Erinnerung

Facebook zeigt mir heute diese Erinnerung. Und die teile ich einfach mal mit Euch.

Unser allererster Distanzritt – Schusteracht 2018 28km

Der Wecker klingelt zu einer Uhrzeit zu der Weckerklingeln eigentlich verboten sein sollte. „Geh auf Distanzritt“ haben sie gesagt – „das macht Spaß“ haben sie gesagt. Warte mal – Spaß? Um diese Uhrzeit? (An dieser Stelle möchte ich erwähnen dass die Geschichte eine tragische Wendung genommen hat – wir hätten mindestens eine, fast noch zwei Stunden länger schlafen können….) Erstmal den Hafermotor betanken. Der Schotte hat die Nacht mit seinem Reitkumpel bei uns im „Distanzponyferienlager“ verbracht und die beiden haben hart an ihrer Heubauchfigur gearbeitet (so hart, dass der Sattelgurt beim Pony meiner Freundin vor dem Ritt kaum zugehen wollte). Meine Freundin taucht auf und sieht ungefähr so aus wie ich mich fühle. Dann gehts los. Auf einer großen Weide stehen schon einige Fahrzeuge, aufgebaute Paddocks, Pferde, Menschen…. wir bauen unser Paddock auf und parken die Ponys dort. Dann gehts an die Meldestelle. Wir gestehen unsere Ahnungslosigkeit und werden sehr nett in Empfang genommen. Alles wird uns gut erklärt und es ist auch wirklich nicht schwierig. Wir stehen ganz oben auf der Liste und bekommen die Startnummern 1 und 2!

Wir putzen die Ponys und ich stopfe Finlay in seine Hufschuhe, dann geht’s zur Voruntersuchung. Beide Ponys kommen anstandslos durch und die Nummern werden auf ihre schönen Pony-Popos gemalt. Finlay startet eine erste Charme-Offensive, wickelt sich fix die Tierärztin um den Huf und bekommt prompt neben seine Startnummer noch ein Blümchen gemalt 🙂 Ich staune über mein Pony: anscheinend hat er jetzt wirklich raus, was Menschen charmant finden und was nicht. Er hat alle gut im Griff und nagt nicht wie früher einfach jeden an, den er sympathisch findet.

Unsere Ponys sind sehr entspannt, beide mit Pulswerten von 36. Wir eher nicht so, aber bei uns wird ja der Puls nicht gemessen. Rein in die Klamotten, ich entscheide mich aufgrund des Regenradars, den Regenmantel lieber anzuziehen. Dann an den Start. Finlay möchte los, er will nicht warten bis die Startzeit in die Check-Karte eingetragen wurde. Und dann ist es endlich so weit: Abritt! Die Ponys so „ach wir gehen einfach ausreiten – na das ist ja cool!“ Für uns Reiter ist es zu Anfang gefühlt eher eine Schnitzeljagd. Unter einem „markierten Ritt“ hatte ich mir so was vorgestellt wo die schnellen Reiter (zu denen wir ja zum Glück noch lange nicht gehören) auch im Galopp noch den Weg finden. Naja, anscheinend tun sie das ja auch, aber wohl nur weil sie es schon so oft geübt haben. Ich bin jedenfalls froh, die Karte schon auf dem Handy zu haben, so dass wir uns immer schnell vergewissern können, dass wir noch richtig sind. Zu Anfang ist das Gelände wie bei uns zu hause: Plattenwege. Tempomäßig sind die Ponys gut drauf und wir kommen flott voran. Für ein erstes Foto unter einem schönen Torbogen nehmen wir uns aber Zeit und lachen über uns selbst als wir uns vorstellen wie Profis dieses Verhalten beäugen würden.

Mein linkes Bein ist heute irgendwie unglücklich mit dem Steigbügel, Knie und Knöchel fangen bereits nach kurzer Zeit an, zu maulen, aber die meiste Zeit ist es einfach nur toll, so zu reiten. Der Wind fegt uns um die Ohren, der Schotte hat allerbeste Laune und wir genießen die Zeit. Und plötzlich sind wir schon am ersten Vet-Check bei km9! Wir treten auf die Bremse, damit die Ponys die vorgegebenen Pulswerte schnell erreichen. Die Bagaluten nehmen einen guten Schluck Wasser aus der Tränke und sorgen damit für Freude bei der Vet-Crew, die Pulswerte sind fein. Unser lieber Trosser Arnulf nimmt uns die ersten Jacken ab – ist dann beim reiten doch wärmer als gedacht, aber den Regenmantel zieh ich wieder drüber wegen schwarzer Wolken am Himmel – und begleitet uns ein kleines Stück mit dem Auto zur ersten Querung der Bundesstraße, da uns weise empfohlen wurde, dass dort vielleicht besser jemand hilft. Tatsächlich ist das gar nicht so blöd. Auf der anderen Seite der B76 ist das Gelände plötzlich traumhaft schön – wir reiten durch den Wald (und denken öfter mal an die Reiter der großen Warm- und Vollblüter während wir uns unter Zweigen her ducken), dann kommen wir an die Schwentine und fühlen uns kurz wie Grafschaften, die durch ihren Park reiten. Über eine wunderschöne Holzbrücke (hier denken wir kurz an die Reiter, die nicht so coole Pferde haben wie wir) und dann weiter durch den Wald. Da wir hervorragend in der Zeit liegen und Finlay eine erste Müdigkeitsphase hat (km14 – Lios erste Panikattacke. Erst die Hälfte geschafft und Pony schon müde?) machen wir eine Graspause, in der ich auch endlich meinen Regenmantel ausziehen kann, in dem es mittlerweile regnet, weil ich so schwitze. Das Wetter bleibt uns gnädig: obwohl immer wieder schwarze Wolken zu sehen sind bleibt es trocken.

Weiter geht die Reise über die nächste Schwentine-Brücke und dann noch eine. Ich möchte meine Freundin romantisch filmen wie sie mit ihrem Pony über die Brücke läuft, aber ihr Pony hat andere Pläne und weigert sich, da rüber zu gehen. Während sie auf ihr Pony einredet und ich mit der Handy-Kamera rumfummel fühlt Finlay sich unbeobachtet genug um schnell mal zu pinkeln – Ihr glaubt gar nicht über was für bekloppte Sachen Reiter sich freuen können! Das hat er nämlich auf einem Ritt noch nie gemacht und es war wohl das ein oder andere mal die volle Blase, die ihn langsam laufen ließ. Als das erledigt ist, gehen Finlay und ich zusammen voran über die Brücke. Geritten mag er auch nicht drüber, aber als ich vorne weg gehe, ist er absolut einverstanden. Lautes „klong klong“ hinter uns lässt mich wissen, dass auch das beschlagene Pony meiner Freundin jetzt mitkommt.

Wieder rauf auf die Ponys und weiter geht die Reise. Wunderschöne Graswege neben den eigentlichen Wegen und Straßen scheinen das Markenzeichen der Schusteracht zu sein. Die Ponys freuen sich über den weichen Boden, der Schotte ist wieder putzmunter und bietet immer wieder einen kleinen Galopp an, heute schneller und länger als jemals zuvor! Wir kommen wieder an die B76 und überqueren sie mit Arnulfs Hilfe. Danach kommt noch so ein wunderschöner Grasweg und wir galoppieren zügig einen Hügel hoch, als ich plötzlich ein verdächtiges Geräusch höre. Ich denke „da ist doch ein Hufschuh lose“ aber der Schotte galoppiert völlig unbeirrt weiter und ich meine, vielleicht ist doch alles ok. Dann kommen noch komischere Geräusche und obwohl der Schotte sich nicht daran stört, halte ich an und sehe das Desaster. Er hat den Hufschuh total zerlegt und schleift ihn nur noch an der Gamasche hinterher. Wie er das geschafft hat, ist mir ein Rätsel, aber im Moment gibt es nur eine Lösung – der Schuh ist tot, also muss mein Pony den Rest hinten barhuf bewältigen. Zum Glück weiß ich ja schon, dass die Strecke gut genug ist dafür. Ein bißchen fluchend reiten wir weiter und schmieden Pläne, ihm einen Klebebeschlag zu verpassen.

Ein Stück weiter bei km18 ist dann der zweite Vet-Check. Um die Pulswerte zu senken, reiten wir vorher Schritt, kommen aber an einer gruseligen Biogasanlage vorbei, die den Puls erst mal wieder hochjagt. Zum Glück ist sie noch weit genug weg vom Check, der an der selben Stelle wie der erste liegt – ab jetzt ist die Strecke dann die selbe wie am Anfang. Die Ponys kommen wieder schnell auf den erforderlichen Pulswert und wir dürfen – nachdem der Schotte noch ein paar Komplimente bezüglich seiner Schönheit einkassiert hat – weiter. Obwohl Herr Finn langsam doch etwas müde wird, findet er nochmal Reserven und gibt immer wieder Gas. Mein linker Knöchel tut langsam übelst weh und wenn wir zu hause wären würde ich jetzt ein Stück laufen. Aber wir wollen ja ein bisschen flott bleiben, also weiter. So ist das wohl mit dem Ehrgeiz… Der Schotte hat immer noch den einen oder anderen Galopp im Angebot, wofür ich sehr dankbar bin, weil mein Knöchel im Galopp nicht weh tut. (Tags danach habe ich erst das getan, was ich zu Anfang hätte tun sollen – nachgeschaut ob die Bügel gleich lang sind. Wie überaus bedauerlich, dass ich nicht auf mein Gefühl gehört habe, sondern lieber 28km mit ungleich langen Bügeln unterwegs war mit dem Mantra „niemand anders benutzt diese Bügel, sie können nicht verstellt sein“. Als ich das gesehen habe, wollte ich irgendwie gern den Kopf gegen die Wand hauen. Aber das hilft ja auch nicht gegen Schmerzen im Knie….)

Aufgrund der fehlenden Schuhe sind wir etwas gehandicapt, weil wir nun den Grasstreifen nutzen und wir eine Strecke Schritt reiten, die wir sonst noch hätten traben wollen. Aber wir liegen hervorragend in der Zeit und also ist es uns egal. Die Ponys bewältigen noch einmal ein paar Gruselecken vom Anfang – Baustelle rechts, Kettensäge links… Und plötzlich sind wir wieder da und haben es geschafft! 28km in 190min – sehr sehr viel schneller als angedacht und mit einem immer noch recht fitten Schotten (das Pony meiner Freundin ist ja körperlich sowieso fit genug dafür). Wir vergessen fast, die Ankunftszeit in die Check-Karten eintragen zu lassen, weil wir so im Reit-Flow sind, aber zum Glück passen alle gut auf uns Anfänger auf und pfeifen uns sofort zurück. Die Pulswerte sind ok und so dürfen die Ponys erstmal mit Abschwitzdecke in ihr Paddock zurück. Gras mögen sie nicht, die Weide ist leider sehr vollgeäppelt, also gibt es mitgebrachtes Heu, worüber sie sich freuen.

Jetzt zeigt sich, wie müde das Pony meiner Freundin ist – nicht körperlich, sondern geistig. Während Finlay und ich ja häufig mit Arnulf und Diego zum ausreiten losziehen und auch schon auf Kurs waren mit Fremdübernachtung kennt ihr Pony sowas gar nicht. Er hat ja nun auch die Nacht schon fremd bei uns verbracht und jetzt, wo es geschafft ist, wirkt er total überwältigt von all den Eindrücken. Er steht nur noch und döst. Die Sonne kommt raus und wärmt die Ponys auf, so dass sie bald wieder trocken sind. Der Schotte sieht höchst zufrieden aus mit sich und der Welt und startet weitere Charme-Offensiven mit jedem Menschen, der in seine Nähe kommt. Nach 2 Stunden dürfen beide zur Nachuntersuchung und werden für ok befunden. Die Tierärztin verhandelt mit meiner Freundin, ob sie nicht ihr Pony haben kann (allerdings möchte sie es mit dem Kompressor aufpusten, denn es ist ihr zu klein) aber meine Freundin liebt ihr Pony und lehnt das Kaufangebot ab. Und dann dürfen die Bagaluten auch schon wieder ins Taxi steigen und lassen sich von Arnulf nach hause kutschieren, während meine Freundin und ich die Siegerehrung erwarten.

Viel später ist es dann so weit. Und obwohl seit dem Tag, an dem wir beschlossen haben, einen Distanzritt reiten zu wollen (irgendwann im Dezember?) für mich total klar war, dass wir ganz unten auf der Liste stehen und der Schotte eine rote Laterne mit nach hause nimmt, ist das keineswegs der Fall! Als das Verlesen der Zeiten (natürlich mit dem langsamsten Ritt beginnend) seinen Lauf nimmt, sind wir höchst überrascht, dass so viele Reiter vor uns genannt werden. Tatsächlich liegen wir ziemlich genau in der Mitte des Feldes! Wir nehmen unsere Plakette und einen Beutel Mash-to-Go entgegen und gewinnen sogar noch ausgeloste Preise (leider wusste das Los nicht, dass blau-graue Streichkappen nicht auf meinem Wunschzettel stehen – möchte jemand welche haben?) Wir fahren nach hause und laden das Pony meiner Freundin wieder auf, denn er soll noch in seinen Heimatstall. Er ist allerdings so kaputt, dass das einiges an Überredung kostet und ich beobachte erneut, wie Verhalten plötzlich nicht mehr funktioniert, weil der Kopf einfach überdreht und überfordert ist. Letztendlich steigt er aber doch ein und ich vermute, er hat zu hause erst mal zwei bis drei Mützen voll Schlaf genommen. Mein Schotte derweil hatte das Abenteuer seines Lebens und findet, es war ein wunderbarer Tag- und das finden wir auch!

Dieses Jahr kann ich mit Freude im Herzen auf diese schöne Erinnerung zurück blicken. Wenn ausnahmsweise alles nach Plan läuft, starten Duncan und ich in zwei Jahren auf genau diesem Ritt zum ersten Mal gemeinsam. Ich hoffe dass es klappt und freue mich schon drauf, diese schöne Erfahrung mit meinem besten Pony 2.0 zu wiederholen….

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