Neulich bei unserem Schneeausritt: ich wische mir den angesammelten, nassen Schnee von der Weste. Es macht ein deutliches Geräusch, Duncan spannt sich unter mir an, ein bisschen gruselig findet er das jetzt schon. „Ist alles gut“ sage ich. Zack – alle Viere in den Boden, Duncans Kopf kommt rum: „Keks?“ Ja, für diese gute Idee gibt es einen Keks.
Für gute Ideen gebe ich gern Kekse. Und stehenbleiben, wenn man sich fürchtet, ist immer eine gute Idee. Wir reiten weiter, Duncan sucht sich noch ein paar Momente in denen er stehenbleiben könnte um nach einem Keks zu fragen (so wie in unseren Anfangszeiten) aber ich bitte ihn dann jedes mal, weiter zu gehen, was er klaglos macht. Dann hören wir Kindergeschrei: gruselig. Die Kinder sind noch außer Sichtweite, wir überlegen ob sie auf dem Feld Schlitten fahren. Aber dann kommen sie uns auf dem Weg entgegen. Leichte Skepsis bei Duncan, aber er geht gut vorbei. Auch an den zwei angeleinten Hunden, die mit den Erwachsenen am Wegesrand warten, bis wir vorbei sind. Ok, ich will ja nicht so sein. Ich schiebe die Hand in die Tasche, damit ich gleich…. – zack, Pony steht. Er hat meine Bewegung genau wahrgenommen und weiß, dass er sich einen Keks verdient hat. Ich muss lachen, natürlich bekommt er seinen Keks.
Viele Pferde haben gute Ideen. Ich versuche immer, sie meinen Reitschülerinnen aufzuzeigen. Als Mensch dürfen wir dann schnell entscheiden, ob wir diese Idee belohnen wollen oder nicht. Leider neigen wir dazu, diese Ideen entweder nicht zu sehen oder nur die Ideen zu sehen, die uns zum Verhängnis werden können. Dann können die Pferde nachher Dinge, die uns auf die Nerven gehen, weil wir sie mal süß fanden, sie aber nicht mehr abstellen können. Oder es werden plötzlich gut geübte Lektionen „überspielt“ von der neuen Idee, so wie es mir diese Woche passiert ist:
Wenn wir auf dem Reitplatz gearbeitet haben, darf Duncan ja jetzt im Anschluss immer etwas dort grasen, während ich FBT mache. Gegen Ende der Zeit rufe ich ihn, wenn er kommt, darf er nochmal grasen. Fürs Kommen gibt es einen Keks. Neulich hatte er die Idee, gleich am Anfang seiner Graszeit – als ich noch dabei war, Sachen wegzulegen – mal zu kommen. Ich fand das nett und habe ihm einen Keks gegeben. Und als ich ein paar Tage später wieder mit Duncan auf dem Reitplatz bin, ist mein „warte“ kaputt. Da hab ich jetzt aber nicht schlecht gestaunt! Warum kann mein Pony auf dem Hof perfekt still stehen, aber auf dem Reitplatz kommt er mir hinterher gelaufen? Bis die zwei Dinge in meinem Kopf zusammen kamen: ich hatte ihn für freiwilliges Kommen belohnt! Und jetzt bietet er mir das an. Faszinierend, denn das „warte“ – Kommando kennt er seit 3 Jahren. Trotzdem hat er es 3 oder 4 mal mit hinterherlaufen versucht. Und so merke ich mal wieder: ihm etwas beibringen ist leicht – manchmal fast zu leicht – aber dann unterscheiden was wann richtig ist, das kann kurz dauern.
Jetzt habe ich wieder etwas über Duncan gelernt: er ist die Sorte Pferd, die schnell neues probiert, auch wenn eigentlich schon eine gut geübte Verhaltensweise da ist. Solche Dinge über das eigene Pferd zu wissen, ist essentiell. Ich hatte schon ganz am Anfang hier einmal darüber geschrieben.
Gleichzeitig kann ich aber auch sehen, wie gut unsere Kommunikation geworden ist. Wir geraten nicht mehr in Streit, sondern ich kann jetzt erkennen, wann er einfach etwas ausprobiert – er hat dann so einen bestimmten, neugierigen Gesichtsausdruck – und ich weiß auch, WIE er Dinge ausprobiert, so dass ich mir darüber keine Sorgen mehr mache. Er kennt ja nun auch die Grundregeln des Zusammenlebens, also auch die Grenzen innerhalb derer man sich ausprobieren kann. Und es ist kein pubertäres „steht die Grenze von gestern eigentlich noch?“ – ausprobieren, sondern der Versuch, Dinge NOCH BESSER zu machen. Ich habe ihm also, als er mir hinterher kam, die ersten zwei oder drei Male sehr freundlich mitgeteilt, dass er auf dem Holzweg ist. Beim dritten Mal habe ich ihn deutlich zurück geschickt, das „warte“ wiederholt (habe also das Kommando gegeben, bin wieder weg gegangen und zurück gekommen) und dann bekekst. Thema durch. Als nächstes weiß ich, was zu üben ist: der Wechsel zwischen warten und kommen. Damit er das klar kriegt, wann was gemeint ist. Und sollte er auf dem Reitplatz wieder ungefragt in seiner Graszeit zu mir kommen, werde ich mich einfach freuen und (ohne Keks) gemeinsam mit ihm zum Gras zurück gehen, das wäre ja eh die bessere Antwort gewesen. Aber wie es so ist: wenn Verhalten überraschend auftritt, reagiert man manchmal komisch.
Das üben des Wechsels (in diesem Fall zwischen warten und kommen) ist etwas, was mir sehr wichtig geworden ist: keine Unklarheiten stehen lassen. Wenn etwas schief gegangen ist zwischen Mensch und Pferd, dann möchte ich das aus dem Weg räumen. Wenn ein Pferd ein unerwünschtes Verhalten zeigt und dafür angemeckert wird, ist mir wichtig, nach Möglichkeit SOFORT die Situation zu wiederholen, um erwünschtes Verhalten belohnen zu können. Ich mag nicht, wenn das Pferd aus der Situation geht und das nicht geklärt wurde. Zu oft gehen wir darüber hinweg, weil wir eigentlich etwas anderes üben wollten. Und nach und nach vergiftet es unsere Beziehung. Denn allzu oft ist „Ungehorsam“ oder eine nervige Marotte eben nur ein Missverständnis. Und allzu oft entsprang dieses Missverständnis ursprünglich einer guten Idee. Wäre doch schade, wenn wir all die guten Ideen unserer Pferde nicht feiern und nutzen würden oder bei Bedarf umlenken. Und es wäre noch betrüblicher, wenn unsere Pferde frustriert aufhören würden, gute Ideen zu haben. Oder?