(Entschuldigung an alle die schon vorab eine mail bekommen haben, ich hatte Schwierigkeiten mit der Technik)
„Das wäre ja auch langweilig“ sagt meine Kundin „wenn die immer alles einfach so machen würden“.
Ja, ich hab solche Sätze auch schon gesagt. Und als wir neulich mit der Rettungsdecke gespielt haben, Duncan und ich, da hat Arnulf gesagt, es sei langweilig. Ich stolpere mehr und mehr über diesen Satz. Und ich nehme mir vor, ihn nicht mehr zu sagen. Langweilig ist doch wohl ein kleines Schimpfwort. Langweilig zu sein ist doch nichts Gutes, oder? Aber gute Pferdeausbildung ist in dem Sinne „langweilig“ der hier gemeint ist. Unspektakulär. Nichts, worüber man einen spannenden Film drehen kann.
In der Hufpflege hat man uns ja schon so manches „schwierige“ Pferd vorgestellt. Und eines Tages haben wir es wahr gemacht und die Kamera mitgenommen. Das war der langweiligste Film der Welt, man sieht Arnulf wie er ein Pferd streichelt und mit der Besitzerin redet und dann wieder das Pferd streichelt und kurz den Huf hebt und wieder mit der Besitzerin redet und dann wieder kurz den Huf hebt. Gähn. Aber nur so ist es gut gemacht. Fürs Pferd in aller Ruhe. Ohne filmreife Stunts. Ohne gut verkäufliche Action. Wer die braucht, hat es nämlich entweder nicht gut drauf, Pferde auszubilden, oder er hat es hervorragend drauf, sich selbst zu verkaufen – oder beides.
Ich fand es gar nicht langweilig, mit Duncan mit der Glitzerfolie zu spielen. Es war hoch interessant, ihn zu beobachten und zu überlegen, wie ich ihn unterstützen kann. Wir hatten viel Spaß dabei. Es ist auch bei der Hufpflege keineswegs langweilig, wenn ein Kundenpferd einfach lieb da steht und mir die Hufe hin hält. Es soll natürlich nicht unterdrückt, geknechtet oder verängstigt sein und roboterhaftes Verhalten zeigen. Ein freundliches Pferd, welches mir auch auf freundliche Art zeigen kann, wenn es eine Pause braucht, wenn etwas wehtut oder dass es mich mag und mir gern den Rücken kraulen möchte, ist ein echter Genuss. Langweilig ist da nichts dran.
Und wenn wir unsere Ponys auf den Anhänger schicken, ganz unspektakulär – nicht rückwärts oder im Galopp sondern einfach ganz schnöde an Halfter und Strick – dann ist das nicht langweilig, sondern äußerst entspannt für alle.
Langweilig sind solche Dinge nur dann, wenn sie im Kino über die Leinwand flimmern. Wenn wir Zuschauer sind statt Teilnehmer. Dann ist es langweilig. Und das gibt mir zu denken, wenn Menschen sagen, das sei doch langweilig, wie das Pferd sich verhält. Mir scheint, der Mensch ist dann nur Zuschauer und möchte bespaßt werden. Da soll mal was passieren, da soll sich was schnell bewegen und jemand unvorhergesehen reagieren.
Mag sein, dass es am Alter liegt, aber mittlerweile sind mir die langweiligen Pferde die liebsten. Und ganz ehrlich: sie wirken auf mich am glücklichsten. Die Spaßvögel, die alles ins Maul nehmen oder sich ständig was ausdenken, mal ausgenommen, denn die sind auch glücklich ohne „langweilig“ zu sein. Ich selbst wollte ja auch wieder ein Pony mit vielen eigenen Ideen. Hat geklappt. Aber Duncans Ideen sind gewissermaßen „langweilig“. Viele Kilometer machen und zwar bitte zügig und am liebsten durch fremdes Gelände. Beschäftigung einfordern. Schlau sein und das zum eigenen Vorteil nutzen. Das hält mich auf Trab. Da wird mir nicht langweilig. Und wenn wir aufhören könnten, Pferde die glücklich, zufrieden und gesund sind, die eine gute Ausbildung und Erziehung genossen haben, als „langweilig“ zu bezeichnen, dann wäre es vielleicht auch wieder mal ein erstrebenswertes Ziel, ein solches Pferd zu besitzen. Tut mir ja leid für all jene Trainer, die gern das große Geld mit „Problempferden“ verdienen, aber ich hab lieber Pferde ohne Probleme. Und ich möchte so vielen Pferden wie möglich dazu verhelfen, dass sie ganz „langweilig“ werden oder es im besten Falle einfach bleiben (weil die meisten es von Natur aus sind). Und das mit so unspektakulären Methoden, dass jeder Film darüber langweilig wäre. Ohne Tricks und Spezialwerkzeug, einfach mit Geduld, Liebe und Wissen. Mit gutem Timing, guter Körpersprache und der ein oder anderen guten Idee.
Sollte mir dann irgendwann langweilig sein, warten noch genug Herausforderungen. Wie viele Kilometer schaffen wir wohl eines Tages, Sir Duncan und ich? Wo können wir überall hinfahren, wen können wir treffen, was können wir noch lernen? Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Und wenn mein „langweiliges“ Pony dabei nie überfordert wird und daher immer „abliefert“, dann werde ich im Endeffekt wieder jene Blicke ernten, die ich mit Merlin auf Kursen so oft gesehen habe. Die etwas neidischen von den Leuten, deren Pferde leider nicht ganz so „langweilig“ sind wie meine.
Wenn aber die Menschen anfangen würden, die „langweiligen“ Pferde attraktiv zu finden, dann würde es auch einen Markt dafür geben. Dann würden Züchter solche Pferde züchten. Gesunde, glückliche, gelassene Pferde. Und was wäre dann? Dann könnten wir eine Welt voller glücklicher Pferdebesitzer und zufriedener Pferde haben. Und wenn dann doch einer mal ein Problem hat – sowas passiert nun mal – dann könnten wir es ganz langweilig lösen, in aller Ruhe.
Ein „langweiliges“ Pferd kann mir helfen, mich nach einem stressigen Tag wirklich zu entspannen und zur Ruhe zu kommen. Gleichzeitig kann ich mit einem „langweiligen“ Pferd die größten Abenteuer erleben ohne dabei um Leib und Leben bangen zu müssen. Wann genau ist „langweilig“ eigentlich aus der Mode gekommen?
Duncan ist nun 1,5 Jahre hier und mir war noch nicht einen Tag langweilig mit ihm. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das passieren sollte. Langweilig kann ja nur heißen, dass uns nichts neues mehr einfällt. Und das ist ausgeschlossen. Wenn Reiter mir sagen, sie finden die Reiterei auf dem Platz „langweilig“ und ich frage ein bisschen nach, dann kommt raus, dass sie einfach nicht wissen, was sie da machen sollen. Entweder man lernt das dann oder man geht halt ins Gelände, fängt an zu springen, bringt dem Pferd Tricks bei oder lernt Bogenschießen zu Pferd. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Niemand muss sich langweilen, der das nicht möchte. Aber unseren Pferden sollten wir gönnen, dass sie gut ausgebildet, gelassen, selbstbewusst, entspannt und freundlich sind. Auch wenn manche das „langweilig“ finden. Und unser Training sollte – so weit es die Pferde betrifft – von außen möglichst „langweilig“ aussehen, damit wir unsere Pferde nicht stressen und überfordern, ängstigen oder verärgern.