte ich wohl nicht gemerkt, wie uneben das alles war. Aber auch andere Zeichen für erhöhte Belastbarkeit sehe ich: er gähnt nicht mehr so oft. Am Sonntag hat er gar nicht gegähnt, bei 9,5km Strecke. Er ist auch nicht müde hinter mir her gebummelt. Er war fit und munter genug, ganz am Ende noch einen Galopp zu zünden. Er war danach nicht so irre durstig wie sonst und er brauchte auch kein ausgiebiges Nickerchen. Zeit, die Streckenlänge zu erhöhen.
Normalerweise hatte Duncan Montags dann frei, das habe ich jetzt geändert. Wir haben Montag Handarbeit gemacht, Dienstag reiten auf dem Platz geübt und er hatte erst am Mittwoch frei. Früher reichte ein Tag austoben für 4 Tage Ruhe, jetzt ist es eher umgekehrt…
Wenn Duncan dann genug Energie los geworden ist, dann geht es auch mit den Kumpels wieder besser. Das Spiel wird harmonischer, er nervt die anderen nicht so extrem. Er nervt dann auch mich nicht so viel, obwohl ich sagen muss, dass er mit mir lange nicht mehr so pubertär und nervig ist wie die letzten Jahre. Er lässt es nur noch an den Ponys aus und ich habe einen Verdacht, warum das so ist: er weiß, dass er mit mir Energie loswerden kann. Wie gut, dass dieser Plan so schön aufgegangen ist. Jetzt muss ich mich nur noch anpassen an seine wachsende Leistungsfähigkeit.
Ich hatte immer eher gemütliche Pferde. Mein Merlin bringt zwar gern mal Höchstleistung, um sich dann entsprechend feiern zu lassen, aber lang währt das nie. Eine halben Stunde konzentriert auf dem Platz bei entsprechender Keksrate – das ist völlig ok. Und er wollte immer gern so 4 Tage in der Woche was machen, nie 3 Tage hintereinander. Ihm ist es nicht wichtig, beim Arbeiten Energie zu verbrauchen, er möchte Aufmerksamkeit. Er möchte hören, dass er das beste Pony der Welt ist, möchte bewundert werden. Und mein Finlay, der wollte die Welt sehen. Dass man dafür etwas Energie investieren muss, hat er in Kauf genommen, aber wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Bummelschritt wohl auch total ausgereicht. Hauptsache gucken und was erleben, aber nicht schnell.
So bin ich jetzt in einer ungewohnten Position, denn mein Duncan möchte eigentlich alles gleichzeitig: Energie loswerden, also vor allem Meter machen, etwas sehen und erleben und bitte die entsprechende Menge an Keksen dazu kassieren. Wobei wir im Gelände inzwischen weitgehend keksfreie Zone sind, weil es nicht mehr so viele Stellen gibt an denen ein Lob gefragt wird. Er kann ja die normalen Dinge und er läuft gern einfach weiter. Nur beim Aufsteigen, wenn was gruselig ist oder wenn wir irgendwo warten müssen, dann gibt es mal einen Keks. Auch auf dem Platz wird der Keksbedarf von allein weniger. Er findet mehr und mehr Spaß daran, sich mit mir zu bewegen, sich ein bisschen zu präsentieren. Und er merkt: für einen Keks muss es schon RICHTIG gut gewesen sein. Auch hier haben wir halt nicht mehr so viel ganz neues. Und selbst wenn: er hält es jetzt aus, etwas länger zu knobeln. Seine Frustrationstoleranz ist gestiegen, er hat mehr Lösungsvorschläge, mehr Handlungsoptionen.
Wenn aber der Energieüberschuss zu groß ist, dann wird es manchmal knifflig für ihn. Mit den anderen Ponys, besonders mit Diego, gerät er dann mal in Streit. Sie fangen an, zu spielen und dann – wenn Duncan allzu penetrant Popo-kneifen will – findet Diego es zu doll und tritt aus. Erst ein bisschen, wie sie es eben im Spiel so tun, aber wenn Duncan dann nicht nachlässt und Diego wieder und wieder von hinten kneifen will, dann kann es schon mal knallen. Nicht schlimm, aber immerhin so, dass Duncan nachher eine kleine Stelle ohne Fell hat. Mit Argusaugen beobachten wir das, denn es ist Bedingung für Duncans Hengst-sein, dass niemand verletzt wird. Bisher sieht alles harmloser aus, als ich es von manchen spielenden Wallachen kenne, aber ich sehe mich in der Pflicht, meinen Teil beizutragen zur Entspannung der Lage und das heißt: den kleinen Tunichtgut zusätzlich beschäftigen und wirklich ein bisschen auslasten. Ja, das trainiert ihn natürlich wiederum, so dass er noch mehr leisten kann, das ist schon klar. Andererseits SOLL er ja auch leisten. Ich will ja Strecke machen mit ihm, ich will viel tun. Ich muss mich nur noch etwas einstellen auf diese neue Situation und sehen, in welcher Form das am besten geht. Und ich vermute, dass es ein Pensum geben wird, bei dem er zufrieden ist. Denn letztendlich ist er ja doch kein Araber, der für irrsinnige Distanzen und Geschwindigkeiten gezüchtet wurde, sondern Schotte.
So wie vor 3,5 Jahren als Duncan hier einzog und so vieles unklar war, übe ich mich jetzt wieder darin, darauf zu vertrauen dass wir den Weg schon finden werden. Vielleicht nicht gleich und vielleicht führt dieser Weg nicht einfach geradeaus, aber wir werden das schon hinkriegen.
als ich das las mit dem „nervig sein“ gegenüber den anderen Pferden bzw dir, hab ich mir gedacht, wenn du dich da mal nicht über Duncans Motive täuschst …
Es ist doch ganz einfach:
bei dir weiß er, dass er keine Kekse bekommt, wenn er dich nervt.
Und bei den anderen Pferden weiß er, dass er überhaupt keine Kekse bekommt, egal ob er nervt oder nicht.
Da ist es also egal, wie er sich benimmt.
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Eine durchaus überzeugende Theorie. Bei den anderen gibt es nur Backpfeifen 😉
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