Manchmal steht man ja auf dem Schlauch. Aber so richtig. Und ich glaube, das ist der Punkt an dem unterrichten am meisten hilft. Weil ich mich beim Unterrichten selbst an Dinge erinnere, die ich eigentlich längst weiß, aber die irgendwie so im Hintergrund verschwunden sind beim ängstlichen Blick auf meine eigenen Probleme, dass ich die offensichtliche Lösungsmöglichkeit einfach übersehen habe. Der Wald und die Bäume…
Na jedenfalls: Struktur. Als ich meinen NLP Practitioner gemacht habe, ging es ständig um Struktur. Gemeint ist in diesem Fall folgendes: der Araber, der zwar fein in den Anhänger einsteigt, aber Probleme bekommt, wenn man zu macht und er einfach mal ein bisschen da stehen soll, kann auch an der Aufsteigehilfe nicht gut für längere Zeit still stehen. Das ist eine Struktur, denn es geht weder um den Anhänger noch um die Aufsteigehilfe sondern darum, länger an einem Ort stehen zu bleiben und sich dabei entspannen zu können, während um einen herum vielleicht ein paar Dinge passieren.
Und jetzt glaube ich, die dahinter liegende Struktur gefunden zu haben, um die es bei Duncan mit den fremden Pferden geht. Der Anblick fremder Pferde bringt ihn in einen Zustand, in dem er nicht mehr wirklich mit mir kommuniziert. Er möchte sich dann bewegen – und zwar flott. Neben mir Schritt gehen ist kaum noch möglich und ich hänge wie ein Fähnchen im Wind an ihm dran. Da kann ich vorher Führen in Perfektion geübt haben, es ändert sich nicht. Aber jetzt glaube ich, das ist das gleiche Thema wie auf der Wippe, wo er so viel ausschachtet. Ich wurde ja belächelt dafür, dass ich mir darüber so viele Gedanken mache, aber ich wusste, es ist ein Signal für ein Problem. Und ich glaube, es gefunden zu haben: es geht um Energie, die sich nicht in Vorwärtsbewegung entladen kann. Auf der Wippe bewegt Duncan seine Hufe nicht, erzeugt aber – durch die Aufregung, weil er es so toll findet, zu wippen und dafür Kekse zu kassieren und auch durch die muskuläre Anstrengung – eine Menge Energie. Und die muss irgendwo hin. Und das Ausschachten ist das erste „Warnsignal“ dafür, dass zu viel Energie im Pony ist, die sich dann evt unschön entlädt (auf dem Trailplatz z.B. im Steigen).
Und so habe ich jetzt einen ganz neuen Ansatzpunkt um das Problem zu bearbeiten. Lernen, sich mit einem hohen Energielevel noch ruhig und kontrolliert zu bewegen und dann Energie wieder runter zu fahren im Stehen – ohne sie sich „ablaufen“ zu müssen – ist das eigentliche Thema. Und da habe ich so viele neue Übungsideen, dass ich am liebsten gleich anfangen würde (unsinnig bei 30 Grad im Schatten, also muss das auf besseres Wetter warten).
Es ist die Struktur hinter einem Problem, die uns den Lösungsweg zeigt. Dann können wir nämlich das selbe Verhalten in x verschiedenen Varianten und Übungen etablieren und so haben wir dann nicht nur das Problem wirklich an der Wurzel gepackt, sondern wir haben uns auch unter Umständen viel Arbeit gespart. Denn am Anhänger oder mit fremden Pferden zu üben erfordert immer Vorbereitung. Aber mal eben 10 Minuten auf den Reitplatz gehen und ein paar Übungen machen, dauert eben nur 10 Minuten. Und wir können in alles, was wir mit unseren Pferden tun, eben jene Qualität mit einbauen, die wir brauchen. So kann ich jetzt „fremde Pferde“ üben ohne fremde Pferde in Sichtweite.
Das, was Duncan und ich da üben dürfen, ist auch Frustrationstoleranz. Ein fremdes Pferd sehen, aber nicht hingehen dürfen, ist völlig unnatürlich – in der Natur könnten die Pferde untereinander entscheiden wann, wie und wo sie sich begegnen – und so führt es zu Frust, wenn keine echte Kontaktaufnahme möglich ist. Und auch Frustrationstoleranz kann ich mit Duncan an ganz anderen Stellen üben. Ich erwische mich dabei, dass ich das – als waschechte „Helikoptermama“ – oft vermeide. Diego darf grasen? Dann ist es doch unfair, wenn Duncan das nicht darf. Ich hatte den Keks schon in der Hand? Dann ist es doch blöd, wenn er den jetzt nicht bekommt. Dabei ist es so wichtig, zu lernen, so etwas auszuhalten. Ich weiß das, aber in meinem Gefühl ist es nicht angekommen. Also zwinge ich mich jetzt, solche Situationen bewusst zu nutzen, mein Pony mal zu frusten und es als Lernsituation zu sehen. So dass er besser aushalten kann, wenn er etwas nicht bekommt, was er eigentlich unbedingt will. Denn so ist das Leben. In der Natur würde so ein junger Hengst das wohl von den Stuten lernen, die ihm die Leviten lesen, wenn er beim Deckakt zu schnell zur Sache kommen will. Im Zusammenleben mit mir muss er das anderen Stellen lernen, aber letztlich ist es die gleiche Struktur.
An anderen Stellen hat Duncan solche Dinge schon gut verinnerlicht. Grundsätzlich gilt: wenn er Futter möchte und merkt, dass er es nicht bekommt, macht er langsamer und erhöht den Abstand zu mir. An dieser Stelle bin ich hoch zufrieden mit meiner eigenen Erziehungsarbeit, denn das habe ich anscheinend gut im Ponyhirn verankert. So war es auch ein leichtes, den Standard für „Keks aus der Hand nehmen“ nochmal etwas zu erhöhen. Ich halte den Keks in der geschlossenen Hand mit dem Handrücken nach oben und Duncan muss sein Mäulchen auch erst zu lassen, bevor ich die Hand drehe und öffne, damit er den Keks nehmen kann. Nur wenige Wiederholungen haben ihn nachhaltig dazu gebracht, das Aufreißen der Schnute zu unterlassen und ich glaube, es ging so schnell weil das Prinzip dahinter das selbe ist wie immer. Leicht zu verstehen und es gibt schon eine Datenautobahn im Gehirn für ähnliche Verhaltensweisen. Und so bin ich guter Dinge, dass das selbe auch für unsere einzige wirkliche Problemstelle funktionieren wird: die Begegnung mit fremden Pferden. Es mag dauern und es wird mir viel Aufmerksamkeit und das ein oder andere Gramm Hirnschmalz abfordern, alle möglichen Situationen zu finden oder zu ersinnen, in denen wir das gewünschte Verhalten üben können, aber ich bin erleichtert, dass wir doch nicht immer „in die vollen“ gehen müssen, denn allzu oft endete das jetzt nur in blöder Stimmung und nicht darin, dass mein kleiner Hengst wirklich Anstand erlernt hätte. Und einen Übungsplan zu haben, das Gefühl jeden Tag etwas tun zu können, macht mir Mut, dass wir auch diese Hürde meistern.
NLP musste ich erst guggeln — kam mir irgendwoher bekannt vor, wusste aber nicht, woher.
Wahrscheinlich hab ich den Begriff auf einer Reha gehört.
Hast du NLP für deine Reitschüler gelernt oder für die Pferde?
Oder womöglich für dich selbst? (du erwähntest, dass du Verständnisprobleme hast mit der Außenwelt)
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Ich bin auf NLP gestoßen nachdem ich Amanda Barton zum ersten Mal habe unterrichten sehen – weil mir auffiel, dass ihre Reitschüler wirklich umsetzen können, was sie sagt, im Gegensatz zum üblichen „Wiederholmodus“ in dem sich Reitlehrer oft befinden. Als ich sie fragte, wie sie das macht, war die Antwort „NLP“. Ich würde sagen die Antwort auf Deine Frage ist: für alle drei, Reiter, Pferde und mich selbst.
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Cool, das nenne ich mal ein ganzheitliches Konzept!
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