Unsere Handpferdeaktion letzten Freitag war schon recht chaotisch, ganz ehrlich. Ich war am fluchen und am schimpfen weil Herr Schotte mal ganz geschmeidig ignorieren konnte, dass ich auch noch am anderen Ende des Stricks hänge. Er hatte Energieüberschuss, Diego und ich waren ihm zu langsam und es war ihm einfach egal, ob ich das blöde finde oder nicht. Da waren fremde Pferde zu hören und teilweise zu sehen und er war nun mal in der Stimmung für mehr Tempo. Wenn ich „gehört“ werden wollte, musste ich schon mal die ganze Kraft meines Arms zum Einsatz bringen. Mein sonst so feinfühliges Pony konnte mich plötzlich perfekt ignorieren. Nicht nur einmal, sondern gefühlt mindestens 10 Minuten lang. Und ich hab geflucht, geschimpft und mich bei Arnulf beschwert. Der war entspannt. Bei dem kleinen Araber, mit dem er das öfter mal gemacht hat, sei das anfangs genauso gelaufen. „Aber die Videos die du mir gezeigt hast waren so großartig!“ beschwere ich mich. Arnulf grinst. Ach so…. ich bin aber auch ein Dummerchen. Dann zieht Arnulf das Handy raus und filmt uns. Ich sage „das muss schrecklich aussehen was wir hier tun!“ aber es wird langsam besser. Ein paar harmonische Momente kommen schließlich doch noch raus. Und auf dem Video sieht das alles nicht so wild aus. Dann schneide ich einfach die besten Momente zusammen und fertig ist das Angebervideo.
Zu dem Angebervideo gehört auch die Szene, die Duncan in seinem Tagebuch gepostet hat – hier ist sie nochmal zum erinnern.
Diese Szene zeigt zwar Duncans Grundstimmung an dem Tag aber in dieser Situation bin ich gelassen geblieben, habe souverän reagiert und mich nicht im Seil verknotet. Und so wird auch das Gehopse plötzlich angebertauglich. Schaut her, was für eine tolle Pferdetrainerin ich bin, ich kann ganz cool mit so was umgehen. Haha.
Eigentlich ist das gemogelt. Oder auch nicht. Denn gewissermaßen sind es jene Momente, auf die wir uns konzentrieren (sollten). Jene guten Augenblicke inmitten von Chaos und Streit, in denen es plötzlich läuft. Das sind die Momente, denen wir Aufmerksamkeit geben dürfen, damit unser Pferd das selbe tut. Und wenn es dann ein paar Momente gut gelaufen ist, beenden wir die Einheit und das Pferd wird sich vor allem an die guten Momente erinnern. Und wir auch.
Und so wird aus der „Instagram-Beschönigung“, die so oft schlecht für uns ist, weil sie uns glauben lässt, dass alle anderen perfekt sind und nur wir nicht, ein wertvolles Tool zur Pferdeausbildung. Wenn ich nächstes Mal das Handpferdereiten auf der Wiese übe, denke ich an beides. Ich rüste mich für Chaos – ich gehe nicht ohne Handschuhe und Helm los, ich habe mein langes Seil und einen Notfallplan. Aber ich erinnere mich vor allem an die guten Momente und versuche, sie meinem Pony als inneres Ziel-Bild zu vermitteln. Was mir nicht so gut gefällt, schneide ich aus meinem Erinnerungsfilm heraus. Aber ich schmeiße es nicht weg, sondern habe dafür einen besonderen Ablageort in meinen Erinnerungen. Auf diesen Ort greife ich zu, wenn mal nichts klappen will. Dann lege ich die chaotischen Erinnerungen neben die guten und sage mir: das Handpferdereiten war am Anfang auch so. Aber die guten Momente sind immer mehr geworden und die chaotischen immer weniger und heute können wir es. Also werden wir auch diese neue Aufgabe meistern. Auf Instagram wird mein zwischenzeitlich auftretendes Gefluche und Gezeter trotzdem nicht auftauchen, das bleibt privat. Manche Momente sind nun mal nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.