So, da ist sie, die „echte“ Ausreitsaison. Mit Sattel und Ziel: Gedenkritt im Herbst. 23km auf den Spuren der besten Ponys 1.0. Wie lange wir für die 23 km brauchen ist egal, aber meine Freundin und ich sind beide keine passionierten Schritt-Reiter und ich wünsche mir schon, dass wir uns an das Tempo eines Einführungs-Distanzritts annähern (auf unserem ersten Ritt mit Finlay war damals mindestens Tempo 8, echte Distanzreiter kichern jetzt). Ich könnte also jetzt versuchen, mit meinem laienhaften Wissen einen Trainingsplan zu erstellen und ich werde das auch zumindest ansatzweise tun im Sinne von: wie viele Wochen, wie viele Ritte, bis zu welcher Strecke möchte ich vorher schon mal geritten sein. Wichtiger wird mir sein, die Teile der Strecke zu üben, die für Duncan eine Herausforderung sein könnten, allen voran die Autobahnbrücke.
Zeitgleich beobachte ich in meinen Unterrichtsstunden, wie es laufen kann: man sucht sich ein Thema aus und landet plötzlich ganz woanders. Weil heute komisches Wetter ist, weil die Pferde ausgebrochen sind und sehr aufgeregt sind, weil das Pferd sich die Hüfte schief gezogen hat beim Sprint auf die feuchte Wiese oder weil ich einfach eine oder zwei Stufen unterhalb des sichtbaren Problems eine Ursache entdecke, die zuerst beseitigt werden muss.
Manchmal glaube ich, mein nicht vorhandener Ehrgeiz ist in Sachen Pferdeausbildung ein großer Vorteil. Wenn wir den Ritt nicht diesen Herbst machen können, weil das Training noch nicht reicht oder irgendwas anderes ist, dann wird er eben verkürzt oder verschoben. Auch damals auf unserem Einführungsritt: wie lange es dauert ist mir egal, Hauptsache wir kommen an. Bei unserem zweiten Einführungsritt waren wir weit außerhalb des Zeitlimits. Der eigentliche Reiz lag für mich viel mehr im Training davor. Plötzlich war ausreiten nicht mehr so beliebig, was für mich dann schnell etwas langweilig wird. Ausreiten hatte eine Struktur, es gab Sachen zu üben, zu beobachten und zu überdenken. Ich habe viel gelernt bei unseren Trainingsritten – über mein Pony, über mich, über unser Equipment, unsere Grenzen und Motivation. Und natürlich gab es dauernd Fortschritte zu feiern!
Manche meiner Reitschülerinnen meinen, ich würde mich langweilen mit ihnen, weil sie noch nicht so gut reiten und wir an der Basis arbeiten. Nein! Es gibt so viele Facetten von Unterrichtserteilung, so viele Möglichkeiten an der kleinsten Kleinigkeit zu arbeiten, ich kann meine Sprache variieren, meine Erklärform, meine Übungswahl und das alles ist eine riesige Spielwiese für mich. Wenn ich wirklich mal denke „das erkläre ich jetzt zum 100. mal“ dann verändere ich meine Sprechgeschwindigkeit und staune, welchen Effekt das jeweils auf meine Schülerin hat. Ehrgeiz, meine Schüler irgendwo hin zu bringen, habe ich nicht und das selbe gilt für mich und mein Pony.
Und ganz ehrlich: mir ist es hundertmal lieber wenn eine Schülerin absteigt, nachdem sie ein paar Meter geritten ist und sagt „das geht heute nicht, wir müssen Handarbeit machen“ als wenn auf Teufel-komm-raus geritten wird obwohl Pferd und Reiterin dafür heute viel zu aufgeregt sind. Und wenn eine Schülerin, die heute galoppieren wollte, mit mir bereit ist, am Schritt zu tüfteln, weil wir da gerade ein Problem aufgespürt haben, dann bin ich dafür sehr dankbar. Aber auch umgekehrt kann es ja passieren: jede Schülerin, die vor einer bestimmten Sache Angst hab (meistens vorm galoppieren) weiß, dass sie jederzeit sagen kann „jetzt ist es so weit“. Plötzlich kommt der eine Moment und dann geht es los – egal, was eigentlich gerade geplant war. Und mir ging es mit Duncans erstem Galopp mit mir oben drauf nicht anders – das war völlig ungeplant. Solche Chancen dann nicht zu ergreifen wäre ja sehr schade!
Alle meine bisherigen Pläne mit Duncan haben sich im Laufe der gemeinsamen Jahre immer wieder verschoben und verändert. Wenn ich also einen rudimentären „Trainingsplan“ erstelle und ein Ziel ans Ende schreibe, dann ist das nicht mehr als eine Orientierungslinie. Das Ziel (und ein Plan ist ja auch nichts weiter als lauter Zwischenziele) dient meiner Motivation, bestimmte Dinge anzupacken, die ich sonst vielleicht auf die lange Bank schieben wollen würde. Und es dient mir dazu, Grenzen auszuloten – nicht beim ersten Anzeichen von Müdigkeit auf meiner oder Duncans Seite auf der Bremse zu stehen, die „Helikoptermutter“ zu machen und lieber einen Schritt zurück zu treten, sondern uns beide ein bisschen heraus zu fordern und das Augenmaß dafür zu entwickeln, wo Grenzen wirklich sind und wo nur ein erstes „oh, anstrengend“ vermeldet wird.
Dazu, und nur dazu, dient mir mein „Trainingsplan“. Und ich bin sehr gespannt, was ich im Laufe dieser Zeit über Duncan lernen werde, denn wir betreten neues Terrain: echtes Training mit dem Ziel der Leistungssteigerung. Wird es einen Punkt geben, an dem er sagt „es reicht“? Finlay hat sich seine Pausen ja immer selbst und vehement verschafft. Da kannte er keinen Spaß. Aber nach einer Pause war er auch bereit, weiter zu machen und er hat sich durchaus auch gut gesteigert im Training. Das Tempo hat er dabei selbst bestimmt. Wie wird Duncan damit umgehen? Wahrscheinlich ganz anders. Eins steht fest: im Herbst weiß ich mehr.