„Das schaffen wir nie“ sagt meine Reitschülerin, die entsetzt auf die Hütchen starrt.
An einem Wochenende habe ich dieses Erlebnis gleich drei mal gehabt. Mit drei verschiedenen Pferd-Mensch-Paaren und drei verschiedenen Übungen. Die einzige Gemeinsamkeit war, dass ich Hütchen aufgestellt hatte und dass nach dem Erklären der Übung eben jener Satz fiel „das schaffen wir nie“. In allen drei Fällen haben Pferd und Mensch die gestellte Aufgabe wunderbar gemeistert, im 3. oder 4. Anlauf. Und in keinem der drei Fälle ist die Reiterin danach vor Freude vom Pferd gesprungen, in Tränen ausgebrochen oder war auch nur im geringsten stolz – alle hatten sie was zu meckern. Es war nicht gut genug. Ich musste zu doll ziehen. Es war nicht elegant. Alle drei hab ich mir vorgeknöpft: wie kann das sein? Man steht vor einer Aufgabe, die man für nicht schaffbar hält. Dann erledigt man die Aufgabe im 3. Anlauf. Und man freut sich nicht? Man springt nicht ab und küsst seinem Pferd die Hufe weil es einem geholfen hat, etwas möglich zu machen was man für unmöglich hielt? Man flippt nicht völlig aus, stößt mit Champagner an und leert die Kekstasche? Warum?
Wenigstens ein „wow, das hätte ich nicht gedacht, dass uns das gelingt“ wäre ja schön.
Ich äußere mal einen Verdacht: wenn wir mehr feiern würden, wenn wir etwas unerwarteterweise eben doch schaffen, dann würde unser Gehirn das mehr abspeichern. Und im Anblick der nächsten schweren Aufgabe sagen: „wir haben schon oft Dinge geschafft, die wir für nicht machbar hielten. Von denen wir dachten, wir können sie (noch) nicht. Ich bin sicher, wir schaffen das auch diesmal.“ Dann würde unser Gehirn kurz pausieren und anschließend dazu sagen „vielleicht nicht im ersten Anlauf. Aber bestimmt im 3. oder 4.“
Das selbe gilt für unser Pferd. Was vermitteln wir ihm? Das selbe was wir uns selbst vermitteln! Deswegen bin ich bei meinen Reitschülerinnen, die sich allzu gern selbst kritisieren, dazu übergegangen zu sagen „wenn du dich selbst nicht loben willst, tu es wenigstens für dein Pferd. Und hör wenigstens für dein Pferd auf, dich selbst zu kritisieren, denn wenn du dich selbst kritisierst, fühlt dein Pferd sich kritisiert“. Und ich möchte hinzufügen: das selbe gilt fürs Unterschätzen. Wenn du dich selbst unterschätzt, unterschätzt du auch dein Pferd.
Und wenn wir unser Pferd nicht feiern dafür, dass es mit uns zusammen unmögliches möglich gemacht hat – warum sollte das Pferd dann die Anstrengung wiederholen? Warum sollte unser Pferd sich mutig in eine schwierige Übung stürzen, das entstehende Chaos aushalten, überleben, dass unsere Hilfen nicht so fein sind wie gewohnt, wenn danach doch nur wieder Kritik kommt?
Viel zu oft übersehen wir, wenn unser Pferd großartiges leistet. Mein Pferd hört zu, obwohl es abgelenkt ist? Mein Pferd bleibt stehen obwohl es Angst hat? Mein Pferd bemüht sich um Gleichgewicht anstatt einfach seinem Schwerpunkt hinterher zu laufen? Das alles sind doch Gründe zum feiern – genauso wie wenn uns gemeinsam eine Übung gelingt, die wir für nicht machbar hielten.
Bei allem Anspruch den ich an meine Pferde habe (und ich weiß, der ist nicht klein!) weiß ich doch, was für mein Pferd schwierig ist. Und wenn etwas schwieriges gelingt oder mein Pferd sich zumindest redlich darum bemüht, dann wird gefeiert. Ohne wenn und aber. Am Ende der Party können wir dann besprechen, was wir nächstes Mal besser machen können. Aber das kommt eben erst dann, wenn der Champagner ausgetrunken und der letzte Keks verdrückt ist – bildlich gesprochen. (Nicht dass ich jemals Champagner trinken würde).
In diesem Sinne: feiert eure Pferde, feiert euer Zusammensein und feiert was ihr gemeinsam erreicht! Und übrigens: Kein erreichtes Ziel ist zu klein zum feiern.