In meinem noch unveröffentlichten Buch (ich hoffe ich habe bald die Kraft, daran weiter zu machen so dass Ihr es eines Tages wirklich in den Händen halten könnt) gibt es ein Kapitel mit der selben Überschrift.
In diesem Kapitel geht es um die Sprache, die sich zwischen Finlay und mir im Laufe der Jahre entwickelt hat. Von den ersten Anfängen bis zu den Finlay-spezifischen Äußerungen die zu entschlüsseln mich manchmal Monate oder Jahre gekostet hat. Finlay war ein sehr hartnäckiger Lehrmeister. Er hat niemals aufgegeben. Wenn er mir etwas zu sagen hatte, hat er es so oft wiederholt, bis ich verstanden hatte. Zwischendurch konnte er dann schon mal sehr wütend werden und einfach ausflippen – das waren die Gelegenheiten bei denen er mir gezielt mit den Hinterhufen eine Ladung Sand in die Augen geschmissen hat und buckelnd und furzend von dannen zog, manchmal sogar mit wütendem Gequietsche (wir haben auf dem Platz ja immer frei gearbeitet).
Nun steht da Sir Duncan Dhu und spricht wieder eine andere Sprache. In unserer Herde kann ich sehen, dass seine Sprache so anders ist, dass es länger dauert, bis jeder weiß was der andere meint.


Ich erinnere mich daran, wie ich aus Hessen nach Schleswig-Holstein zog. Ich wollte etwas Süßes vom Bäcker und bat um einen „Kräppel“. Die Verkäuferin hat gestaunt – was das denn sein sollte?
„Kräppel“ sagt der Hesse zum „Berliner“. Noch lange hatte ich Probleme damit, mich umzugewöhnen. Aber es half ja nicht: niemand gab mir, was ich wollte, wenn ich „Kräppel“ sagte, so musst ich lernen, „Berliner“ zu sagen!

Und so bekommt Duncan eben nur das, was er will, wenn er so darum bittet, dass die anderen ihn verstehen. Da Duncan jung ist und hier nichts zu sagen hat, liegt es im Wesentlichen bei ihm, die Sprache der anderen zu lernen. Aber die anderen werden schon auch von ihm ein bißchen lernen, wie es nun mal so ist. Und er begegnet unseren Ponys anders als Finlay, so dass auch die Reaktion unserer Ponys anders ausfällt. Das zeigt sich mir besonders beim Füttern: weil Diego leider oft etwas gestresst ist wenn es Heu gibt, schickt er die anderen schnell mal durch die Gegend wenn es eng wird. Duncan aber schafft es irgendwie, dieses Verhalten viel weniger auszulösen und dadurch viel näher am Heu sein zu können und selbst weniger Stress zu haben. Er darf nicht – wie Finlay es durfte – bei Diego mit fressen (das versucht er aber auch gar nicht). Es wirkt eher so, als hätte er eine Art Tarnumhang, der ihn im entscheidenden Moment unsichtbar macht, so dass Diego sich so verhält, als sei Duncan gar nicht da. Ich möchte das unbedingt weiter beobachten und herausfinden, wie er das macht!
Duncan muss nun nicht nur die Sprache der anderen Ponys lernen, sondern auch meine. Und ich gebe mir die größte Mühe, möglichst viel von seiner Sprache zu verstehen.
Das ist erst mal wildes Interpretieren. Zum Beispiel die neulich erwähnte Frage: wann wird es Zeit für ein neues Abenteuer?
Das begann so:
Wir waren also am Sonntag auf unserem ersten Spaziergang. Am Ende wollte Duncan recht flink nach hause und am Montag habe ich ihn dann komplett in Ruhe gelassen – und er mich auch. Das Gehirn war satt.
Am Dienstag abend dann fing er wieder an, aus dem Stalltor raus drängeln zu wollen wie er es vor dem ersten Spaziergang auch getan hatte. Das nehme ich als Zeichen dass er etwas erleben möchte. Selbst beim abendlichen Heu füttern kam er an und wollte lieber mit mir durch die Tür marschieren (sehr hungrig war er nicht mehr, er hatte schon seine riesige Extra-Portion verdrückt).
Nun blieb aber unter der Woche keine Zeit für ihn, nur für ein bisschen FBT (Freedom Based Training – Elsas Methode) im Paddock zwischendurch.
Erst am Sonntag hatten wir wieder Zeit, mit Duncan raus zu gehen und ich war sehr gespannt. Er schien sich zu freuen und marschierte munter los. Schon nach 300 Metern hielt er an um ein wichtiges Geschäft zu verrichten – er musste pinkeln! Das war für mich ein Highlight und es gab einen Keks dafür, denn Finlay war immer sehr eigen mit dem unterwegs pinkeln, was uns manches mal ein verspanntes Pony bescherte weil er musste aber nicht wollte… Auf der Liste noch zu übender Dinge stand das daher ganz weit oben…
Da Duncan so gut drauf war, wanderten wir an unserer Grasstelle vom letzten Mal vorbei noch etwas weiter den Weg entlang. Ich bat Arnulf, mit Diego hinter uns zu bleiben um zu sehen ob Duncan wohl auch bereit wäre, vorne weg zu marschieren. Zuerst wollte Duncan dann wenigstens MICH gern vor sich haben aber nach einer Weile zog er plötzlich an, lief frohgemut an mir vorbei und fand es völlig in Ordnung, dass ich auf Höhe seiner Flanke laufe. So schritt er zur Eroberung der Welt!
Nach einer Weile ließen wir die Pferde an einem anderen Platz grasen und gingen danach noch ein Stück weiter.

Als wir zur nächsten Kurve kamen, entschieden wir, umzudrehen. Duncan wäre gern noch weiter gegangen aber wie bei kleinen Kindern kalkulierte ich den Rückweg als (in seinem Fall geistige) Anstrengung mit ein. Duncan blieb stehen und fragte, was das soll. Er hatte doch gerade so viel Spaß! Aber schließlich kam er dann doch mit. Ein Auto von hinten meisterte er völlig unaufgeregt – wir standen etwas auf Abstand in einem Knickloch.
Zwischendurch allerdings versuchte er mich ein paarmal spielerisch zu kneifen und ich bin noch nicht sicher was das nun bedeuten soll. Doch geistig etwas müde und daher grantig? Er hatte auch ein etwas eingezogenes Mäulchen zwischendurch. Aber vielleicht war er auch nur sauer, dass er nicht grasen durfte? Oder war es reiner Schabernack? Hier ist noch eine leere Seite in meinem „Duncan-Wörterbuch“.
Jedenfalls hatte er wenig Bedürfnis, nach hause zu gehen. Keinerlei Beschleunigung diesmal, im Gegenteil, bevor Duncan den heimischen Hof wieder betritt, muss er erst noch den Weg gegenüber anschauen.
So denke ich also, meine Interpretation seines Aus-der-Tür-drängelns als Abenteuerlust ist korrekt, ich bin auch ziemlich sicher, dass er noch Lust gehabt hätte, weiter zu gehen. Nur dieses kleine Kneifen will beobachtet werden, da sind noch alle Möglichkeiten offen.
Eine Woche später machen wir zum ersten Mal seine Hufe. Er kennt das schon von der Züchterin, aber bei uns haben wir noch gar nichts mit Hufen gemacht, außer dass ich im Freedom Based Training das Beine anfassen geübt habe.
Er arbeitet gut mit, schafft 10 Minuten Konzentration und nach einer halben Stunde Pause schafft er noch einmal 20 Minuten, so dass wir alles fertig machen können. Wir haben einfach die Chance genutzt dass er es noch schafft, aber anstrengend war es wohl doch, denn danach passiert etwas noch nie dagewesenes: im Stall, als ich das Halfter abgenommen habe, kommt Duncan zu mir, legt seinen Kopf an meine Brust und ist für einen Moment ganz still. „ich bin müde“ scheint er zu murmeln und sucht bei mir etwas Ruhe.
Das finde ich äußerst interessant, denn normalerweise kenne ich es so, dass junge Pferde, die geistig müde sind, genau das Gegenteil tun, nämlich das Weite suchen oder aber spielerisch aggressiv werden um Stress abzubauen. Ich bin völlig überrascht von diesem Verhalten und mache mir eine geistige Notiz, darauf zu achten, ob und wenn ja wann er das noch einmal zeigt – dann kann ich auch besser darauf reagieren weil ich nicht mehr so überrascht bin.
Manchmal kommen „Blitzattacken“. Schon zweimal ist es im Freedom Based Training passiert dass er nach mir beißen wollte – beide Male im Zusammenhang damit dass ich links an seiner Flanke war. Normalerweise akzeptiert er mich aber in jeder Position um ihn herum, auch dort. Woher nun dieses – für mich unvorhersehbare – Verhalten kommt möchte ich auch noch erforschen.
An einer Stelle verhält Duncan sich ganz anders als ich es gelernt habe.
Wenn er auf mich zu kommt, kommt er immer ganz schnurgerade. Er macht keine kleinen Schlenker, kein Zögern, keine Kopfbewegung. Und er möchte, dass ich ganz genauso schnurgerade auf ihn zu gehe. Wenn ich – wie ich es im Horsemanship gelernt habe – ihm Platz mache, etwas rückwärts gehe, ihn einlade oder stehen bleibe, legt er die Ohren an. Es löst anscheinend diesen kleinen „Jagdinstinkt“ in ihm aus, der sich unter Pferden in einem kleinen spielerischen Kampf entladen würde (den ich als Mensch nicht möchte). Gehe ich aber – völlig gegen meinen Instinkt – schnurgerade auf ihn zu, so begegnen wir uns freundlich in der Mitte und er begrüßt mich in kuscheliger Stimmung. Auch beim Halftern kann ich am besten direkt von vorn kommen, was erfahrungsgemäß für viele Pferde problematisch ist. Er schlüpft dann fast selbst ins Halfter. Er hat viel mehr ein Problem damit, mich an der Seite zu haben (etwas, woran ich im Freedom Based Training mit ihm arbeite).
Da ich bei Finlay nie ausprobiert habe, mich so zu verhalten, habe ich keinen Vergleich wie er darauf reagiert hätte. Bei Finlay hatte ich so meine Vorstellung davon, wie „man das macht“, aber jetzt bin ich klüger (oder dümmer, weil ich so vieles nicht mehr weiß was ich vorher „wusste“?) Aber auch Finlay war so ein „direkter“ Typ und ich glaube es ist ein Stück weit rassebedingt.
Nun probiere ich also so herum und erforsche, wie Duncan es gern mag, was wir üben dürfen und wo ich mich einfach an seine persönlichen Vorlieben anpassen kann.
Duncan lernt natürlich auch meine Sprache. Und damit meine ich nicht nur die Körpersprache, sondern auch die Worte und Laute die ich von mir gebe. Er lernt, was ich für Töne mache, wenn ich rufe, was für Töne ich mache, wenn ich etwas gut finde und was ich vielleicht mal für Geräusche mache wenn ich etwas nicht mag. Während wir üben, dass er rückwärts von mir weggeht um die Schüssel zu bekommen, wird er nebenbei lernen, wie er aus meiner Stimme ablesen kann, wann er auf dem richtigen Weg ist. All diese Dinge wird er alsbald gut raus haben.
Einer von uns beiden wird die Sprache des anderen schneller lernen als der andere – und ich weiß ganz genau, wer dieses Rennen gewinnt…. Nicht mehr lange und Sir Duncan wird mich so gut lesen können, dass er mich mit meinen eigenen Waffen schlagen wird, wie Ponys es eben gerne tun. Und dann wird sich über die kommenden Jahre eine eigene, individuelle Verständigung entwickeln zwischen ihm und mir, wie sie überall da entsteht wo Mensch und Tier sich aufeinander einlassen. Und in ein paar Jahren werde ich diesen Text vielleicht lesen und schmunzeln, weil ich dann so viel mehr weiß als heute – und diese Vorstellung finde ich zugleich beruhigend und irgendwie sehr merkwürdig.
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