Ich habe mal gelesen, dass Nicht-Pferdemenschen sich wundern, wenn ein Reiter Ihnen sagt, dass er „Unterricht“ nimmt. Ich kann das nicht beurteilen, ich habe nur mit Pferdemenschen zu tun…. jedenfalls wurde dort der Tipp geäußert, man solle von „Training“ sprechen. Denn Nicht-Reiter würden sonst oft fragen „Du reitest doch schon so viele Jahre, kannst Du das immer noch nicht?“
Reiter können darüber nur lachen. Genau wie meine Mutter, die Zeit ihres Lebens Klavier spielt und selbstverständlich immer noch Unterricht nimmt, genau wie meine Schwester, die in der französisch-sprachigen Schweiz lebt, problemlos ihren Alltag auf Französisch meistert und trotzdem weiterhin Französisch- Unterricht nimmt, genau so sind wir Reiter doch nie fertig mit dem Lernen. Der kürzeste Reiterwitz, wie ging der noch? „Ich kann´s“.
„Wer aufgehört hat, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein“ (anscheinend ist nicht ganz klar von wem dieses Zitat stammt).
Ein Trainer ist für mich etwas anderes als ein Lehrer. Einen Trainer werden wir vielleicht mal haben, wenn wir wirklich auf Distanzritte wollen. Jemand, der uns Trainingspläne erstellt, Fütterungstipps gibt und uns motiviert. Jemand, der tolle Übungen parat hat um körperlich fitter zu werden. Jemand, der unsere Stärken und Schwächen analysiert und uns zeigt, wie wir unsere Kräfte über viele Kilometer einteilen. Der unsere Fortschritte überwacht und protokolliert, uns sagt, wo wir stehen und wie wir von dort einen Schritt weiter kommen.
Aber ein Lehrer ist doch etwas anderes.
Einen Lehrer brauchen wir, wenn wir fest stecken und nicht weiter wissen. Oder wenn uns die Neugierde packt, was eigentlich noch so alles geht. Oder wie es noch besser geht. Ein Lehrer ist jemand, der uns zeigt, was wir vorher noch nicht konnten und wussten. Lehren und trainieren sind einfach zwei Paar Schuhe und deswegen werde ich weiterhin Unterricht nehmen und das auch weiterhin so sagen. Meine Reiterei ist (im Moment) kein Sport (ha! Das freut jetzt wieder die nicht-Reiter: siehst Du, es ist doch kein Sport!) so wie Yoga kein Sport ist (und trotzdem körperlich anstrengend, fordernd und gesund). Ach ist das alles kompliziert.
Jedenfalls brauchte ich mal wieder dringend Unterricht. Denn Sir Duncan hat mich an technische Grenzen gebracht, die es zu überwinden gilt. So ein kleiner Hengst, der kann schon mal über die Stränge schlagen. Und mein Duncan, der hat (wohl auch altersbedingt aber auch bedingt durch Dinge die ich noch nicht über ihn weiß) gerade eine Art von (gefühlt) 0 auf 100 auf der Aufregungsskala zu springen, die mich in unangenehme Situationen bringt. Also brauche ich Unterricht – einen Lehrer, der mir zeigt, woran ich erkenne, dass Duncan eben NICHT bei 0 ist auf der Aufregungsskala (und auch nicht mehr bei 20, sondern bereits weit darüber) und der mir zeigt, wie ich damit so umgehen kann dass ich die Situation rechtzeitig entschärfe – bevor mein Pony wieder (wenn auch in schönster Manier) auf zwei Beinen neben mir steht.

Und was habe ich für ein Glück, dass ich diesen Lehrer „griffbereit“ zu Hause habe und so direkt die Hilfe bekomme, die ich brauche.
Ich habe so lange nur Freiarbeit gemacht, dass mein Umgang mit Stick und Strick nicht gerade elegant und effektiv ist. Und jetzt, wo wir die Herausforderung suchen (die da heißt: fremde Pferde), da muss ich lernen, richtig und rechtzeitig zu reagieren. Ach, es gibt immer so viel zu lernen und zu fragen und zu denken. Das ist das Schöne und das Anstrengende am Zusammensein mit Pferden.
Auch anderer Unterricht ist schon gebucht, Reitunterricht für mich und eine erste kleine „reitvorbereitende“ Unterrichtseinheit vom Boden für den Ritter und mich.
Ich könnte das jetzt auch hochtrabend als „Fortbildung“ bezeichnen. Ist schließlich mein Beruf. Klingt dann ja auch irgendwie wichtiger. Und das was zwischen Arnulf und mir auf dem Reitplatz stattfindet, könnte man auch als „Austausch“ bezeichnen. Ich mag das Wort Unterricht lieber. Für mich ist Unterricht eine klare Sache: ich bekomme Wissen und Information vom anderen. Ich bin bereit, das anzunehmen was der andere sagt und vorschlägt. Das heißt nicht, dass ich alles klag- und fraglos hinnehme, keineswegs. Ich bin durchaus enorm kritisch und deswegen hat es jetzt auch so lang gedauert, bis ich eine neue Reitlehrerin gefunden habe. Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann. Dem ich ohne zu zögern mein Pony in die Hand gebe. Einen Lehrer, bei dem ich mir nachher nicht nur die „Rosinen“ raus picke sondern bei dem ich mich ganz einlassen kann. Heißt nicht, dass ich nachher alles 100% nachahme. Aber mal da rein springen und schauen was bei raus kommt. Mich einlassen und mitmachen anstatt sofort zu fragen welche Teile davon mir wohl gefallen und welche nicht. Und auch wenn ich manchmal fluche und schimpfe wenn mir Dinge nicht gelingen wollen, habe ich doch einen Heidenspaß und mag so gern Neues ausprobieren und lernen. Und auch dafür habe ich zum Glück das passende Pony, das neugierig seine Nase vorstreckt und sich mit mir vortastet in unbekannte Wissens – und Könnensgefilde.
