Der Groschen ist gefallen. Duncan stapft vor mir her über den verschneiten Reitplatz und obwohl Arnulf und meine Freundin auch da sind, hört er auf das was ich sage (meistens) und lässt sich lenken. Es gibt viele Momente, in denen es einfach „läuft“ im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin wahnsinnig stolz auf ihn und als wir Feierabend machen, könnte ich ihm die stinkigen kleinen Hüfchen küssen, so gut hat er das gemacht. (Naja, ich konnte mich dann doch noch beherrschen).
Eine Stunde später haben wir Streit. Weil Sir Duncan meint, er darf eben doch durchs Stalltor huschen, obwohl ich nein gesagt habe. Er lässt sich nicht zurückbewegen und so greife ich spontan nach dem Besen und verscheuche ihn. Nun ist die Stimmung mies.
Von Finlay kenne ich es so: wir haben einen großen Durchbruch, einen Tag an dem alles 100% ig läuft, so einen an dem ich platze vor Stolz und Freude und ich gar nicht weiß wohin mit mir. Und ich weiß schon: morgen ist der unerträglich. So war Finlay in der Pubertät. Wenn ich ihn gefeiert hatte, ihm erzählt hatte, wie toll er das gemacht hat, was für ein großartiges Pony er ist, dann war er am nächsten Tag ein aufgeblasener Gockel, meinte, er könnte alles, wusste alles besser und ist mir auf die Nerven gegangen. Hat ein paar Jahre gedauert, bis sich das verwachsen hatte.
Bei Duncan scheint es ähnlich zu sein und doch ist es anders. Denn die Nummer mit dem Besen, die hat er entweder ihn entweder sehr beeindruckt oder er hat es mir krumm genommen, das weiß noch nicht. Er ist jedenfalls distanziert, kommt nicht mehr dauernd an, ist etwas unsicher, wie er sich verhalten soll.
Das mit dem Besen, das war eigentlich so eine Finlay-Nummer. Der hätte sich noch kaputt gelacht über den Besen. Duncan – keine Ahnung. Hat er sich erschreckt über meine Wut? Ich weiß es nicht. Er wusste ganz genau, dass er nicht durch das Tor darf und hat sich gezielt hinter mir durch geschlichen. Ich bin sicher, dass ihm klar war, was er da tut. Die Konsequenz hat ihm aber nicht gefallen. War das ein Testlauf – wie er ihn bei den anderen Ponys zur Zeit manchmal startet – was eigentlich passiert, wenn man Regeln bricht? Ist er erschrocken wegen meiner Reaktion oder eher beleidigt? Er benimmt sich mir gegenüber ungefähr so, wie ich ihn gegenüber Gatsby beobachtet habe vor ein oder zwei Wochen. Ich weiß nicht, was da los war, aber plötzlich schien er etwas Angst vor Gatsby zu haben. Nach ein paar Tagen war das wieder gut. Ich nehme an, dass das kleine Pubertier über die Stränge geschlagen hatte und sich eine Abmahnung eingefangen hat. Anders kann ich es mir nicht erklären.
War ich nun zu doll? Oder war das genau richtig, weil er den Dämpfer brauchte? Das sind Dinge, die ich bei Finlay in dem Alter längst wusste. Weil er es schon so oft versucht hatte. Finlay hat ja schon vor seinem ersten Geburtstag angefangen, Grenzen in Frage zu stellen und auszuprobieren, wie weit er gehen kann. Später ist er dann immer genau an dieser Grenze entlang balanciert und hat mich damit immer mal zur Weißglut gebracht. Aber mein harmoniebedürftiger Duncan hat das so noch nie getan. Doch, einmal, als er meinte, er muss auf dem Hof nicht stillstehen. Da hat er meinen Rüffel allerdings lange nicht so ernst genommen wie jetzt. Vielleicht, weil ich nach dem Rüffel noch Frieden mit ihm geschlossen hatte und ihm nochmal ganz genau gezeigt habe, wie es richtig geht? Nach der Besen-Nummer bin ich gegangen. Ich habe bewusst Abstand gesucht, ich fand sein Verhalten so dreist, dass ich der Meinung war, es sei nicht mein Job, den Frieden wieder herzustellen.
Tja, nun ist die Stimmung im Eimer. Auch das muss ich wohl mal aushalten können. Denn streiten zu können und sich dann wieder zu versöhnen gehört ja auch dazu. Und die Tatsache dass wir bisher noch keinen ernsten Streit hatten heißt ja nicht, dass nie einer kommt. Es gehört zum Kennenlernen, zu wissen wie der andere reagiert, wenn Dinge so gar nicht laufen. Zu wissen, wie ich dann reagieren kann. Immer nur Friede, Freude, Eierkuchen, das gibt es nur in den social media.
Wenn ich jetzt überlege, was zu tun ist und frustriert bin, weil ich noch nicht weiß, wie ich mit der Situation umgehe, dann schaue ich mir zwischendurch das Video von kurz vorher an und denke daran, wie weit wir schon gekommen sind. Wie toll mein kleines Pony das alles macht. Und wie viele Situationen wir schon gemeinsam gemeistert haben. Und mit diesem Gefühl kann ich zu ihm gehen und ausprobieren, wie ich nun die Wogen wieder glätten kann.
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