„Gib der mal eine Aufgabe!“ sagt die Reitlehrerin. Und ich sitze in den Zuschauerreihen und fühle mich ertappt. Denn das Pferd-Mensch-Team dem ich da auf dem Kurs gerade zuschaue, kenne ich. Und ich weiß: die Reiterin neigt dazu, sehr wenig von ihrem Pferd zu fordern. Das hat gute Gründe, aber jetzt ist es an der Zeit, das zu ändern und ich gebe der Reitlehrerin total recht. Den Punkt finden, an dem ein Pferd bereit ist, an dem man nicht mehr schonen muss, vorsichtig sein, in Minischritten arbeiten – diesen Punkt finden ist eine große Kunst. Bei dem Pferd im Kurs waren es Krankheiten, die der Leistungsfähigkeit im Weg standen, bei Duncan einfach nur das (fehlende) Alter aber das Ergebnis ist das gleich: man gewöhnt sich an, übervorsichtig zu sein und dann verpasst man plötzlich den Punkt an dem das nicht nur nicht mehr nötig sondern im Gegenteil kontraproduktiv ist. „Totschonen“ ist das schöne Wort an der Stelle und etwas, was meiner Meinung nach mit unglaublich vielen Freizeitpferden passiert, während die Sportpferde andersherum verheizt werden. Wo ist dieses magische goldene Mittelmaß dass es zu finden gilt? Ich muss mich wohl neu auf die Suche machen.
Jetzt ist Duncan 3 Jahre alt und während ich ihm die letzten 2 Jahre immer nur Dinge erklärt und gezeigt habe und nie an dem Punkt war, ihn körperlich zu fordern, kann es jetzt los gehen und mehr noch: es muss los gehen. Denn da steht er nun und kann und weiß alle wesentlichen Dinge die er wissen und können muss. So ganz viel großes neues kommt da erst mal nicht mehr, so lange ich ihn noch nicht reite. Aber um ihn reiten zu können, braucht er jetzt Muskeln und Gleichgewicht. Und das heißt, es reicht nicht mehr, ihn ein bisschen um mich herum laufen zu lassen. Es reicht nicht mehr, die ersten drei Schritte im Schulterherein zu feiern und die Einheit zu beenden. Es müssen Trainingsreize her und Herausforderungen körperlicher Art. Und dazu darf er jetzt vor allem eins lernen: weitermachen. Nicht mehr: gut gemacht, Keks, nächste Übung. Sondern wiederholen und länger arbeiten bis der Keks kommt. Und er kann das. Er hat Spaß am machen, er braucht nicht ständig Bestätigung. Einfach mal machen lassen. Denn ganz ehrlich: wenn er (vielleicht schon nächstes Jahr) vor der Kutsche läuft dann ist da vorne niemand bei ihm, der ihm dauernd Kekse gibt. Dann muss er einfach mal eine gewisse Strecke laufen ohne gefüttert zu werden. Und sich einfach daran erfreuen, draußen zu laufen. Und ja, auch Pferde sind stolz, wenn sie Aufgaben gelöst haben. Und draußen unterwegs sein ist für den Ritter sowieso selbstbelohnend.
Am Sonntag haben wir den Anspruch gleich ein bisschen erhöht (der Ritter berichtete darüber). Und er war stolz dass er das konnte. Er hat es gern gemacht und fand sich offensichtlich großartig. Ich war leicht beschämt, denn ich bin sicher, dass ich ihn oft unterfordere. Er macht immer alles so gut, er hat keine Schwierigkeiten mit nix (ok außer Fremdpferdbegegnungen) und ich bewerfe ihn mit den symbolischen Wattebäuschen, das macht ihn nicht glücklich.
Es ist in meinen Augen immer wieder das schwierigste an der Ausbildung junger Pferde, dass die Pferde sich so stark verändern. Wo Duncan vor einem Jahr noch unsicher und schnell auch mal hektisch wurde, wenn eine neue Übung nicht gleich geklappt hat und insgesamt super sensibel war, ist er heute viel selbstbewusster, kann Pannen besser aushalten, weiß, dass er einfach ausprobieren soll, bis er die richtige Lösung gefunden hat. Dass Fehler machen dabei dazu gehört und keine schlimmen Konsequenzen hat, weiß er jetzt und er versteht meine Hinweise besser, die ihn auf dem Weg zum Ziel leiten. Auch im Umgang mit den anderen Ponys steht er sehr viel mehr seinen Mann. Er ist nicht mehr so schnell eingeschüchtert, er weiß, wo sein Platz ist und hält auch eine kleine Auseinandersetzung aus. Vorgestern wurde mir Angst und Bange, als sein Spaziergehkumpel Duncans Ohr festhielt und einfach nicht mehr los lassen wollte. Aber obwohl das Ohr nachher warm war und einen (klitzekleinen) Kratzer hatte, wollte Duncan weiter spielen und boxen. Der rauhe Ton macht ihm einfach nicht mehr so viel aus, dem Schotten. (Mir schon….)
Natürlich ist er trotzdem genauso freundlich wie vorher, es ist nur eine andere Art von Freundlichkeit. Und ich genieße dieses Gefühl, aber es ist eben noch neu und ich muss mich jetzt wieder anpassen in meinem Umgang mit ihm. Auch Finlay war mit 3 Jahren den geistigen Kinderschuhen entwachsen. Und von ihm habe ich damals gelernt, dass der Mensch aufpassen darf auf diese Veränderungen. Immer und immer wieder, nicht verpassen, dass der Kleine plötzlich ein ganz Großer ist. Oft empfinden wir ein Pferd, das noch nicht geritten wird, noch als „Jungpferd“ aber ich glaube diese Empfindung täuscht. Denn mag mein Pony auch noch weit entfernt von ausgewachsen sein, so ist der Kopf doch quasi fertig. Wie es ja auch Menschen gibt, die mit 15 Jahren im Kopf erwachsen sind – und andere bei denen das erst später der Fall ist.
Und so suche ich nun nach Aufgaben, überlege mir, wie ich das Training aufbaue und probiere vieles aus. Mal sehen, wie es jetzt los geht mit uns. Und ich lache über mich selbst: zwei Jahre habe ich gewartet bis ich „richtig“ mit ihm arbeiten kann und jetzt wo er da steht und bereit ist, hab ich mich irgendwie so an den „Babymodus“ gewöhnt, dass es mir schwer fällt, da heraus zu finden und ans arbeiten zu kommen. Da brauche ich dann den einen oder anderen Schubs von außen, um mich zu trauen. Zum Glück habe ich hier auch den einen oder anderen der mir sagt „gib dem mal ne Aufgabe“ und mir hilft, mich an mein neues Pony anzupassen.