Sir Duncan hat den nächsten Pubertätsschub und ich höre mal wieder Harry Potter. Band 5 und Band 6. Und ich muss so oft lachen! Denn Harry pubertiert auch ganz schön. Und auch die Jungs und Mädchen um ihn herum. Und es hilft mir manchmal, diese Geschichten zu hören. Meine eigene Pubertät habe ich ja nur „von innen“ erlebt und ich war ja nun mal auch kein Junge und habe auch keinen Bruder.
Bei Harry und seinen Freunden ist „weil ich es kann und weil sich gerade die Gelegenheit ergibt“ offensichtlich eine absolut ausreichende Begründung dafür, Dinge zu tun, die wahlweise total sinnlos oder sehr gefährlich sind – gerne auch mal beides – und die ziemlich sicher mit einer saftigen Strafe enden. Oder Harry tut und sagt Dinge, ohne vorher ein einziges Mal darüber nachzudenken. Einfach weil „die Pferde mit ihm durchgehen“. Die Stimmung schwankt zwischen hoch aufgeblasenem Selbstbewusstsein und dem totalen Zweifel. Harry kennt sich selbst so wenig, dass er noch nicht einmal merkt, dass er verliebt ist.
Andererseits zeigen sich in Band 5 erste kleine Anflüge davon, dass Harry Beschützerinstinkte entwickelt und es gibt diese total erwachsenen Momente in denen man denkt „huch, wo kommt das jetzt her?“.
Ach, das ganze Gefühlschaos von außen zu beobachten und so schön erzählt zu bekommen, tut mir gut, wenn ich mein kleines Hengstchen sehe. Duncans Augen blitzen unter seinem Schopf hervor wie ich es vorher noch nie gesehen habe. Der Schalk sitzt ihm im Nacken. Neulich, als er Quatsch gemacht hat und ich gleichzeitig lachen und schimpfen musste, meinte Arnulf, ich sollte lieber nicht lachen. Aber ich kann nicht anders. Und es hilft mir, zu lachen. Duncan macht nichts schlimmes, aber das was er macht, hat oft den Unterton von „na, was machst Du jetzt?“. Er will das einfach wissen. Er will überhaupt alles wissen.
Wutanfälle, wie sie bei Finlay in der Pubertät an der Tagesordnung waren, hatte Duncan bisher nicht. Da er insgesamt mehr Wert auf Harmonie legt, als Finlay das getan hat, bleibt er – bis jetzt – immer auf einem sehr sozialverträglichen Niveau der Rebellion. Und ich finde es völlig legitim, dass er mal nachfragt, wie ich wohl reagiere, wenn er dies oder jenes tut. Meistens ist die Situation so, dass ich mit Sturheit reagieren kann. Dann wird eben wiederholt, bis es klappt. Am Strick zum Gras ziehen hat zur Folge, dass man nicht zum Gras kommt. Im Roundpen ungefragt antraben zieht längere Schrittphasen nach sich. Andererseits: wer auf der Weide so wunderschön um mich herum galoppieren kann, kann das ja auch mal im Roundpen auf Ansage tun. (Duncan wird Euch bald davon erzählen). Verhalten sinnvoll umlenken ist mein Job. Natürlich gibt es gelegentlich Konfrontationen. Dann gibt es auch mal was auf die Mütze. Wobei Duncan ja im Gegensatz zu Finlay unglaublich leicht zu beeindrucken ist durch seine generelle Sensibilität. Aber ich versuche, diese Situationen zu vermeiden und möglichst oft andere Wege zu finden. Und Duncan scheint da empfänglicher zu sein als Finlay, der die Konfrontation liebte.
Ob Diego deswegen so nachsichtig mit ihm ist? Ich beobachte mit Staunen, wie Diego ganz gelassen mit all den kleinen Sperenzchen umgeht. Gelassener als Gatsby, der schon mal gelegentlich sehr wütend wird. Vielleicht findet Diego auch, dass es reicht, wenn einer meckert? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass Diego meistens Recht hatte damit, wie er mit den anderen Pferden umgeht, also orientiere ich mich an ihm und bleibe entspannt. Ich gehe auch weiterhin davon aus, dass Duncan nicht zu den Pferden gehört, die in der Pubertät gefährlich werden. Denn die gibt es auch, machen wir uns nichts vor. Ich habe solche kleinen Monster durchaus erlebt, die durch nichts zu beeindrucken waren. Die meisten waren nach 1-2 Jahren wieder völlig normal. Aber die Zeit der Pubertät war bei diesen Pferden wirklich gefährlich für den Menschen.
Andererseits denke ich: wer pubertär ist, braucht Beschäftigung. Nicht Erziehung und Nachsitzen und Strafe, sondern Beschäftigung. Etwas, woran Gehirn und Körper sich abarbeiten können. Etwas, wo Hormonstress und Energieüberschuss kanalisiert werden. Deswegen ist meine Reaktion auf den nächsten Pubertätsschub meines Ponys, dass wir das Pensum – was in den letzte Wochen sehr niedrig war, weil ich den Eindruck hatte, er ist mit wachsen beschäftigt – wieder erhöhen. Ab in die „Berge“ zum Spazierengehen. Galopp üben im Roundpen. Den Steg wieder höher stellen für eine Herausforderung beim Stufentraining. Demnächst habe ich auch hoffentlich Zeit, endlich meine Stangen bunt anzumalen, dann gibt es etwas neues zu üben. Neue Wege erkunden und ihn an der Brücke über die Landesstraße herausfordern, seine Angst zu besiegen.
Und mein Pony ist nach diesen Aktionen zufrieden mit sich und der Welt. Und ich bin auch zufrieden.
Ich erhöhe jetzt auch die Standards für einen Keks. Huf hochheben, auskratzen, einschmieren, Schuh anziehen, Huf absetzen, Schuh zu machen. Das alles ist jetzt EINE Übung und wenn sie nicht perfekt absolviert wurde, gibt es eben KEINEN Keks. Da muss ich mich selbst auch konzentrieren. Das selbe gilt für Dinge wie antraben, durchparieren, anhalten etc. Kekse nur noch für Dinge die wirklich perfekt waren – an den Stellen wo ich weiß, dass er es perfekt KANN. Und er scheint keine Einwände zu haben.
Auch sein Äußeres verändert sich. Sein Gesicht ist kantiger geworden, er sieht nicht mehr nach Baby aus. Ein kleiner Huckel auf seinem Nasenbein gibt seinem Profil mehr Charakter. Ich bin sehr glücklich damit, wie gleichmäßig er wächst und wie schön er sich bewegt und ich hoffe, dass das auch an meinem Einsatz liegt – 500km sind wir nun gemeinsam durchs Gelände marschiert und all das Wippen und Stufentraining hat hoffentlich auch seinen Beitrag geleistet. Aber das meiste macht er natürlich von selbst während er im Paddock herumwandert und gelegentlich spielt und rennt.
Seit dem letzten Wachstumsschub ist er im Spiel nur noch wenig gestiegen, ich vermute, dass das schwieriger geworden ist, weil er in die Länge gewachsen ist und sein Schwerpunkt tiefer liegt als früher. Ich bin gespannt, ob das viele Steigen wieder kommt und wenn ja wann.
Und dann sind da diese Momente in denen er plötzlich total erwachsen ist. Und mir ein ganz anderes Gefühl von Zusammensein gibt. Ich erinnere mich an diese Momente bei Finlay genau so. Sie sind schwer zu beschreiben, aber leicht zu erfühlen. Momente in denen ich eine Idee davon bekomme, wie er sein wird in 2,3 oder 4 Jahren. Zaubermomente, die mir eine schöne Zukunft vorhersagen ….