„Neue Erinnerungen schaffen“ das ist für meine Freundin und mich so eine Art Motto geworden. Auch sie hat – ein halbes Jahr vor mir – ihr junges Pony verloren. Auch sie hat Nachwuchs – Duncans Spaziergehkumpel. Und wenn wir so durch die Gegend wandern, dann hängen da manchmal viele Erinnerungen dran.
Aber jetzt ändert sich etwas. Denn jetzt sind da plötzlich neben den Erinnerungen an „die besten Ponys 1.0“ auch neue Erinnerungen an „die besten Ponys 2.0“. Als wir neulich spazieren waren, sind wir auf jenem Weg unterwegs gewesen, der unser erster Anhängerausflugs-Weg mit Duncan und seinem Spaziergehkumpel Freddy war. Damals – das ist jetzt etwas über ein Jahr her – haben wir uns darüber unterhalten, dass die Pferdemesse wegen Corona abgesagt wurde. Aber von Lockdown, Kontaktbeschränkungen, Wellen, Schnelltests und Impfungen hatten wir noch keine Ahnung. Wir waren mit den beiden Jungspunden im Anhänger eine ganz kurze Strecke gefahren und dann vom Wanderparkplatz aus nach hause gelaufen. Und es hat geregnet. Ach, was sage ich, es hat geschüttet! Das Wasser lief die Straße und die Baumstämme herunter. Und mein kleiner Ritter, zu diesem Zeitpunkt noch keine 1,5 Jahre alt und erst ein knappes halbes Jahr bei mir, war dann doch gegen Ende ein bisschen durch mit dem Lack. Das sind die Dinge, an die man sich erinnert. Viel mehr als an die schönen, ruhigen und entspannten Spaziergänge, die mir viel Kraft geben, aber weniger im Gedächtnis bleiben.

Dieser Spaziergang war der Auftakt für unsere allwöchentlichen Dienstags-Ausflüge. Im Sommer waren wir dann fast jede Woche mit dem Anhänger los in schöneres Gelände und unsere Ponys sind inzwischen die absoluten Profis was das angeht. Einsteigen, Heu fressen, aussteigen, Wege gehen die man kennt oder nicht kennt, völlig egal. Dann wieder einsteigen, Heu fressen, aussteigen. So wie wir auch ins Auto steigen um irgendwo hin zu fahren.
Diesen Sommer wollen wir vermehrt zu den Wegen fahren, wo all die Erinnerungen an die besten Ponys 1.0 hängen. Wege, die fast schon Hufabdrücke haben von den beiden wunderbaren Ponys, die uns angestiftet haben, auf Distanzritt zu gehen.

Damals war das alles anders. Meine Freundin war immer vorn, ich war immer hinten. Mit Finlay war man einfach immer hinten. Finlay hatte es nie eilig – wofür auch? Er war mein Träumer und mein Bummelant. Eigentlich gar kein Distanz-Pferd. Aber er hatte so viel Lust am Abenteuer und am draußen sein, dass wir es eben doch gemacht haben. Er brauchte endlos viel Training für die Einsteiger-Strecke, die Pferde normalerweise ohne extra Training schaffen können sollten (was für Diego im Übrigen auch wahr war). Aber er hatte Spaß und er hat mir gezeigt, wie sehr ich meine Ponys oft unterschätzt habe, was die körperliche Leistungsfähigkeit angeht.
Mit Duncan bin ich fast nie hinten. Duncan will immer voran, bis zum Horizont und darüber hinaus. Wenn wir in fremdes Gelände kommen, gehen die Ohren vor und er läuft schnurstracks vorneweg. Er läuft auch dann noch vorneweg, wenn er unsicher wird – das wurde uns auf der Autobahnbrücke zum Verhängnis. Er bleibt dann nicht stehen und sagt „oh ich hab Angst“. Er sagt „oh ich hab Angst“ und geht weiter. Bis er mehr Angst hat und noch mehr und dann gerne losrennen möchte. Es liegt an mir, ihn davor zu beschützen, dass er sich nicht selbst überfordert. Und so wird das Training für die Distanzritte wohl auch für mich ganz anders ablaufen als bei Finlay, den ich immer gepusht habe, dem ich immer gesagt habe „das schaffst du bestimmt noch“ und der dann fest gestellt hat: ah, da ist ja noch Kraftreserve.
Wenn Duncan sich auf das körperliche Training bezogen genauso verhält wie auf die seelischen Herausforderungen, dann wird es mein Job sein, ihn zu bremsen und zu sagen „mach mal Pause. Schnauf mal durch“. Ich werde vermutlich viel lernen über Pulswerte und Krafteinteilung. Und ich werde neue Erinnerungen schaffen.

Da Duncans Spaziergehkumpel jetzt eingefahren wird – zwei Mal war er jetzt vor der Kutsche und hat das erwartungsgemäß großartig gemeistert – sind viele Erinnerungen daran hoch gekommen, wie wir Finlay gemeinsam eingefahren haben. Auch ihn haben wir gut vorbereitet. Auch er hat das selbstverständlich gemacht. Er hatte seine Schwäche beim Straßenverkehr und wir erinnern uns lachend an eine Situation mit einem Bus, als ich ängstlich auf dem Kutschbock neben meiner Freundin fragte ob ich nicht lieber absteigen und zu Finlay nach vorne gehen sollte um ihn zu unterstützen und meine Freundin schaute nur streng und sagte „Du bleibst sitzen“ und dann, an Finlay gerichtet „und Du läufst weiter“ und wir haben beide getan wie uns geheißen. Finlay hat seinen Mut zusammen genommen und ist anständig weiter gelaufen, während uns auf der kleinen Dorfstraße der Linienbus beängstigend groß entgegen kam. Im Nachhinein eine großartige Erinnerung!
Auch Pannen haben wir gehabt und wir haben daraus gelernt. Verletzte oder traumatisierte Ponys hatten wir dabei nie. Wir haben immer alles gut vorbereitet, sauber erarbeitet und es den Ponys so leicht wie möglich gemacht. Dadurch konnten unsere Ponys die „Fehlerrestquote“ gut kompensieren.
Wir beide haben unsere Ponys trotzdem verloren – ohne dass jemand einen Fehler gemacht hätte. Manchmal ist das Leben nicht fair. Andererseits bin ich manchmal froh darum. Wäre eins der Ponys durch einen Fehler unsererseits zu Tode gekommen wäre mein Vertrauen in meine Ausbildungsfähigkeiten wohl kaputt. So habe ich nur gelernt: ich kann nicht alles kontrollieren.
Die neuen Erinnerungen helfen dabei, dass die schrecklichen Erinnerungen in den Hintergrund rücken. Sie wirken weniger real, nicht mehr so nah. Mehr wie ein schlimmer Film. Was bleibt, sind die vielen, vielen guten Erinnerungen, die jetzt immer wieder geweckt werden – an die besten Ponys 1.0 UND an die besten Ponys 2.0
Diesen Sommer werden wir noch viel mehr neue Erinnerungen erschaffen, darauf freue ich mich. Mit den besten Ponys 2.0 am Band und den besten Ponys 1.0 im Herzen.