Ich war in meinem Leben nie fest angestellt. Vielleicht habe ich deswegen einen anderen Blick auf diese Art Arbeitsverhältnis. Ich höre und sehe in meinem Freundes- und Kundenkreis ja so einiges und bin immer wieder erschüttert und erschrocken über das, was ich da so erfahre. Kürzlich hat meine Freundin ihren Job gekündigt, weil sie etwas besseres gefunden hat. Und es ist genau das passiert, was ich erwartet hatte: plötzlich macht man ihr große Angebote, damit sie doch noch bleibt. Plötzlich kann man – oh Wunder – doch mehr Gehalt zahlen (was vorher jahrelang angeblich nicht möglich war). Angeblich steht man natürlich immer voll hinter ihr und alles, was in letzter Zeit so gar nicht dafür sprach, dass man ihre Arbeit wert schätzt hat sie „falsch verstanden“. Nun denn, zum Glück ist meine Freundin vernünftig und fällt auf solche Märchen nicht rein.
Direkt nach dem Telefonat in dem wir beide uns köstlich darüber amüsierten, dass sie nun sogar einen freien Tag bekommen hat um die Entscheidung nochmal zu überdenken, betrete ich mit Halfter, Strick und Gerte den Paddock. Duncan sieht mich und kommt – völlig ungefragt – zu mir. Er weiß, dass ich das passende Equipment mit habe um mit ihm etwas schönes zu machen. Er hat Lust, ist motiviert und freut sich auf unsere gemeinsame Zeit. Woran liegt das?
Meine Pferde bekommen viel Futterbelohnung. Das kann man vielleicht als eine Art „Bezahlung“ verstehen, ähnlich verstehe ich z.B. das Kratzen beliebter Stellen oder eine schöne Massage (wenn das Pferd das denn mag). Es gibt aber auch Dinge, für die ich meine Ponys nicht „bezahle“. Ausreiten (oder Spazierengehen) ist für Duncan z.B. selbstbelohnend. Er ist einfach so gern draußen und sieht die Welt! Manche Araber, die ich kenne, freuen sich auch über einen ausgiebigen Trab an der Longe (etwas wofür ich Merlin, Diego oder Finlay niemals begeistern konnte). Auch Duncan hat einfach Freude an der Bewegung und findet es ganz ok, länger an der Longe oder an der Hand zu traben, wenn es zwischendurch was zu Naschen gibt.
Inzwischen glaube ich aber auch, dass Duncan einfach gern mit mir zusammen ist. Das, was ich bei Elsa Sinclair gelernt habe, macht sich bemerkbar. Duncan findet, dass ich oft gute Entscheidungen treffe und er genießt meine Gesellschaft, so wie ich seine genieße. Ich sage ihm jeden Tag (meistens mehrfach) dass er der beste Schotte diesseits der Regenbogenbrücke ist, ich feiere es, wenn er eine schwierige Übung hinkriegt (und inzwischen feiert er dann mit – anfangs hat sich ihm dieses Konzept nicht erschlossen). Er fühlt sich großartig wenn wir etwas gemeinsam machen, weil ich die Aufgaben nach Möglichkeit so dosiere, dass er sie mit etwas Konzentration und Anstrengung erfüllen kann. Und ja, ich lobe ihn nach wie vor auch für die Dinge, die selbstverständlich sind: Hufe geben, warten, los gehen, antraben. Ich nehme nichts als gegeben hin. Oft denke ich an Alex Zell der mich im Unterricht oft gefragt hat „macht er das gut?“ und wenn meine Antwort „ja“ war, kam von ihm ein „dann sag ihm das!“. Wir müssen dafür nicht jedes mal in Lobeshymnen ausbrechen, Pferde lieben Harmonie und wenn wir uns darum bemühen, diese zu finden, und uns unserem Pferd anpassen, ist das für viele Pferde schon eine sehr große Motivation. Ihnen die ganze Zeit – egal ob verbal oder nonverbal – mitzuteilen wie sehr wir seine Bemühungen schätzen, macht die Pferde stolz und motiviert sie.
Und doch ist das anscheinend für viele schwer. So wie für manche meiner „Arbeitgeber“ – meine Kundinnen. Einige geben mir jedes mal Trinkgeld. In den letzten Monaten gab es ein paar, die mir gesagt haben, dass sie finden es sei jetzt Zeit für eine Preiserhöhung und mir deswegen mehr geben. Andere bringen mir Schokolade mit, packen mir zu Weihnachten Päckchen mit Leckereien oder anderen schönen Dingen, kochen mir Tee oder sind einfach sehr nett zu mir. Viele versuchen, mir meine Arbeit bei der Hufpflege so leicht wie möglich zu machen. Ich bekam auch schon extra Scheinchen, weil Termine so schwierig zu vereinbaren waren und von Kundinnenseite mehrfach verschoben wurden oder weil ein Pferd mir auf den Fuß getreten ist. Für diese Kundinnen fahre ich gern die extra Meile und mache auch einen ungünstigen Termin noch möglich. Ich investiere gern etwas extra Zeit für diese Menschen, wenn ich per Whatsapp eine Frage bekomme. Sprich: ich bin besonders motiviert, für diese Menschen etwas zu tun, die meine Arbeit offensichtlich wertschätzen und nicht meinen, mit Bezahlung allein wäre doch alles nötige getan.
Und wenn Ihr das nächste Mal ein motiviertes Pferd seht, dann beobachtet doch mal, wie viel Lob und freundliche Worte, wie viel Rücksicht auf körperliche Schwierigkeiten, wie viel Pflege (im Sinne von regelmäßigem Zahn- Huf- und Osteopathentermin, Sattelanpassung etc) dieses Pferd bekommt. Und dann schaut nach dem anderen Pferd, das lieber weg geht, wenn der Besitzer kommt. Hört zu, wenn diese Besitzerin über ihr Pferd spricht. Darüber, dass es faul und dominant ist, dass es „das jetzt einfach mal machen“ kann, dass es das doch weiß und warum es denn so blöd ist.
Und den Angestellten unter Euch kann ich nur raten, auch mal eure Chefin unter die Lupe zu nehmen. Wie behandelt man Euch im Job? Und ist das wirklich noch zeitgemäß was da passiert? Vielleicht geht Ihr mit Eurem Pferd so um, wie Ihr es selbst auf der Arbeit erlebt – und vielleicht ist das gut oder vielleicht eben auch nicht. Oder seid Ihr selbst die Chefin? Und wie geht Ihr mit Euren Angestellten um?
Ich freue mich jeden Tag auf Duncan, und wenn wir – wie gestern – 11 Minuten schön zusammen arbeiten ist mir das unendlich viel mehr wert als wenn wir eine Stunde miteinander verbringen, in der wir beide unzufrieden sind. Auch das gehört für mich zur Motivation meiner Pferde unbedingt dazu: aufhören, wenn es am schönsten ist, anstatt mehr und mehr und mehr zu verlangen. Körperliches Training ja, aber nicht ohne Spaß.
Und jetzt entschuldigt mich, mein Pony wartet auf mich.
Sehr gut! Ein Text, der ein Lächeln erzeugt.
Dafür ein DoppelLIKE von mir 😀
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