Duncan schwankt. Er hebt unkontrolliert einzelne Füße und hat sichtlich Probleme, das Gleichgewicht zu halten. Ich springe von seinem Rücken. Gerade hat Arnulf ihn ein kleines Stück geführt, während ich auf Duncans Rücken saß. Auf Video kann ich später sehen, wie ungeschickt Duncan seine Hufe gesetzt hat. Arnulf führt ihn eine Runde, dann versuchen wir es nochmal. Diesmal mit etwas mehr Tempo, so dass Duncan sich über die Geschwindigkeit einfinden kann in die Balance. Nach 10 Metern halten wir an und ich steige wieder ab, „Reitstunde“ beendet. Duncan ist psychisch stabil genug um so einen Versuch zu wagen und er hat genug Vertrauen in sich selbst und in mich um es unbeschadet zu überstehen. Aber das Ergebnis steht fest: Er braucht noch mehr Vorarbeit. Seine Balance ist noch deutlich zu schlecht um mich vernünftig tragen zu können.
Immer wenn ich unsicher bin wie es weiter geht, stelle ich mir vor, es wäre nicht mein Pferd sondern das einer Schülerin. Diesmal ist die Antwort ganz klar denn ich sage das ganz oft: Am Anfang der Ausbildung ist es meist so dass wir dem Pferd Dinge beibringen, die es sofort tun kann. Mal den Hintern rum nehmen, ein Schrittchen rückwärts gehen, auch ein einfaches seitwärts ist in der Regel für ein gesundes Pferd keine Herausforderung. So ein Jungspund braucht dafür nicht endlos viele Wiederholungen, das erklärt sich fast von selbst, wenn die Körpersprache des Menschen stimmt. Ich habe hier schon mal über wissen, können und wollen geschrieben. In den 2,5 Jahren, die Duncan jetzt bei mir ist, war es fast nie eine Frage von „können“. Außer auf psychischer Ebene: manchmal kann er sich nicht beherrschen oder konzentrieren. Aber auf körperlicher Ebene war das mit dem „können“ eigentlich nie das Problem. Aber jetzt ist es das. Und ich verstehe: Es ist wie bei mir und einem Handstand. Klar, ich weiß, wie man Handstand macht. Ich könnte auch einen Ansatz dazu zeigen. Bevor ich dann ganz flott wieder aus dem Gleichgewicht komme. Und da hilft die beste Anleitung und die schönste Motivation halt auch nix: ohne üben werde ich es nicht können. Wie oft ich den Handstand üben muss bevor ich ihn kann, hängt natürlich schon von der Anleitung oder Hilfestellung ab, die mir jemand gibt, aber das Üben kann mir keiner abnehmen – wenn ich Handstand machen will muss ich es tun.
Ich hatte gehofft, dass Duncans Balance gut genug ist, um mich ein kleines Stück zu tragen, aber ich wurde eines besseren belehrt. Vor das Reiten haben die Götter die Handarbeit gesetzt und davon steht jetzt deutlich mehr auf dem Zettel, das steht fest. Und wir werden jetzt zum ersten Mal ernsthaft an dem Punkt sein, an dem wir Übungen wiederholen, obwohl sie gut geklappt haben – einfach um des Trainingseffekts willen. Ich bin gespannt wie Duncan darauf reagiert.
Ist das Experiment „reiten“ damit schief gegangen? Keineswegs. Duncan ist trotz Geschwanke mit einem guten Gefühl nach hause gegangen, davon bin ich überzeugt. Da er Herausforderungen liebt, war das vermutlich ganz nach seinem Geschmack. Wissen werde ich das erst sicher, wenn ich wieder aufsteige (was bald der Fall sein wird, aber ich werde ihn nicht vorwärts gehen lassen). Und ich habe wieder eine Menge über mein Pony gelernt. Meine neue Forschungsfrage ist: wie sieht er aus und wie bewegt er sich wenn seine Balance gut genug ist – sprich: woran kann ich von unten sehen ob ich es von oben wieder probieren kann? Denn noch lange wird mein Pony im Wachstum sein und dadurch immer mal die Balance verlieren. Es wird meine Aufgabe sein, möglichst vorab schon zu erkennen, wann er mich nicht ausbalancieren kann. Und das kann ich jetzt üben – während er an seiner Balance übt. So haben wir immer was zu tun, auch in diesem neuen Ausbildungsabschnitt, in dem es zum ersten Mal um so etwas wie „Training“ gehen wird.