Zeitplan

Als diese [füge hier ein Schimpfwort Deiner Wahl ein]- Pandemie los ging und ich anfing, mich in die ersten Informationen zu vertiefen, wurde mir sofort klar, das das lange dauern wird. „Stell dich auf mindestens 2 Jahre ein“ habe ich zu Arnulf damals gesagt. In meinem Umkreis wurde ich zum Pessimisten abgestempelt. Aber die Tatsache, dass ich schon zu Beginn sicher war, dass wir unter 2 Jahren nicht aus der Nummer raus kommen, verschafft mir jetzt einen (kleinen) psychischen Vorteil gegenüber denen, die dachten, das alles sei nach ein paar Wochen oder maximal Monaten überstanden. Und als eine Schülerin neulich mit ihrem Pferd geschlagene 35 Minuten an einer scheinbar (!) einfachen Aufgabe herum knabberte, musste ich daran denken wie es mit der Pandemie ist. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir dieses Jahr noch damit fertig werden und also bin ich zumindest in diesem einen Punkt nicht enttäuscht (über all die anderen Punkte schweige ich an dieser Stelle). Und so war es eben auch mit der scheinbar einfachen Übung: Meine Schülerin fand, sie hätte unglaublich lang gebraucht, aber ich konnte ihr versichern, dass sie da nicht die erste war, bei der das länger gedauert hat.

Wenn wir Zeitpläne machen mit unseren Pferden, dann dürfen die immer flexibel sein. Manches geht schneller als gedacht. Manches geht langsamer als gedacht. Manches läuft genau so wie wir es uns überlegt haben. Manche Dinge klappen nie und wollen ersetzt oder ersatzlos aus dem Plan gestrichen werden.

Meinem kleinen Ritter erzähle ich nun schon seit Wochen, dass ich „bald“ zum ersten Mal richtig aufsteigen werde. Und wenn er sich seitlich an mich ran schiebt, weil ich hochspringen und mich bäuchlings auf seinen Rücken legen soll, dann frage ich mich, ob er das Wort „bald“ genauso blöd findet wie ich. Denn eigentlich ist „bald“ eine von diesen Zeitangaben die bedeuten „später als du willst“. (Genauso wie „gleich“). „Bald“ ist ein Wort, das Erwachsene gegenüber Kindern gern benutzen. Es bedeutet übersetzt: „Für mein Zeitempfinden ist die Zeit nicht mehr lang, für deines ist sie viel zu lang“.

Eines Tages – wenn es gut läuft noch dieses Jahr – wird es so weit sein und ich werde wirklich aufsteigen. Wenn Arnulf hier ist, das Wetter passt und die Stimmung stimmt. An einem dieser Punkte ist das Vorhaben bisher immer gescheitert. Macht ja auch nix, es besteht ja kein Grund zur Eile. So bleibt es bei „bald“ und ich hoffe, dass bei Duncan das Gefühl ankommt was für mich in diesem Fall dahintersteht: ich möchte, dass es perfekt wird. Dass er sich gut fühlt und ich mich gut fühle. Dass wir diesen Moment in Ruhe und mit Genuss angehen. Nicht zwischen Tür und Angel mit dem Risiko dass es doch blöde wird. „Immer langsam mit den jungen Pferden“ sagt der Volksmund völlig zu Recht.

Neulich sprach ich mit einer Schülerin darüber, wie weit sie im vergangenen Jahr gekommen ist. Und das, obwohl sie mir in fast jeder Reitstunde sagt, dass das alles nicht so läuft, wie sie es will. Es läuft eben doch. Nur merkt man die Verbesserung halt nicht nach 45 min. Sondern nach ein paar Wochen. Oder Monaten. Und wenn man dann zurückschaut, wundert man sich, wie weit man doch gekommen ist.

Duncan und ich haben dieses Jahr nur sehr wenig von dem geschafft, was auf meinem Zettel steht. Verschiedene Umstände sind uns dazwischen gekommen, wie es eben manchmal so ist im Leben. Der Sommer war anstrengend für mich, so dass ich jetzt die Ruhe genieße und wenig Lust habe, ständig was zu unternehmen und schwierige Sachen zu üben. Ich beschränke mich vorerst auf die Dinge, die leicht zu üben sind, die ich hier zu hause machen kann. Diesmal machen wir keine Pause, wir sind voll dabei. Aber halt im Moment nicht mit der „Wackelkiste“ los und Kilometer machen oder neue Orte aufsuchen und große Abenteuer wagen. Sondern tatsächlich mal hier zu hause auf dem Reitplatz, wo Duncan anscheinend jetzt den Spaß an der gemeinsamen Arbeit gefunden hat (oder habe ich die Art von Arbeit gefunden die ihm Spaß macht?). Meine Zeitpläne verschieben sich ein bisschen. Das eine passiert früher, das andere später als geplant. Das liegt in diesem Fall nicht an Duncan, sondern an mir und den Begleitumständen.

Derweil beobachte ich, wie mein Pony sich verändert im Erwachsenwerden. Und ich erinnere mich, wie lang es mir vorkam, als ich ihn gekauft habe: es dauert 2 Jahre bis er überhaupt einigermaßen anfangen kann mit arbeiten! Viele haben mir gesagt, dass die zwei Jahre schnell vergehen werden. Das stimmt und es stimmt nicht. Aber was in jedem Fall stimmt ist, dass viele Dinge schneller gegangen sind als geplant, während andere länger dauern und sich schwieriger gestalten. Manches ist genau nach meiner Vorstellung gelaufen. Und in allen Fällen hatte ich bisher das Glück, dass ich keinen Zeitdruck hatte. Und wenn wir es genau betrachten sind das in den allermeisten Fällen auch nur wir selbst, die uns den Zeitdruck machen.

Da sind zum Beispiel die, die sich immer vorm Verladetraining drücken. Bis sie schließlich doch überraschend den Stall wechseln wollen. Ups. Dann kommt Zeitdruck auf und wenn ich dann gefragt werde ob ich helfen kann, bin ich im Zwiespalt, jedes Mal aufs Neue. Helfe ich und mache es dadurch vielleicht etwas entspannter für Pferd und Mensch? Oder verweigere ich mich, weil ich finde, man hätte das vorher solide üben können und weil es mich selbst wahnsinnig stresst, unter Zeitdruck zu üben oder gar direkt zu verladen? Aber was bedeutet meine Weigerung für das Pferd? Viel schöner ist es doch jedenfalls, in aller Seelenruhe zu üben und dann entspannt sein zu können.

Fest steht: ein bisschen Pessimismus was den Zeitplan angeht, macht entspannt. Wenn wir den dann kombinieren mit dem Optimismus was die Ziele angeht – meistens können wir nämlich mit genügend Zeit viel mehr schaffen als wir gedacht hätten – dann können wir ganz gelassen und zufrieden unser Pferd schön Schritt für Schritt ausbilden.

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