An die Reitschülerin

Ich habe diesen Artikel komplett in der weiblichen Form geschrieben. Ich arbeite fast ausschließlich mit Frauen, die Männer (Schüler wie Reitlehrer) mögen sich bitte mit angesprochen fühlen.

Liebe Reitschülerinnen,

ich wende mich heute mit einer Bitte an Euch. Dabei ist es egal, ob Ihr bei mir Unterricht nehmt, oder bei jemand anders.

Ich selbst habe neulich Unterricht genommen, der mich sehr frustriert zurück ließ, was mich veranlasst hat, noch einmal genauer darüber nachzudenken.

Viele Reitlehrerinnen beschäftigen sich den ganzen Tag mit Pferden und nur wenig mit der Kommunikation von Mensch zu Mensch. Viele Reitlehrerinnen haben selbst nie guten Unterricht genossen – wobei ich mit „gut“ nicht meine, welche Methode unterrichtet wird und wie qualifiziert die Lehrperson im Umgang mit Pferden ist, sondern wie gut das Wissen an den Menschen vermittelt wird. Viele, die Reitunterricht geben, sind selbst sehr talentiert im Umgang mit Pferden und im Reiten. Das bedeutet leider, dass sie erst lernen müssen, weniger talentierten und geübten Reiterinnen etwas zu vermitteln. Nicht jede Reitlehrerin kann das und nicht jede findet es wichtig – deswegen hier meine erste Bitte: sucht Euch eine Reitlehrerin, die nicht nur mit Pferden arbeiten möchte, sondern auch wirklich Spaß am Unterrichten hat. Ich spreche da aus eigener Erfahrung, denn am Anfang meiner Hufpflegekarriere habe ich den Menschen eher als notwendiges Übel empfunden. Am liebsten hätte ich mich nur mit den Pferden beschäftigt. Unterrichten wollte ich nie, denn es erschien mir wie der frustrierendste Job der Welt: man sagt der Reitschülerin was sie machen soll, sie kann es aber nicht umsetzen und also sagt man es immer wieder. Völlig hirnlos.

Erst als ich 2009 zum ersten Mal Amanda Barton beim Unterrichten zusehen durfte, fiel bei mir der Groschen. Ab diesem Moment fing ich an, mich für die andere Hälfte der Pferd-Mensch-Beziehung zu interessieren. Ich fing an, mich im Bereich Kommunikation fortzubilden und ich begann, zu unterrichten. Ganz sicher haben einige Schülerinnen unter mir gelitten, wofür ich mich in aller Form entschuldigen möchte. Noch heute sage ich von mir selbst „es gibt zwei Arten von Schülerinnen, die einen halten mich aus, die anderen habe ich nicht lang“. Ich habe ein loses Mundwerk, das manchmal mit mir durchgeht und ich lache gern laut und viel. Und ich habe – so wird mir zumindest gesagt – eine recht direkte Art zu kommunizieren. Bei der Arbeit mit Ponys ist das übrigens ein großer Vorteil!

Ich bemühe mich, Dinge immer so positiv wie möglich zu formulieren. Wenn ich etwas kritisiere, zeige ich (hoffentlich!) immer einen Lösungsweg auf. Natürlich habe ich aber auch mal schlechte Tage und sicher bin ich nicht immer sensibel genug um die Sorgen meiner Schülerinnen wahr- und ernst zu nehmen. Daher meine dringende Bitte an Euch alle:

Helft mir und meinen Kolleginnen, Euch gut zu unterrichten! Wenn Ihr etwas nicht versteht, fragt nach. Wenn Ihr es dann immer noch nicht versteht, fragt wieder nach. Fragt so lange nach, bis Ihr eine verständliche Erklärung bekommen habt. Wenn jemand die Frage immer auf die gleiche Art (oder womöglich gar nicht) beantwortet, habe ich schlechte Nachrichten für Euch: diejenige ist nicht in der Lage, die Antwort anders zu formulieren oder versteht eure Frage nicht. Dann würde ich Euch raten, die Antwort woanders zu suchen. Aber gebt der Gefragten mehrfach die Chance, es umzuformulieren. Menschen kommunizieren und denken unterschiedlich und manchmal muss man sich darauf erst einstellen. Wird aber eine Frage auch nach mehrmaligem Stellen nur ausweichend beantwortet, dürft Ihr schon mal skeptisch werden.

Viele Reitlehrerinnen sind selbst in Systemen groß geworden in denen Menschen unterbewusst ständig suggeriert wird, dass sie zu dumm sind, ihr Pferd zu schlecht und/oder dass das sowieso nie was wird. Früher war es üblich, (Reit)schülerinnen klein zu halten. Heute sollten wir es besser können. Wenn Ihr Euch im Reitunterricht dumm und unfähig fühlt, dann stimmt etwas nicht. Sprecht mit Eurer Reitlehrerin darüber. Es ist ihr Job, Euch und Eurem Pferd zu helfen. Du und Dein Pferd, Ihr sollt beide stolz und zufrieden aus dem Unterricht gehen – zumindest meistens, schlechte Tage gehören natürlich auch mal dazu. Es darf keine Monate des Frusts dauern, bis Ihr erste, zarte Fortschritte merkt. Eine gute Reitlehrerin kann Euch spätestens in der zweiten oder dritten Reitstunde da abholen wo Ihr steht und das heißt, dass Ihr merkt, dass es besser wird (völlig egal, was das Thema ist). Besser werden heißt nicht, dass Probleme weg sind, aber dass Ihr versteht, worum es geht und Übungen an der Hand habt, die Ihr selbständig nacharbeiten könnt.

Reitlehrerinnen muss man ausprobieren. Traut Euch, das zu tun und bleibt dann nicht dabei, nur weil Ihr nicht absagen mögt. Die Chemie muss stimmen, sonst hilft es alles nix.

Wenn Ihr in manchen Situationen Angst habt oder Euch Sorgen macht um Euer Pferd, dann sprecht mit Eurer Reitlehrerin darüber. Wenn sie darüber hinweg geht und Euch oder Euer Pferd in angsterfüllte Situationen „hinein schubst“ ohne das entsprechend zu begleiten: sucht Euch bitte jemand anders.

Wenn Schritte zu groß sind und nicht bewältigbar erscheinen, bittet darum, dass sie in kleinere Häppchen zerlegt werden. Wer Pferde ausbildet, sollte das können. Natürlich ist nicht immer alles leicht zu lernen. Viele Dinge erfordern einfach Übung. Lernfrust gehört dazu. Fragt Euch dann: „Fühle ich mich von meiner Reitlehrerin unterstützt oder ist sie eigentlich diejenige die den Frust erzeugt?“

Habt keine Angst davor, solche Dinge anzusprechen. Manchmal merken wir Reitlehrerinnen etwas nicht und sind dann nur allzu dankbar, wenn wir einen Hinweis bekommen. Wir sind schließlich auch nur Menschen. Und wir wollen ja auch gern lernen und besser werden.

Macht Euch klar, was Ihr mit Eurem Pferd erleben, erreichen und tun wollt. Wie soll Eure Beziehung sein, was ist wichtig für Euch und wo geht es vielleicht um die Gesundheit Eures Pferdes oder um Sicherheit für alle Beteiligten? Formuliert Euer Anliegen möglichst klar. Sucht Euch die passende Lehrerin für Euer Thema. Viele meiner Schülerinnen nehmen parallel noch anderen Unterricht, auch das ist völlig ok, denn eine Reitlehrerin kann nie alles wissen und können.

Und das aller wichtigste: habt Spaß am gemeinsamen Lernen mit Eurem Pferd. Auch dabei sollte Euch Eure Lehrerin unterstützen.

Ich danke all meinen Reitschülerinnen für die vielen schönen Stunden, die wir gemeinsam mit Euren Pferden schon verbracht haben. Ich danke Euch für Euer Vertrauen, Eure Ehrlichkeit, Eure Hingabe an Euer Pferd. Danke, dass Ihr so oft mit mir lacht und Euch freut. Danke, dass Ihr mit mir zusammen stolz feiert, wenn Euer Pferd etwas gut gemacht hat. Danke, dass Ihr stets und ständig das Wohlbefinden Eures Pferdes mit im Blick habt. Danke an alle, die mich ausbremsen, wenn ich zu schnell voran gehen will. Danke für alles wo Ihr mich missversteht, Ihr helft mir, zu lernen, es besser zu erklären. Danke für jede einzelne Eurer Fragen. Danke auch für Eure vielen Antworten, die ich weiter trage zu anderen Schülerinnen. Es ist toll, mit Euch und Euren Pferden arbeiten zu dürfen!

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