Jein

Die „besten“ Momente sind ja immer die, in denen man seine eigenen Ratschläge missachtet, finde ich. Oder vielleicht ist der Moment noch besser in dem man das hinterher merkt und sich selbst mit der flachen Hand vor die Stirn schlägt ob der eigenen Blödheit. „Da könnte ich mich in den A… beißen“ sagen wir dann – warum eigentlich und hat das schon jemals jemand geschafft? Na auch egal. Jedenfalls stand ich neulich mit Duncan auf dem Reitplatz und es klappte nicht so wie ich wollte. Nach einem super Start hatte ich versucht, ihn rechter Hand auf den Zirkel zu schicken – das macht er auch brav, aber er ist mir zu nah und lässt sich nicht raus schicken. Also halte ich ihn an und versuche ihm zu erklären, dass er ein bisschen seitwärts von mir weg gehen soll. Er kennt das schon, aber nur mit dem kurzen Stick und jetzt möchte ich es mit der langen Peitsche üben. Es klappt so halb. Dann nur noch ein Viertel und dann gar nicht mehr. Ich bin ratlos. Erst später wird mir klar, wo eigentlich das Problem war. Und ich hoffe, ich kann mir das merken, was ich gelernt habe. Diesen Gesichtsausdruck von Duncan, der frustriert ist, weil ich nicht sicher bin. Nicht, weil ER sich nicht sicher ist, das stört ihn nicht so. Aber dass ICH mir nicht sicher bin, das nervt ihn total. Als Arnulf ihn mir aus der Hand nimmt um etwas zu probieren, bin ICH dann diejenige die genervt ist. Denn mit etwas „klassischem Horsemanship“ – einfach mal das Stöckchen nehmen und das Pony so antippen dass es reagiert – ist das Thema fix geklärt. Duncan regt sich kurz auf, dann versteht er und macht. Fertig. Aber so will ich das eben nicht mehr. Ja, das ist einfach und geht schnell. Ich hätte es gern netter. Aber ich frage mich schon wieder, ob netter wirklich netter ist. Eine klare Ansage kann nämlich auch nett sein. „Lunch is at one“ (Mittagessen ist um eins) sagt meine englische Lieblingsreitlehrerin dazu. Es ist ihr Beispiel für solche Situationen. Wenn eine Frau einen Kurs abhält und gefragt wird, wann es Mittagessen gibt, wird meist ein bisschen hin und her diskutiert und dann einigt man sich darauf, dass 13 Uhr eine gute Zeit ist. Wenn ein Mann einen Kurs gibt und man fragt nach der Mittagsessenszeit, wird er sagen „Mittagessen ist um eins“. Das sind natürlich Klischees. Es geht nur um folgendes: das Ergebnis ist das selbe, gegessen wird um eins. Einmal hat man Zeit verschwendet mit einem inhaltlich recht sinnlosen Gespräch über eine unbedeutende Entscheidung, einmal hat jemand eine vernünftige Entscheidung für alle getroffen. Es ist nicht falsch, über die Mittagsessenszeit zu diskutieren. Auch dieses Gespräch kann wichtig sein, denn dann fühlen sich die Teilnehmer vielleicht mehr wahrgenommen, mehr wert geschätzt, mehr eingebunden. Das kann ja auch wichtig sein. Die zweite Version ist angenehmer, wenn es um eine schnelle Entscheidung geht und darum, zum Wesentlichen kommen zu können. Und bei Ponys erlebe ich fast immer, dass sie die zweite Variante vorziehen. Ponys sind selbst auch meist mehr „geradeheraus“ als andere Pferderassen. Und sie haben überhaupt kein Problem damit, wenn ihnen jemand sagt, was zu tun ist. Sie finden es eher nervig, wenn jemand unentschlossen um sie herum hüpft und nicht auf den Punkt kommt. Ich habe den Eindruck, dass Unentschlossenheit auf Ponys sehr inkompetent wirkt.

Und was sage ich meinen Schülern immer? Die grundsätzliche Entscheidung, wie viel Druck, wie viele Kekse, welche Ansprüche sind ok, die triffst Du nicht, wenn Du neben dem Pferd stehst. Die triffst Du in Ruhe auf dem Sofa. Oder beim Stall ausmisten. Aber wenn Du neben Deinem Pferd stehst, dann handelst Du. Dann ist der falsche Zeitpunkt um lange zu überlegen. Zur Not brich die Übung ab, hör auf oder mach was anderes und überleg Dir erst wie Du vorgehen willst.

Danke für diesen Rat, Frau Lehrerin. Wäre schön wenn ich ihn dann auch selbst befolgt hätte. Nächstes Mal, so hoffe ich, bin ich wieder besser darin. Einziger Trost: Duncan hat es mir nicht übel genommen. Und er muss eh langfristig auch lernen, damit umgehen zu können, dass ich mal so bin. Sagen wir mal: er ist schon fabelhaft damit umgegangen. Denn er ist einfach stehen geblieben und hat frustriert geschaut. Da hätte es eine Reihe an blöderen Möglichkeiten gegeben und eigentlich keine bessere.

Ich geh dann jetzt mal den Stall ausmisten – und denke dabei noch eine Runde nach.

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