Ich bin mit Duncan an der Doppellonge auf dem Reitplatz. Wir üben korrektes Lenken und er macht es absolut fantastisch. Wahnsinnig gut. Und dann, als ich noch ein letztes Mal traben will und er in der Kurve am Ausgang etwas Schwung verliert (was mir jetzt im Nachhinein schon verdächtig vorkommt), feuere ich ihn mit der Stimme an und schwenke noch einmal die Peitsche. Und Duncan dreht ab zum Ausgang, bleibt stehen, schaut mich an, dreht sich zu mir um, so dass er sich (meines Erachtens mutwillig) in die Longe eindreht und wirft mir einen Blick zu, der deutlich missmutig ist. Ich gehe zum ihm hin und entwirre ihn. „Entschuldigung“ sage ich „da habe ich wohl übertrieben. Können wir das noch einmal in schön machen?“. Er funkelt mich böse an. Ich schicke ihn wieder los. Das Spiel am Ausgang wiederholt sich. „Tut mir leid“ sage ich, „aber ich möchte die Situation nicht so blöd stehen lassen, gibst du mir die Chance, es besser zu machen?“ Ich schicke ihn nochmal los, diesmal im Schritt. Halte ihn vor der Kurve an, gebe ihm einen Keks. Danach schaffen wir noch eine gute Trabrunde und machen Schluss.
Ich bin überzeugt, dass alle Tiere, die in Gruppen leben, eine Form von Entschuldigung kennen müssen. Jeder macht doch mal Mist. Und ich beobachte meine Ponys auch gelegentlich dabei, wie sie sich (so interpretiere ich es zumindest) entschuldigen. Meistens wenn einer sich blöd irgendwo durch gequetscht hat und es doch enger war als geplant.
Nun kann Sir Duncan lernen, wie ich mich entschuldige. Und auch, dass wir die Situation nicht so stehen lassen, sondern dass ich es besser kann und mache. Ich bügle meinen Fehler aus und er macht dafür nochmal kurz mit. Dann passt das.
Und obwohl ich mich unfassbar über mich selbst ärgere, weil ich eine so großartige Einheit versaut habe durch meinen zu hohen Anspruch, bin ich doch auch ein bisschen froh, denn ich habe dabei etwas wichtiges gelernt und ich habe gesehen, dass auch Duncan gelernt hat.
Damals, letzten Sommer, ist er mir ja einmal vom Reitplatz abgehauen. Und auch da hatten wir die perfekte Einheit vorher. Damals ist er – ohne für mich sichtbare Vorwarnung – im gestreckten Galopp vom Platz gesaust und ich hatte keine Chance ihn fest zu halten. Und ich gestehe, dieses Erlebnis hat mir noch sehr lange nachgehangen.
Diesmal hat er das selbe Verhalten so langsam gezeigt, dass ich ihn verstehen konnte. Er hat sich so viel Zeit gelassen, dass nichts dramatisches passiert ist, aber dennoch war er so deutlich, dass ich wusste: ich hab’s verbockt. Und das ist für mich großartig! Denn es heißt: er hat herausgefunden wie er mir die Fehler, die ich zwangsläufig mal machen werde, auf eine Art zeigt, die ich verstehen kann und die nicht ins Desaster führt. Schlaues Pony!
Und ich habe noch mehr über ihn gelernt: er mag nicht angefeuert werden. Anfeuern ist etwas, was bei so vielen Pferden total gut funktioniert. Sie legen sich dann nochmal richtig ins Zeug und geben ihr Allerbestes. Aber Duncan – so nehme ich es zumindest wahr – gibt immer schon sein allerbestes. Er strengt sich unglaublich an, konzentriert sich wahnsinnig um alles richtig zu machen und wenn ich dann sage „ein bisschen mehr noch!“ dann wird er (zu Recht) wütend. Denn mehr als das Beste geht ja gar nicht. Ich darf also mal wieder umlernen für mein neues Pony. Und jetzt, wo wir anspruchsvollere Bodenarbeit machen, wird das mein größter Job: raus finden, wie viel ich verlangen kann, wie lang seine Motivation hält und wie ich mich verhalten soll um ihn möglichst zu unterstützen in seinen Anstrengungen.
Er wird mir noch viele Fehler verzeihen müssen – ich hoffe, dass Merlin und Diego ihm das schon erzählt haben. Und ich hoffe, dass ich genug „Bonuspunkte“ bei ihm habe.
Als wir einige Tage später wieder mit der Doppellonge auf den Platz gehen, habe ich einen besseren Plan. Es gibt mehr Kekse und mehr Pause, dafür weniger Wiederholungen. Aber vor allem beobachte ich mein Pony genauer. Ich sehe seine Motivation, es richtig zu machen – auch wenn „richtig machen“ in seinen Augen nicht immer das selbe ist wie in meinen. In den Pausen sehe ich, wie konzentriert er ist, wie lange er braucht, um runter zu kommen. Und ich verstehe: es mag einfach aussehen (das ist wohl seine besondere Gabe, es ganz leicht aussehen zu lassen), aber er strengt sich wahnsinnig an um so aufmerksam bei mir zu sein. Kein Wunder also, dass er grantig wurde, als er das Gefühl hatte es sei „immer noch nicht genug“.
Wir hatten eine schöne gemeinsame Einheit und ich habe wieder viel zu denken.
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