Unser Auto damals, war das nun blau oder grün? Ich behaupte ja immer noch, dass es ein komisches Türkis war. Aber viele Menschen waren überzeugt, dass es grün ist, während andere sich sicher waren, dass das blau ist. Zwischen blau und grün scheint es eine (Achtung: fieses Wortspiel!) Grauzone zu geben. Ich weiß nicht, ob es eine klar definierte Grenze zwischen den beiden Farben gibt. Ich nehme an, dass jeder Mensch für sich eine Grenze irgendwo zieht. Wo die liegt, kann von vielen Faktoren abhängen, aber letztendlich ist das Wort, dass wir für eine Farbe benutzen, eine Verknüpfung mit einem Sinneseindruck. Kinder zeigen auf Gegenstände und lassen sich die Farbe sagen, das Gehirn verknüpft. Ich empfinde es immer wieder als Wunderwerk des Lernens, dass wir keinem Kind jede Schattierung beibringen müssen, sondern das Gehirn nach und nach in der Lage ist, die Schattierungen selbst einzuordnen – wenn es auch bei dem einen in der „grünen“ und bei dem anderen in der „blauen“ Schublade landet. Unser Gehirn liebt Verknüpfungen und da ist es bei den anderen Säugetieren in bester Gesellschaft. Und so war das mein erster Gedanke als ich gebeten wurde, zu erklären, woher ein Pferd wohl weiß, was „Schritt“ oder „Trab“ bedeutet.
Ich hoffe sehr, dass viele von Euch mit dem Kopf nicken und sagen „weiß ich doch, wie ein Pferd lernt“. Aber ich finde es lohnt sich, wieder und wieder darüber nachzudenken. Am beeindruckensten habe ich selbst es jetzt erlebt mit Elsas Arbeit. Denn die funktioniert ganz puristisch über Verknüpfung. Soll heißen: das Pferd tut was es eben gerade tut und ich reagiere darauf. Wenn ich auf die selbe Handlung des Pferdes immer mit der selben Handlung meinerseits reagiere, wird das Pferd das eine mit dem anderen verknüpfen und über diese Verknüpfungen können wir später kommunizieren. Duncan, der mich im „Rumstehtraining“ gelegentlich angemeckert hat, konnte jetzt eine neue Möglichkeit lernen: betont wegschauen.
Das funktioniert so: ich weiß, dass Duncan mich gelegentlich angehen möchte. Also bin ich hinter einem Zaun, so dass ich nicht in Gefahr bin und nicht reagieren muss. Ich stelle mich nah an den Zaun, da wo Duncan auf der anderen Seite steht. Ich weiß: es wird ihm zu nah sein. Wenn er jetzt mit angelegten Ohren über den Zaun meckert, kann ich das ignorieren. Sobald er aber von mir weg schaut, gehe ich meinerseits etwas weiter von ihm weg. So lernt er: wenn sie mir zu nah ist, kann ich betont weg schauen, dann geht sie weiter weg. Umgekehrt, wenn er mich betont anschaut, gehe ich näher ran. Sobald er dieser Verknüpfung verinnerlicht hatte, wurde der Zaun überflüssig, denn Duncan meckert mich jetzt nicht mehr an – er kann ja einfach weg gucken und mir damit signalisieren, dass ich mehr Abstand halten soll. Wenn es gut läuft, ist er überzeugt davon, dass ER MIR das beigebracht hat. (Kekse bekomme ich dafür aber leider keine von ihm….)
Verknüpfungen sind stark. Wenn oft genug auf A B folgt, baut das Gehirn eine „Datenautobahn“. Und weil es so gern Energie spart, wird es diese Datenautobahn verwenden, so lange es keinen verdammt guten Grund hat, etwas anderes zu tun.
Wahrscheinlich könnte ich also meinem Pony beibringen, was „Trab“ ist, wenn ich nur jedes Mal, wenn er von selbst antrabt, das Wort sage. Das dauert aber ziemlich lang, weswegen wir Menschen den Lernprozess beschleunigen und direkt auf unsere Pferde einwirken. Wie wir das tun – über positive Verstärkung (es gibt Futter wenn du diese Bewegung machst), über negative Verstärkung (ich höre auf, mit der Peitsche hinter dir her zu laufen, wenn du diese Bewegung machst) oder über Mischformen (ich höre auf, mit der Peitsche hinter dir her zu laufen wenn du diese Bewegung machst und im Anschluss gibt es Futter) – bleibt uns überlassen. Dabei sind die Dinge am leichtesten zu lehren, die dem Pferd aus der Körpersprache in der Herde vertraut sind. Die meiner Meinung nach einfachste Form der Kommunikation ist die, in der ich für mich „Raum einnehme“ und dadurch als „Nebeneffekt“ das Pferd bewege, wobei allerdings keine sehr zielgerichtete Bewegung heraus kommt, weil ich dem Pferd nicht sage, wo es hin gehen soll, sondern nur, wo es weg gehen soll. Diese einfache Art der Kommunikation kennt jedes normal sozialisierte Pferd, sie erfordert keine neuen Verknüpfungen im Gehirn. Andere Arten der Ausbildung sind etwas „künstlicher“, indem man zum Beispiel Halfter und Strick zu Hilfe nimmt.
Bei allen Ausbildungsarten, die über Verknüpfung funktionieren ist wichtig, dass wir das Gehirn als „Blackbox“ betrachten, die es nun mal ist: wir geben Information hinein und es kommt Information heraus. Den Prozess sehen wir nicht, wir können nur schlussfolgern. Dabei ist stets Vorsicht geboten, wie ich nur allzu oft sehe. Meine Schülerin hat neulich den Klassiker gebracht. Sie geht los, den Strick in der Hand, das Pferd am anderen Ende des Stricks geht etwas später los und läuft hinter ihr her. Jedes Mal sagt sie „Scheeeeritt“ und meint dann, das Pferd würde mit dem Wort dann das losgehen assoziieren. Kann sein! Aber sicher war ich mir da nicht. Denn das Pferd könnte auch lernen, dass das Wort „Scheeeeritt“ bedeutet: der Mensch geht los und wenn der Strick sich spannt, gehe ich mit. Ehrlich gesagt, ist diese Version sogar wahrscheinlicher…. Weshalb ich ihr geraten habe, lieber durch etwas treiben dafür zu sorgen, dass das Pferd mit ihr zusammen los geht, so dass nach einigen Wiederholungen das Wort „Scheeeritt“ im Pferdehirn mit „losgehen“ verknüpft wird.
Denn diese Momente sind die „blau oder grün“ – Momente in der Ausbildung: bei manchen Farben kann eben beides irgendwie richtig sein und das Gehirn hat die Wahl, was es miteinander verknüpft. Wenn es dann nicht so verknüpft, wie wir uns das gedacht haben, kommen wir nicht an unser gewünschtes Trainingsziel, haben eine Datenautobahn gebaut, die nicht dort hin führt, wo wir hin wollen und haben nachher viel mehr Arbeit damit, eine neue Datenautobahn zu schaffen als wenn wir gleich in die richtige Richtung gebaut hätten.
Ich schaue übrigens oft die Filme von Ariane Telgen (ich weiß nicht, was du über sie denkst – sie erklärt gut und weil es mit Bildunterstützung ist, ist es auch für eine Nichtreitende Interessierte anschaulich)
Bei ihr wird ganz viel Wert auf das „abkauen“ gelegt. Ich verstehe es als Zeichen, dass das Pferd entspannt.
Aber warum? Das Pferd sollte ja nicht nur beim Abkauen, sondern idealerweise immer locker sein. Kannst du mir das erklären? A.T. redet manchmal ein bisschen fachchinesisch. Ist ja auch klar, da sie sich an Reitende richtet.
Ich hab jetzt absichtlich nicht den aktuellen Beitrag gewählt, weil es ja vielleicht kein Thema ist, das alle wissen wollen – und wenn, kannst du ja selbst entscheiden, ob du was darüber schreiben willst.
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Oje, über das Thema könnte man wohl Bücher schreiben und jeder hat eine andere Meinung…. Abkauen ist ja erst mal nur EIN Signal des Pferdes, das auf jeden Fall immer im Gesamtzusammenhang mit den anderen Signalen gesehen werden muss. Wenn mal die Gelegenheit kommt, gehe ich drauf ein.
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Danke!
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