Wörtlich

„Wer nämlich mit h schreibt ist dämlich“

Vermutlich haben viele von Euch mit diesem Spruch gelernt, wie man „nämlich“ schreibt. Auch ich kenne diesen Spruch und finde ihn durchaus hilfreich. Sagen wir: für mich. Denn dann kam mein Mann und hat mir mal erklärt, wie saudumm dieser Spruch ist. Das Wort nämlich wird nämlich durchaus mit h geschrieben (kleiner Tipp für die, die jetzt in Protestgeheul ausbrechen wollen: es befindet sich am Ende des Wortes).

Der Spruch ist also nicht nur unwahr, er ist auch wirklich dämlich. Denn er ist in Wahrheit eine Diskriminierung jener, die Probleme mit der Rechtschreibung haben. Diese Menschen sind nicht dämlich, das stimmt doch gar nicht. Ich kenne viele intelligente Menschen, die Probleme mit der Rechtschreibung haben. Und so finde ich es mittlerweile einfach nur noch grausam, solche Sprüche zu verwenden, besonders bei Kindern, die gerade erst anfangen mit schreiben und dann schon zu hören bekommen, sie seien dämlich, weil sie ein h an der falschen Stelle verwenden.

Die Tatsache, dass der Spruch falsch ist, ist anscheinend bisher nur wenigen Leuten aufgefallen. Dass es meinem Mann aufgefallen ist, liegt wohl daran, dass er so sehr versucht hat, alles richtig zu machen. Er hat genau aufgepasst und zugehört und dadurch das bemerkt, was vielen Generationen von Lehrern und Schülern anscheinend durch die Lappen gegangen ist, nämlich dass nämlich mit h geschrieben wird.

Neulich musste ich daran denken, als ich Duncan die Schnute eingeschmiert habe. Meine Freundin hatte das ja übernommen als wir in Urlaub waren. Und er hat das ganz fein gemacht. Ohne rückwärts zu gehen. Bei mir hingegen fing er plötzlich an, rückwärts zu gehen. Und nach einer Weile des Rätselns wurde mir klar, warum: Ich hatte es etwas eilig gehabt beim einschmieren, es nicht gut genug vorbereitet und er war rückwärts gegangen. Ich habe ihm die Lippe weiter hoch gehalten, habe ihn eingeschmiert und als er still stand gab es einen Keks. Und mein schlaues – vielleicht manchmal zu schlaues – Pony hat abgespeichert wie es geht: Lippe hoch, rückwärts gehen, anhalten, Keks kassieren. Nur, dass ich es so nicht gemeint hatte. Tja, nämlich wird mit h geschrieben.

Ich bin dann dazu übergegangen, ihn los zu lassen wenn er rückwärts geht und eben keinen Keks zu geben. Da er den Keks haben will kommt er sofort wieder. Kekse gibt es jetzt nur noch, wenn er mich ohne Rückwärtstendenz seine Schnute versorgen lässt. Hat sofort funktioniert.

Auch an anderer Stelle hat Sir Duncan mir Rätsel aufgegeben. Warum dreht er mir manchmal den Hintern zu wenn er zu mir gekommen ist? Nein, er möchte nicht gekratzt werden. Es hat eine Weile gedauert bis ich verstanden habe, dass das Hintern zudrehen die Steigerung von Wegschauen ist. Wenn er einen Keks möchte und weg schaut und ich eigentlich warte, bis er etwas zur Ruhe kommt, dann passiert es manchmal, dass er so weit weg schauen möchte wie möglich und das bedeutet, er dreht sich von mir weg! Na klar, mehr wegschauen geht nicht, ist doch logisch! Nur ich war sehr langsam darin, diese Logik zu durchschauen.

Ganz oft ist das im Unterricht ein Thema. Warum macht mein Pferd das? Weil Du es ihm beigebracht hast. „Der weiß doch was er tun soll“ bekomme ich oft zu hören. Und nicht selten ist die Antwort „nein, weiß er nicht“. Duncan zum Beispiel weiß, was „hooo“ bedeutet. Nämlich dass er sofort stehenbleiben soll. Aber weiß er es wirklich? Nein! Das hat sich neulich gezeigt, als ich „hooo“ zum ersten Mal auf dem Zirkel in der Freiarbeit verwendet habe. Obwohl er es am Strick versteht, wenn er um mich herumläuft, hat er es ohne Strick noch nicht verstanden. Woher ich das weiß? Weil er so nachdenklich geschaut hat, als ich es gesagt habe. Und dann zwei oder drei Schritte später stehen geblieben ist – nach Bedenkzeit, die er normalerweise nur dann braucht, wenn er gerade anderweitig abgelenkt ist (was er nicht war). Weil er dann beim nächsten Versuch wieder nachdenklich geschaut und ein anderes Verhalten angeboten hat. Und weil er beim 4. Versuch, als er es richtig gemacht und einen Keks kassiert hat, dieses „AHA!“ im Gesicht hatte und es seitdem kann. Aus diesen Gründen bin ich mir sicher, dass er es noch nicht wusste. Weil Übertragungsleistung nicht so einfach ist. Etwas aus einem bekannten Zusammenhang herausreißen und in einem anderen Zusammenhang wiedererkennen will gelernt und geübt werden und dazu hatten wir noch nicht viel Gelegenheit. Bisher kann Duncan quasi nur buchstabieren, Wörter lesen und in Sätze zusammenfügen kann er noch nicht, das üben wir jetzt erst.

„Warum macht er das?“ Manchmal ist die Antwort auch „er weiß es vielleicht, aber er will es nicht tun“. Weil Pferde oft ganz anders über Belohnung und Bestrafung denken als wir. Für Duncan war es kein Problem, dass ich ihm hinterher gegangen bin und seine Lippe hoch gehalten habe. Ein Problem ist es aber, wenn ich ihn los lasse und er weiß: es gibt dafür keinen Keks. Das ist eine Strafe und so habe ich das Rückwärtsgehen bestraft. Vorher habe ich es belohnt – ohne das zu merken. Bei einem anderen Pferd, das mehr Probleme mit Lippe hochhalten hat, hätte das anders ausgehen können – gut, dann eben kein Keks, Hauptsache Du lässt meine Oberlippe endlich los! Dann hätte ich das Rückwärtsgehen belohnt, wenn ich losgelassen hätte.

So passiert es oft am Anhänger. Das Pferd ist mutig und geht einen Schritt vor. Der Mensch lobt und füttert und denkt, er hat jetzt sein Pferd belohnt. Dann fragt er nach einem weiteren Schritt nach vorn – und das Pferd fühlt sich bestraft. Denn die einzige wirkliche Belohnung wäre der Rückzug gewesen. Weg von dem gruseligen Ding. Egal, ob ich Futter oder Lob bekomme, ich will nur weg. Und wenn die „Belohnung“ für den mutigen Schritt nach vorn ist, dass nach einem weiteren Schritt gefragt wird – dann vielen Dank, da mache ich nicht mit.

Was ein Pferd als Belohnung oder Bestrafung empfindet, kann uns nur das jeweilige Pferd sagen. Zum Glück tut es das aber auch. Denn Verhalten, dass sich lohnt, wird öfter gezeigt und Verhalten, dass bestraft wird, wird seltener gezeigt. Wenn also ein Verhalten öfter auftritt, haben wir es irgendwie belohnt (oder sagen wir: es hat sich gelohnt) und wenn es seltener auftritt, haben wir es bestraft. So einfach ist das. Ob wir denken, wir hätten belohnt oder bestraft, ist dem Pferd herzlich egal. Wir müssen also nur hinschauen, was denn eigentlich wirklich passiert. Es mal Wort für Wort zu sagen kann beim Verstehen helfen. Einfach nur auflisten: das hat mein Pferd getan, das hab ich getan, dann hat mein Pferd das getan und ich hab das getan. Genau wie es helfen kann, ein Wort zu buchstabieren, bevor man einen dämlichen Spruch verwendet.

Nämlich n-ä-m-l-i-c-h

Wer nämlich mit h schreibt ist ganz schön schlau.

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