Mein Mädchen sagt, wir üben jetzt Chaos. Sie muss das aber gar nicht üben, sie kann das voll gut, das sage ich Euch. Aber von vorn:
Mein Mädchen hat sich ein neues Seil gekauft. Das ist länger als das andere und schwerer. Und wenn man es gut drauf hat (so wie der Mann) dann kann man damit total gut Signale geben. Schwingen rechts und schwingen links, von oben oder vorne oder hinten, langsamer und schneller und was nicht noch alles. Und für uns Ponys ergibt sich das dann fast alles von allein, was das bedeutet. So weit die Theorie…. In der Praxis sieht es eher so aus, dass mein Mädchen das Seil nicht im Griff hat, sich ständig darin verheddert und drüber stolpert oder es sich selbst um die Ohren haut. Das ist schon manchmal recht amüsant! Aber irgendwelche klaren Signale kommen da für mich jetzt nicht bei rum. Und da kommt das mit dem Üben ins Spiel.
Ich bin ja ein sensibles, artiges und sehr, sehr schlaues Pony. Und wenn mein Mädchen nicht gerade 7m Seil in der Hand hat, drückt sie sich ja in der Regel auch klar aus. Das hat zur Folge, dass ich immer alles im ersten Anlauf kapiere. Wir müssen eigentlich nie was üben oder wiederholen und sie muss auch nie viele oder dolle Signale geben. Meistens hält sie die Gerte irgendwo hin und wartet, während ich nachdenke, dann mache ich das was ich denke was sie meinen könnte und in aller Regel ist das richtig. Oder zumindest fast richtig und im zweiten Anlauf ganz richtig. Dann bekomme ich einen Keks und merke mir das. So läuft das bei uns. Bis auf eine Ausnahme: wenn wir spazieren gehen und da sind fremde Pferde auf einer Koppel, dann läuft das nicht mehr. Dann will ich nämlich die fremden Pferde kennenlernen! Und kann mich gar nicht auf mein Mädchen konzentrieren. Und mein Mädchen wird dann hektisch, weil sie sich Sorgen macht und kann nicht mehr so klar Signale geben. Und dann höre ich erst recht nicht mehr hin, weil sie eh nur Kauderwelsch redet. Und dann gibt es Streit. Und das will ja nun wieder keiner von uns.
Also hat mein Mädchen einen Plan ausgeheckt der da heißt: wir üben Chaos. Also: Sie macht Chaos mit dem langen Seil und ich muss trotzdem raten was sie will. Und mich konzentrieren und ruhig bleiben und lieber zu langsam machen als zu schnell. Mich nicht über das Chaos ärgern oder aufregen sondern das Beste draus machen. Und das üben wir jetzt erst mal auf dem Reitplatz. Und wenn wir das da geübt haben, macht mein Mädchen hoffentlich schon etwas weniger Chaos mit dem Seil und ich habe ganz viel gelernt über das Aushalten und Interpretieren von Kauderwelsch. Und wenn wir dann wieder fremden Pferden begegnen, redet sie weniger Kauderwelsch und ich verstehe ihr Chaos besser und wir müssen nicht streiten. So der Plan!
Zum Glück ist der Mann dabei. Der hat sie erst mal ohne mich üben lassen, wie man das Seil wirft und schwingt. Der hat glaube ich Mitleid mit mir, wenn sie so wirres Zeug macht. Aber inzwischen bin ich ja schon ein großer, starker Ritter, ich halte das aus, wenn es sein muss (und ich Kekse dafür bekomme). Und ich hab was raus gefunden: Sobald sie ihre Hände minimal bewegt, mache ich einen Schritt in die Richtung, die vorher die richtige war (gestern war es entweder rückwärts oder seitwärts), dann schaue ich wie sie reagiert. Entweder sie fängt doll an zu kichern und gibt mir einen Keks, dann war es richtig, oder sie macht irgendwas mit ihrem Seil, dann war es falsch. Dann warte ich kurz, probiere die andere Richtung und – zack – Problem gelöst. Der Mann findet, ich bin verdammt schlau. Mein Mädchen findet, ich bin verdammt süß. Beide haben Kekse in der Tasche. Und unter diesen Bedingungen lässt es sich auch mit Chaos ganz gut leben.
Euer gewitzter Sir Duncan Dhu of Nakel