Ich hatte große Pläne für meinen heutigen Artikel: ich wollte ein „Buchbesprechung“ schreiben. Ich lese nämlich gerade – nach langer Zeit – mal wieder ein Buch. Über Pferde, versteht sich. Und über Menschen. Ich lese „Horse brain, human brain“ von Janet L. Jones. Ich hab aber erst die Hälfte geschafft, also hat es sich was mit Buchbesprechung. Trotzdem schreibe ich für Euch schon mal ein paar Gedanken dazu auf.
Zum einen ist das nach langer Zeit das erste Buch, dessen Lektüre mir nicht das Gefühl gibt, nachher noch etwas dümmer zu sein als vorher. Viele, viele Sachbücher und Zeitschriften haben mir so oft dieses Gefühl gegeben, dass ich schließlich das Lesen solcher Dinge weitgehend aufgegeben habe.
Das Buch „horse brain, human brain“ hat mich diesbezüglich bisher überrascht, denn ich fühle mich wirklich gut informiert – obwohl ich natürlich wieder mal viele neue Fragen habe.
Die Autorin wirbt vor allem immer wieder für Verständnis für unsere Pferde. Und ich merke, wie schnell wir doch vergessen, wie andere die Welt wahrnehmen. Das geht bei uns zu hause eigentlich schon ganz ohne Pferde los: Regelmäßig sagt Arnulf etwas zu mir oder ich zu ihm obwohl wir nach kurzer Überlegung wissen könnten, dass man den anderen nicht verstehen kann, wenn man selbst direkt neben dem laufenden Wasserkocher steht und der andere 3 Meter entfernt ist. Es endet immer in „was hast Du gesagt?“ oder „ich kann Dich nicht verstehen“. Man möchte doch meinen, wir würden das jetzt langsam beide mal kapieren, aber bisher ist Fehlanzeige. Und wenn es schon bei diesen Dingen nicht klappt, wie soll ich dann immerzu im Kopf haben, wie mein Pferd Farben sieht, wie lange es braucht, um von hell nach dunkel zu adaptieren und wie viele Details es bemerkt, die mir entgehen? Immer und immer wieder muss ich kurz innehalten, bis es mir gelingt, den Blickwinkel des Pferdes einzunehmen (haha, kleiner Scherz. Natürlich gelingt mir das nie. Ich kann nur versuchen, dem ein bisschen näher zu kommen).
Am Reitplatzrand hatte Duncan heute wieder ein Monster im Gebüsch wahr genommen. Ich hatte vorher schon, als ich mit Diego dort war, etwas gehört und gesehen – vielleicht ein Kaninchen, die sind zur Zeit sehr aktiv. Diego interessiert sich ja für solche Ungeheuer nicht, Duncan schon. Und er hat prompt verkündet, dass er diese Ecke nicht so ganz geheuer findet. Ich hatte heute keine Lust, Zeit in ein Ungeheuer zu investieren. Wir sind dann einfach immer schon etwas früher abgebogen und haben den in Duncans Augen angemessenen Abstand zu der Ecke eingehalten. Manchmal kann es ja so einfach sein – und das darf es auch. In der Pferdewelt – ich meine die Welt voller Menschen die mit Pferden irgendwas zu tun haben – ist immer noch so oft der Anspruch, dass man das jetzt „klären“ muss. Ich bin total für klären. Nur nicht immer jetzt gleich sofort. Sondern dann, wenn der Mensch genug Zeit und Nerv und ein gutes, durchdachtes Konzept hat. Sollte die Ecke ungeheuerlich bleiben, kann ich mir gern mal wieder Zeit nehmen, sie mit Duncan aus allen möglichen Perspektiven zu inspizieren und eine Menge Kekse dort springen zu lassen. Heute nicht, der Wind war kalt und ich war müde. Also sind wir dem Problem aus dem Weg gegangen. Und zum Glück bin ich heute so weit und kenne Duncan so gut, dass ich weiß: das ist kein Problem. Im Gegenteil, wenn ich heute seinen Wunsch einfach akzeptiere, 5-8m Abstand zu den Monstern zu halten, habe ich mich in seinen Augen gut und vertrauenswürdig verhalten. Meine Chancen, das Ganze bei Bedarf schnell in meinem Sinne klären zu können, sind gestiegen, nicht gesunken.
Eins ist mir allerdings bei der Lektüre von „Horse brain, human brain“ ganz deutlich klar geworden: jederzeit kann die Monsterecke wieder gruselig werden und zwar ohne dass ich weiß, warum. Weil mein Pony die Beobachtungsgabe eines Beutetieres hat und ich nicht. Er hat Gene in sich, die seiner Spezies über ichweißnichtwieviele Generationen das Leben gerettet haben. Die Fähigkeit, eine klitzekleine Veränderung an Aussehen, Gerüchen oder Geräuschen aus dieser Ecke wahrzunehmen, die mir einfach entgehen, kann bedeuten, dass ich noch öfter etwas weiter vorn abbiege. Ich kann das akzeptieren, oder versuchen, es zu trainieren. Aber sicher werde ich mein Pony deswegen nicht unter Druck setzen, wie ich es früher gelernt habe.
Und so können Erkenntnisse aus der Hirnforschung uns letztlich zu besseren Pferdemenschen machen, weil sie uns mehr Verständnis ermöglichen für Verhaltensweisen, die uns irrsinnig vorkommen. Also möchte ich Euch das Buch wärmstens empfehlen, auch wenn ich erst die Hälfte gelesen habe. „Horse brain, human brain“ von Janet L. Jones.