Am 29.9.2019 ist Sir Duncan hier eingezogen. Was für ein Tag! Den werde ich wohl nie vergessen. Wie Duncan 4 Stunden auf dem Anhänger stand von Dänemark zu uns und er in diesen 4 Stunden nicht einmal mit dem Kopf geschlagen, mit dem Huf gestampft oder andere Zeichen von Stress gezeigt hat. Er stand neben Diego, hat entweder Heu gegessen oder gedöst und stieg hier zu hause aus, frisch wie der junge Frühling, ohne ein nasses Haar, bereit, sich einzulassen auf was auch immer da kommen mag. Was für ein Start.
Und obwohl die Integration in die Herde dann doch schwierig und langwierig war, haben wir es schließlich geschafft und alle sind beste Freunde geworden. Unsere Herde ist eine großartige Familie für den kleinen Zwerg, sie erziehen ihn mit liebevoller Strenge und jeder trägt durch seinen individuellen Charakter dazu bei, dass Duncan sich bestens entwickelt. Diego ist einfach der beste Pony-Papa den ich mir vorstellen kann und dadurch dass wir ihn haben, konnten Duncan und ich schon ganz schön viel erleben in diesem ersten gemeinsamen Jahr. Denn Diego ist immer dabei wenn es etwas aufregendes neues zu erleben gibt und zeigt Duncan genau wie es geht. Wir sind fast 250km zusammen durchs Gelände gelaufen in diesem ersten Jahr und davon hat Duncan sich geschätzte 235km einfach absolut einwandfrei benommen. Kleinere Diskussionen gehören dazu.
Größere Pannen hatten wir nur eine – als er mir auf dem Reitplatz abgehauen ist. Meine Schuld, ohne Ausrede.
Wir sind unzählige Male Anhänger gefahren, inzwischen auch schon allein ohne Begleitpferd. Wir waren im Trailpark und hatten dort super viel Spaß. Wir haben ein erstes kleines Fahren vom Boden mit vollem Geschirr gemacht. Wir haben gewippt und Fußball gespielt, Plane, Regenschirm, Matratze, Luftballons und den Gartenschlauch sowie den Rasensprenger in Augenschein genommen. Er hat gelernt dass unser kleiner Aufsitzmäher doch ungefährlich ist. Er hat entdeckt, dass ich gern angewiehert werde und tut das ab und zu. Er hat gelernt, unangebunden auf dem Hof zu stehen und zu warten bis ich die Bürste geholt habe ihm einen Keks bringe. Er lässt sich die Hufe besser machen als der Durchschnitt meiner Kundenpferde, er kann sein kleines Reitpad mit Packtaschen tragen und eine Fliegendecke. Er kommt im Straßenverkehr gut zurecht und erträgt alles, was ein Dorf so mit sich bringt von Gartenzäunen über Hunde, Rasenmäher, flatternde Fahnen, Mülltonnen und Hydranten, Gullideckel und alles was eben sonst noch so auftaucht. Kürzlich hat er gezeigt, dass auch Dunkelheit mit beleuchteten Autos, reflektierenden Spaziergängern und der Stirnlampe auf meinem Kopf kein Thema für ihn sind.
Beim Fotoshooting hat er sich benommen wie ein Großer, und genauso benimmt er sich auch wenn sein Spaziergehkumpel mal wieder akute Pubertät hat. Er geht durch fremdes Gelände genauso sicher und entspannt wie durch heimisches und sollte er sich doch mal erschrecken, beschränkt er sich auf einen Satz nach vorn und kommt dann schnell wieder zur Ruhe.
Kurz und gut: er weiß und kann deutlich mehr als er in seinem Alter wissen und können müsste. Und ich bin sicher, dass er es genießt, so viel zu erleben. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er es wunderbar findet, draußen unterwegs zu sein – je länger, je besser. Unser neuer Rekord sind 9,7 km in gut zwei Stunden. Nach den zwei Stunden war Duncan zwar müde, aber sehr zufrieden mit sich und der Welt.
Glasige Augen, wie ich sie von anderen jungen Pferden als eindeutiges Zeichen von Müdigkeit kenne, habe ich bisher nur einmal gesehen und da war dann auch das gut geölte Maschinchen zwischen seinen Ohren einfach mal komplett aus. An allen anderen Tagen war er zwar mal müde, aber immer gut gelaunt und noch ansprechbar.
Die Panne von neulich hat uns irgendwie nochmal mehr zusammengeschweißt – wie das mit Pannen manchmal so ist. Vielleicht weil ich ihn seitdem mit anderen Augen sehe. Ich habe so lang nach einer Grenze gesucht und nun habe ich eine gefunden. Das gibt mir eine Orientierung, wonach ich Ausschau halten darf bei der Arbeit mit meinem Super-Pony und an welchem Punkt ich wirklich aufpassen muss.
Als ich vor ein paar Tagen Abends mit der Stirnlampe in den dunklen Stall kam um die Ponys auf die Weide zu lassen, lag Duncan und schlief. Ich durfte mich dazu setzen und so haben wir eine ganze Weile miteinander verbracht, bis die anderen Ponys der Meinung waren, es sei doch jetzt wirklich Zeit, mal raus zu gehen.
Das Jahr, was nun vor uns liegt, das zwischen dem 2. und dem 3. Geburtstag, wird vielleicht das anstrengendste Jahr für mich. Zumindest wenn es so läuft wie bei Finlay. Denn das war das unstete Jahr, geprägt von Stimmungsschwankungen und Wachstumsschmerzen, Zahnwechsel und ständigem in-Frage-stellen von altbekannten Regeln. Aber vielleicht wird es bei Duncan ja auch anders. Und wenn ich es genau nehme bin ich bei Finlay damals glimpflich davon gekommen. Insgesamt war er auch in der Pubertät sehr harmlos.
Auf einem Spaziergang neulich hatte Duncan anfangs mal solche pubertären Ideen: er ist wieder Rennsemmel und zieht am Strick. Ich sage ihm er soll es lassen und statt des üblichen „ok ok“ kommt ein klares „nö“. Tja, tut mir leid, mein kleiner Ritter aber da werde ich dann schon mal etwas deutlicher. Du hast ja viele Freiheiten aber am Strick ziehen nur so wegen nix das dulde ich nicht. Danach hat er dann herumgestrebert und sich alle möglichen – sehr guten und manchmal lustigen – Taktiken überlegt, wie er an Kekse und Gras kommt.
Danach hatte ich geschlagene 8 Tage keine Zeit, etwas mit ihm zu unternehmen und er hat Euch ja schon gesagt, dass das nicht geht und er mich abgemahnt hat durch erneutes Strick-Gezerre. Allerdings diesmal in etwas anderer Qualität, sehr viel dezenter und er hat auch auf Korrektur deutlich besser reagiert. Grundsätzlich zieht er am Strick, wenn er an Energieüberschuss leidet. Ich hoffe, dass die langen Spaziergänge ihn lernen lassen, dass man Stress auch schön im gleichmäßigen Schritt abbauen kann und dafür gar nicht immer rennen muss. Nach einer Weile hatte er es sich dann abgelaufen und konnte ganz entspannt neben mir her bummeln. Er hat ja schon immer zwischen rennen und bummeln gewechselt, allerdings sind die Phasen jetzt länger geworden.
Ich möchte im kommenden Jahr vor allem weiter viele draußen-Kilometer sammeln. Öfter mal unseren „Hausberg“ rauf und runter klettern mit ihm. Noch mal in den Trailpark. Viel wippen, für die Rumpfmuskulatur (eine gute Beschäftigung für regnerische und stürmische Tage). Auch Stangentraining soll dazu kommen, natürlich vorwiegend im Schritt um die Knochen zu schonen. Im Freedom Based Training möchte ich das Pause machen üben und ich möchte anfangen, neben ihm herumzuhüpfen als erster Anklang für späteres Aufsteigen. Vor allem soll das Fahren vom Boden in unseren Alltag Einzug halten, sobald wir die Basis geklärt haben, und dann möchte ich das im Gelände üben. Ein bisschen Freiarbeit möchte ich auch anfangen. Und natürlich viel gutes Futter ins Pony, damit er schön wächst. Mit dem wachsen hat er es ja so gar nicht eilig. Aber gut, man sagt ja, langsam wachsen sei gesünder als schnell. Ich hoffe, dass es stimmt. Und irgendwann wird er schon groß werden.
Dieses erste Jahr mit ihm war für mich schwierig. Finlay loszulassen und mich auf Duncan einzulassen ist ein langer Prozess gewesen. Vielleicht ist er jetzt abgeschlossen, vielleicht kommt noch ein Rückfall. Ich bin meinem Pony unendlich dankbar, dass er meine seelische Zerissenheit so tapfer ertragen hat. Natürlich fühlt er das alles, was ich an „Gepäck“ mit mir herum schleppe. Die Tatsache, dass Pferde so etwas fühlen und darauf reagieren macht sie ja zu so guten Partnern, Coaches und Lehrmeistern. Dass mein kleiner Jährling all das für mich ausgehalten hat, immer wieder zu mir gekommen ist und mich getröstet hat, sich nicht hat verwirren lassen, wenn ich auf Spaziergängen plötzlich in Tränen ausgebrochen bin oder eine Panikattacke hatte, das ist das größte Geschenk was er mir machen konnte. Und wenn er jetzt pubertär werden sollte, werde ich mir das vor Augen halten: er hat mich ausgehalten in meinem Schmerz, jetzt will ich ihn aushalten in seinem erwachsenwerden, wie auch immer das aussieht.
Und wir werden uns weiter kennenlernen. Es gibt noch so viel zu entdecken und Duncan wird sich noch so stark verändern während er erwachsen wird. Sicherlich gibt es für mich auch wieder viel auszuprobieren an Übungen und Methoden.
Für nächste Woche haben wir ein neues großes Abenteuer geplant, von dem ich Euch dann berichten werde. Ich bin schon sehr gespannt, wie Duncan das finden wird!
Was auch immer unser zweites gemeinsames Jahr uns bringen mag, eins steht fest: wir sind schon jetzt ein gutes Team geworden. In den nächsten Wochen werde ich immer meine alten Blog-Beiträge lesen, zum Beispiel diesen hier https://wordpress.com/block-editor/post/schotten-pony.com/48?retry=1 und ich werde rekapitulieren ob meine Einschätzungen sich bewahrheitet haben oder nicht. Natürlich besteht immer viel Interpretationsspielraum und leider kann man ja nicht die selbe Situation noch einmal haben und eine andere Lösung ausprobieren. Wenn ich mich an die Integration erinnere muss ich sagen: das war verdammt anstrengend für uns alle und ich bin heilfroh, dass sie schließlich doch noch beste Freunde geworden sind. Es hätte ja auch sein können, dass Duncan nur „geduldet“ wird und dann hätte ich ernsthaft überlegen müssen, ob ich das will…. Aber es hat geklappt und unsere „Ponyfamilie“ ist ganz wunderbar harmonisch geworden.
Und das macht mir Mut für die Zukunft: alles, was wir schon erreicht und geschafft haben, steht auf der Haben-Seite. Und da steht schon so viel mehr als ich vor einem Jahr erwartet hätte. Und also schaffen wir auch das, was uns noch bevorsteht.
Mit ritterlichem Mut ins nächste Jahr, mein schöner Sir Duncan!
Ich hoffe, dass Ihr, liebe Leser, auch weiterhin Spaß habt, unsere Berichte zu lesen. Ich freue mich über jeden Like, jeden Kommentar, jeden Abonennten, jeden geteilten Beitrag. Ich wünsche mir von Euch, dass Ihr mich wissen lasst, was Euch interessiert, welche Beiträge Euch besonders gut gefallen und ob vielleicht Fragen auftauchen. Und ich hoffe, ein kleines bisschen von meinem Pony-Glück mit Euch teilen zu können über die Geschichten hier. Danke an Euch alle, Ihr treuen Leser!