Mein neues Abenteuer

Sir Duncan Dhu of Nakel wurde am 24.8.2018 in Dänemark geboren.

Zu diesem Zeitpunkt dachte ich nicht im Traum daran, dass ich bald ein neues Pony „brauchen“ würde und habe mich also überhaupt nicht mit der Situation der Highlandponys in Deutschland oder gar Dänemark beschäftigt.

Als mein Finlay dann tot war, spielte mein Gehirn total verrückt. Heute weiß ich: jeder trauert anders. Jeder muss seinen eigenen Weg finden und die anderen dürfen sich raushalten. Ich hätte jedem Trauernden ganz andere Verhaltensweisen empfohlen als ich sie letztlich für mich selbst als richtig empfunden habe. Niemals – wirklich niemals! – hätte ich gedacht, dass ich einen Tag nach Finlays Tod anfange, Anzeigen anzuschauen. Einen Tag danach!! Ich denke im Nachhinein, dass ich noch total im Schock war. Aber das war das, was mein Gehirn tun wollte: Highlandponys anschauen. Da ich ja Finlay von einer Züchterin gekauft hatte, die auch Hufpflegekundin bei mir war (die jetzt aber leider nicht mehr züchtet), hatte ich irgendwie unbewusst den Eindruck: Highlandponys gibt es genug.

Aber ich wurde schnell eines besseren belehrt! Da ich keine Stute möchte – absolutes Ausschlusskriterium – blieben letztendlich in Deutschland 3 Ponys übrig, die in Frage gekommen wären. 3! Einer davon – ein Halbbruder von Finlay – ist erst dieses Jahr geboren worden, die anderen beiden sind Jährlinge. Von den beiden Jährlingen ist einer bereits kastriert, was ich nicht so toll finde. Ich habe die Züchter angeschrieben und beide Jährlinge wurden mir als eher etwas schüchtern und zurückhaltend beschrieben. Allein diese Charakterbeschreibung war für mich Grund, noch weiter zu suchen. Ich bin nun mal nicht der Typ für die zurückhaltenden. Ich liebe aufdringliche, selbstbewusste, nervtötende Ponys, die alles ankauen, eine Menge eigene Meinung haben und damit auch niemals hinterm Berg halten. Ich mag Ponys, mit denen ich auch mal streiten kann, wenn es nötig sein sollte. Solche, die kein Blatt vor den Mund nehmen, die nicht unnötig höflich oder duldsam sind. Die, bei denen ich immer weiß, woran ich bin. Die mir auch mal sagen „so machen wir das nicht“. Finlay hat das dauernd gemacht und ich habe so viel gelernt und wir hatten so viel Spaß zusammen. Ich finde, artige Ponys sollen zu den Leuten gehen, die ein artiges Pony wollen oder brauchen. Dort können sie einen tollen Job machen und sind so wertvoll.

Ich möchte lieber ein einzigartiges Pony. Eines, das mir Werkzeuge klaut, die Schubkarre umschmeißt, mich gelegentlich zur Weißglut und möglichst oft zum Lachen bringt.

Keiner der beiden Jährlinge schien diese Kriterien zu erfüllen. Und das Fohlen – tja da war ich mir nicht sicher. Ich schob einen Besuch bei ihm auf, weil er sehr weit weg von uns wohnt.

Dann kam mir die Idee, nach Highlandponys in Dänemark zu suchen. Da ich kein Wort Dänisch spreche, war es etwas lustig – sag doch mal der Suchmaschine was du suchst und dass du es in einer Sprache suchst die Du gar nicht sprichst…. Aber es gelang mir und ich fand auch genau ein Pony zum Verkauf: Duncan Dhu.

Die Züchterin hatte Fotos eingestellt von Duncan, wie er auf einem Baumstumpf steht und eines wo er auf einem Brunnendeckel steht …. und dann das Gesicht dazu. Und meine Freundin sagte sofort: das sieht ganz nach einem Abenteurer aus.

Ich schrieb die Züchterin an – natürlich ging unsere ganze Konversation auf Englisch, aber ich übersetze es der Einfachheit halber für Euch.

Ihre allererste Frage war übrigens, ob ich denn schon mal ein Highlandpony gehabt hätte. Da kann man schonmal sehen: so ganz gewöhnlich sind die Schotten eben nicht. Wer sie noch nicht kennt, tut gut daran, sie kennenzulernen. Ich bat sie, neben den üblichen Fragen, mir seinen Charakter zu beschreiben und sie antwortete mir

„er ist sehr neugierig, er kuschelt gern. Aber er ist auch ein kleiner Hengst und kann ein bißchen frech sein manchmal. Wir versuchen, ihm beizubringen, nicht überall reinzubeißen“.

Ich las Arnulf die Nachricht vor und zum ersten Mal seit Finlays Tod lachten wir beide herzhaft. Duncan hatte uns also zum Lachen gebracht, bevor wir ihn zum ersten Mal gesehen hatten.

Und dann fuhren wir also – nur 2 Wochen nach Finlays Tod – knapp 300km nach Dänemark um Duncan zu besuchen. Was für ein Desaster! Just an diesem Morgen war eine Stute zum Decken gebracht worden und Duncan hatte seinen Papa beim Decken beobachtet. Die Stute stand nun auf einer Extraweide und alle Pferde (bis auf die Stute) waren einigermaßen durch den Wind. Duncan ignorierte uns total, von Kontakt keine Spur. Er wirkte eher ängstlich mir gegenüber aber insgesamt einfach nur total durcheinander.

Es war nur schrecklich. Ich kämpfte die ganze Zeit mit den Tränen und relativ schnell fuhren wir wieder nach hause – unhöflicher weise die Einladung zum Kaffee ablehnend, ich wollte nur weg. Vielleicht war das der allerschlimmste Tag nach Finlays Tod (naja, es gab viele „allerschlimmste Tage“ in den ersten Wochen). Es traf mich wie ein Schlag: Finlay ist weg und kommt niemals wieder. Das was ich mit Finlay hatte – unsere ganze gemeinsame Geschichte – wird sich nicht wiederholen. Auch das beste Pony kann nicht Finlay sein. Niemals wieder wird Finlay in meinem Leben sein. Niemals.

Ende.

Trotz alledem war da irgendetwas. Ich hatte mich sehr gut mit Heidi – der Züchterin – unterhalten und sie hatte viele Dinge gesagt, die mir genau wie ihr wichtig sind, wenn es um Highlandponys geht. Bestimmte Charakteristika, die einfach dazugehören. Auch ihre Art, mit den Pferden umzugehen, gefiel mir unheimlich gut. Und Duncan – so schlimm das alles war – gefiel mir auch. Und so sagte ich ihr, dass ich ihn wiedersehen möchte.

3 lange Wochen musste ich warten auf dieses Wiedersehen. 3 Wochen in denen alles in mir durcheinander ging: Duncan ja oder nein, Finlay ist tot, lieber ein älteres Pony das ich gleich reiten kann aber dann ist es kein Schotte weil es keine älteren Schotten zu verkaufen gibt – mehr Zeit vergehen lassen, länger suchen (vielleicht gibt es ja doch noch Schotten zum Verkauf die ich noch nicht gefunden habe) …. aus Schottland importieren kam für mich nicht in Frage. Aber Duncan ließ mich nicht los. Keine Ahnung warum. Er hatte sich einen Dreck um mich geschert aber der Gedanke an ihn ließ mich einfach nicht los.

5 Wochen nach Finlays Tod fuhren wir also wieder zu Duncan. 3 Wochen hatte ich darauf gewartet, nur um dann am Abend davor fast noch den Termin abzusagen. Aber ich habe ihn nicht abgesagt, wir sind hingefahren. Und alles war klar. In wenigen Minuten war einfach alles klar. Ich bat Heidi, Duncan den Anhänger zeigen zu dürfen. Und der kleine Jährling, der nur knapp halfterführig war, der mich nicht kannte und noch nie in seinem Leben einen Anhänger gesehen hatte, war absolut bereit, mit mir ein Abenteuer zu erleben. Er zog vorm Anhänger ein, zwei mal am Strick und versuchte sich zu drehen, dann merkte er dass das jetzt gerade nicht geht und – zack! – wandte er sich mir zu und blieb die ganzen 15 Minuten, die wir miteinander verbrachten, in Kontakt. Er marschierte unaufgefordert hinter mir her auf den Anhänger, wunderte sich kurz, ging wieder zurück, marschierte wieder rauf, aß einen Keks und das war‘s. Da war kein „Horsemanship“ meinerseits im Spiel, ich hatte nur den Strick in der Hand. Kommandos gab ich keine, ich ging nur Schritt für Schritt vorneweg und wartete, dass Duncan hinterher kam. Duncan war ganz bei mir, die Züchterin war erstaunt wie das alles so ging und total begeistert, dass es mit Duncan und mir so schön passt. Mein Herz traf eine Entscheidung und auch Duncan schien „ja“ zu sagen.

Natürlich habe ich mich selbst nachher noch hundertmal für verrückt erklärt. Zum Glück haben alle Personen in meinem Umfeld, denen ich davon erzählt habe, das nicht getan. Ein Pony zu kaufen, dass ich 15 Minuten gesehen habe, so kurz nach Finlays Tod, das geht doch nicht. So ein Quatsch. Aber Finlay hat mich gelehrt, dass allzu langes Nachdenken nichts an dem ändert, was das Herz will. Die Situation ändert sich dadurch nicht. Wenn die Zeit reif ist, ist sie reif, mag ich auch Angst haben, mag es auch zu früh erscheinen oder völlig absurd.

Duncan erobert mein Herz

Finlay-Lektion Nummer 1: folge Deinem Herzen

Finlay-Lektion Nummer 2: Schiebe nichts unnötig weit auf, warte nicht zu lange. Einfach machen war seine Devise, dann sieht man ja was passiert. Mutig ins nächste Abenteuer!

Duncans Umzug zu uns war für den 1.9. geplant aber wer sich ein so besonderes Pony kauft muss wohl damit rechnen, dass nicht alles nach Plan läuft: erst hatte die Highlandpony-Society in Schottland mal Ferien. Der Pass, den die Züchterin beantragt hatte, wurde also zwar erstellt, ging dann aber anscheinend nicht in die Post. Wir verschoben den Termin – mit allem was da dran hing, also auch zwei Amtstierarzt-Termine, einer für Duncan, der ein Gesundheitszeugnis für die Einreise nach Deutschland braucht und einen für Diego, der als Reise-Begleit-Pferd ein Gesundheitszeugnis für die Einreise nach Dänemark braucht. Dann war der Pass in der Post und wir planten wieder mal. Leider zu früh, denn jetzt hing der Pass in der Post fest. Die Luftpost, die normalerweise 2-3 Tage von Schottland nach Dänemark braucht, brauchte geschlagene 2 Wochen. So mussten wir uns noch gedulden, erneut den Amtstierarzt absagen (ich glaube er hat mich mittlerweile für verrückt gehalten) und versuchen, ruhig zu bleiben. Und obwohl das nicht ganz einfach war, sagte ich mir doch, dass ich noch endlos viel Geduld brauchen würde, bis aus diesem kleinen Zwerg ein Reitpferd wird, da kann es auf ein paar Wochen nun auch gar nicht ankommen. Ich erinnerte mich – manchmal mit leisem Schrecken – wie weit der Weg war, den ich mit Finlay gegangen bin: durch Wachstumsbeschwerden und Pubertät, die Grundausbildung und das gegenseitige Kennen- und Verstehen-Lernen… erst im Nachhinein ist mir so recht klar geworden, wie viel Zeit es uns beide gekostet hat, die Ausdrucksweise des anderen wirklich in der Tiefe zu verstehen. Es ist ja recht leicht, einem Pferd zu sagen „tu dies, tu das“. Und für Pferde ist es häufig leicht, dazu erstmal „ja“ zu sagen. Aber was sie wirklich denken und fühlen, das ist nicht immer so leicht zu erkennen. Oder warum sie dann manchmal doch nicht „ja“ sagen, sondern „nein“ oder um es mit Finlays Worten auszudrücken „DAS KOMMT ÜBERHAUPT NICHT IN FRAGE SO MACHEN WIR DAS NICHT!! (füge hier nach Belieben einige Kraftausdrücke ein)“

Sicher stehen mir mit Duncan auch wieder Zeiten bevor, die …. sagen wir mal… interessant sind. Turbulent. Schwierig, herausfordernd, lernintensiv, aufregend, abenteuerlich oder nervenzerfetzend. Je nachdem wie ich es schaffe, damit umzugehen.

Schließlich war alles fertig – der Pass war da, zwei Gesundheitszeugnisse waren erstellt, alles war gut durchgeplant. Und dann, am Freitag abend (Sonntags wollten wir los) leuchtet die Motorlampe am Auto auf. Ich habe auf diese Lampe gestarrt und dachte nur „das ist nicht wahr“. Aber es war wahr. Das Auto musste in die Werkstatt und wir hatten noch eine aufregende Woche, mit der Versprechung der Werkstatt, das Auto rechtzeitig fertig zu haben, zwei neuen Gesundheitszeugnissen (auf die Gefahr hin dass das Auto vielleicht doch nicht fertig wird) und neuer Planung zum Einzug. Aber schließlich und endlich, 4 Wochen nach dem geplanten Termin, ging es los. Wir luden Diego morgens um 6 Uhr auf und fuhren knapp 4 Stunden nach Dänemark.

Die Angst kam mit. Die Angst, dass auch Duncan etwas passieren könnte. Der verrückte Gedanke, dass alle meine Ponys sterben. Vielleicht denkt man solche Dinge nach so einem Erlebnis. Immer wenn ich so etwas dachte, habe ich Merlin angeschaut, der seit 18 Jahren an meiner Seite ist, genauso lang wie Arnulf und damit länger als alle anderen. Merlin, der Solide, immer da, nie krank, nie unzuverlässig. Merlin hat mir Mut gemacht.

Aber auch Finlay macht mir Mut. Denn ich habe es geschafft, Finlay so großzuziehen und auszubilden dass er das tolle Pony war (sollte ich sagen: blieb?) das er war, also habe ich auch bei Duncan eine Chance, das zu schaffen.

Ich dachte: wenn wir Duncan erst zu hause ausgeladen haben, ist das Schlimmste geschafft.

Finlay-Lektion Nummer 3: Der Schotte an sich liebt Pläne – denn man kann sie so schön schreddern. Finlay hat immer alle meine Pläne geschreddert und es sollte sich herausstellen, dass Duncan in dieser Fähigkeit trotz seines zarten Alters schon recht weit fortgeschritten ist…. Oder vielleicht sollte ich sagen: es stellte sich heraus, dass ich – trotz aller Erfahrung – viele Dinge einfach noch nicht verstehe, falsch einschätze und daher nicht vorhersehen kann. Aber dazu später mehr. Jetzt muss ich nämlich erst mal runter in den Stall, dort wartet einiges an ungeplanter Extra-Arbeit auf mich….

P.S. Geplant ist jeweils ein neuer Beitrag jeden Donnerstag. Für Euch zum drauf freuen 😉

Beteilige dich an der Unterhaltung

6 Kommentare

  1. Lioba, Du Mutmacherin – ich freue mich von Herzen für Dich und auch für Duncan, denn er wird es sehr gut haben bei Dir. Ich hab fast immer Tränen in den Augen wenn ich Deine Geschichten lese, weil sie mich so tief berühren. Deine Zerissenheit, Deine gefühlsmäßgen ups and downs finde ich so nachvollziehbar und ich fühle so unglaublich mit Dir und dann diese Deine Entscheidung, die nur aus dem Herzen kommt – wunderbar. Ich werde weiter deine Geschichten begleiten und hoffe Dich eines Tages auch mal persönlich kennen zu lernen, denn vieles an Dir ermutigt mich auf meinem eigenen Weg. Alles Liebe 🙂

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  2. So schön, ich freu mich vom Herzen für Dich und Duncan. Und auch Finlay wird Euch immer begleiten <3. Bin gespannt auf eure Abenteuer.

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  3. Ich muss da ja jetzt mal was fragen — es ist weit genug weg von Duncans Ohren, hoffe ich!
    Und zwar kommt er mir oft sehr klein vor, ist das bei allen Schottenponys so oder ist er ein kleiner Vertreter in der Gesellschaft von größeren Schotten?
    Manchmal, wenn ich Fotos von dir beim Reiten seh, denk ich, bei der nächsten Bodenwelle hast du die Füße im Gras… Und mit dem ganzen Equipment aus dem letzten Beitrag (der wo du kein Fell am Hintern hast) ist sein ganzer Rücken bedeckt, das sieht noch krasser aus.

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    1. Er ist schon eher ein kleiner Vertreter seiner Art, aber es gibt viele die so klein sind. Allerdings ist er halt noch sehr schmal, da kommt ja jetzt in den nächsten 3 Jahren noch einiges an Breite und dann sieht er auch nicht mehr so klein aus weil sich alles besser verteilt. Nachher deckt auch ein knapp über 1,40m- Schotte einen erwachsenen Reiter in der Regel gut ab.

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