„ui“ schnauft meine Schülerin „so doll musste ich mich beim reiten ja noch nie konzentrieren!“ Ich muss ein bisschen grinsen. Ich kenne das ja nur zu gut. Denn auch das ist etwas, was beim reiten immer „schlimmer“ wird, je besser man es kann. Da Hilfen immer feiner werden und man immer mehr Details entdeckt gibt es immer mehr zu beachten.
Als ich dann abends mit Duncan und meiner „gestrengen Fahrlehrmeisterin“ das Fahren vom Boden übe, geht es mir ganz genauso. Duncan und ich können das ja beide noch nicht. Ich habe es zwar mit Finlay damals gemacht aber nicht so oft, dass die Griffe schon Routine wären. Ich weiß in der Theorie, was zu tun ist, aber die Praxis birgt ihre Tücken. Duncan hingegen kennt noch nicht einmal die Theorie. Das gut geölte Maschinchen zwischen seinen Ohren läuft auf Hochtouren während wir ungelenk durch die Halle eiern. Und auch mein Gehirn läuft heiß: Anhalten, warten lassen, Keks geben, dann schauen ob er nochmal wartet, bei Bedarf korrigieren, überlegen in welche Richtung es losgehen soll, Leinen entsprechend sortieren und dann blitzschnell entscheiden was ich wann wo und warum wie belohne, die Peitsche im Griff und den Überblick behalten von welcher Seite ich zuletzt gefüttert habe (damit ich abwechsle) und mit einem Ohr den Anweisungen meiner Freundin lauschen.
Duncan und ich kämpfen uns durch, finden gute Momente im Chaos und bewahren uns unseren Humor. Und das ist eben das wunderbare an meinem Pony: er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er kann aushalten, dass Chaos herrscht. Er schafft es, sich zu konzentrieren und rauszufiltern, was das richtige war. Nächstes Mal, das weiß ich aus Erfahrung, wird er Dinge können und wissen von denen ich dachte, dass er nix kapiert hat. Und das liegt daran, dass er so wunderbar unaufgeregt an die Dinge herangeht.
Neulich sprach ich mit einer Schülerin über Prüfungsangst. Ich selbst habe die nicht und weiß daher erst, seit ich Arnulf kenne, was das bedeuten kann. Er weiß Sachen 5 Minuten vor der Prüfung und 5 Minuten danach. In der Prüfung selbst ist alles weg. Kein Zugriff auf die gespeicherte Information. Das Pferd meiner Schülerin scheint ähnliche Probleme zu haben. Er kann den Handwechsel an der Longe genau so lange, bis er ein kleines bisschen Stress hat. Dann aber steht er da und schaut wie eine Kuh wenn es donnert – verschreckt und unwissend. Ich glaube, sein Gehirn blockiert. Also üben wir nicht den Handwechsel, sondern wir üben, dass er mit dem Stress besser umgehen kann. Wir vermeiden nicht jeglichen Stress, sondern wir tasten uns vor: ein bisschen Aufregung, dann wieder entspannen. Und langsam, ganz langsam, wird es besser.
Die Atmosphäre und die Beziehung herzustellen, die das Pferd zum lernen braucht, das ist mir so viel wichtiger als die technische Frage, wie ich eine Übung durchführe. Bei Duncan ist das recht leicht. Er ist jung, hat keine schlechten Erfahrungen gemacht und gehört einer der entspanntesten Rassen an, die ich kenne. Das Pferd meiner Schülerin ist schon etwas älter, hat Arthrose und eine Springpferdekarriere hinter sich. Von Grundentspanntheit sind wir noch etwas entfernt.
Auf der anderen Seite kann es für mich auch beschämend sein, mit Duncan – oder Merlin oder Diego – zu arbeiten. Sie sind oft konzentrierter als ich. Ihnen geht wohl nicht durch den Kopf, wer wieder was komisches gesagt hat, was noch alles zu erledigen ist und was es heute abend zu essen gibt. An vielen Tagen kann ich diese Dinge für den Moment mit meinen Pferden beiseite schieben aber manchmal will das einfach nicht gelingen. Und so habe ich neulich abends beim Fahren üben „warte“ statt „keks“ gesagt und war überhaupt total unkonzentriert und wirr. Aber Sir Duncan war bei der Sache. Mein (noch recht kleiner) Fels in der Brandung ist zwar dann auch etwas tüdeliger als sonst, aber er wird nicht nervös oder unruhig. Trotzdem sehe ich an solchen Tagen wie jung und unerfahren er noch ist und wie viel abhängiger als die „großen“ er von meiner Konzentration ist. Er spiegelt mir sofort wieder, wenn mein Kopf nicht „rund läuft“ wo Merlin und Diego genug Erfahrung haben um zu „überhören“ was in mir vorgeht und nur das wesentliche herauszufiltern. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen, man solle nur dann mit dem Pferd arbeiten, wenn man mental total fit ist. Ich finde, dass das zu oft dazu führt dass unsere Pferde zu viel herumstehen. Lieber mache ich meine Pferde fit, mich auch mal unkonzentriert ertragen zu können. Ich achte dann extra-gut darauf, dass ich nicht ungerecht werde, ich entschuldige mich auch bei ihnen für meine konfusen Gedanken und wenn es möglich ist beschränke ich mich auf einfache Dinge. Aber wenn es nunmal Dienstag nachmittag ist und unser einziger „Fahrunterrichtstag“ dann ist der eben mal wirr. Und das das nicht schlimm ist, das kann mein Pony lernen und es wird ihm und mir noch oft zugute kommen, dass er das kann. Wenn ich nur bedenke, wie furchtbar aufgeregt ich sein werde, wenn wir auf unseren ersten Kurs fahren oder zum Distanzritt! Da ist meine Wirrköpfigkeit am Dienstag eine Lachnummer dagegen.
Ich vertraue darauf, dass nicht nur Duncan in dem ganzen Chaos etwas gutes gelernt hat, sondern dass auch bei mir etwas hängen geblieben ist. Wir haben geübt – und dazu gehört auch mal üben unter widrigen Bedingungen. Nächstes mal dann hoffentlich wieder in voller Konzentration.