Manchmal staune ich einfach nur über mein Pony. Um diese Jahrezeit – so war mein Gedanke als wir ihn gekauft haben – wird er wohl so weit sein, dass wir erste kleine Spaziergänge wagen. Was? Stattdessen sind wir ständig mit dem Anhänger unterwegs, Duncan trägt bereits das Picknick durch die Gegend und dauernd fragt er, wann es wieder los geht. (Das hört sich an als wären wir jeden Tag unterwegs – de facto ist es ungefähr 2 mal in der Woche). Er marschiert durch fremdes Gelände nicht nur angstfrei sondern mit diesem neugierigen, welterobernden Gesichtsausdruck, geht im vertrauten Gelände schon alleine mit uns los und hat anscheinend nie irgendwelche Sorgen.
Den Reitplatz hingegen haben wir weiterhin nicht betreten. Ich wüsste nicht, was wir dort tun sollten. Führen üben wir unterwegs in allen Varianten. Alles, was es sonst so zu besprechen gibt – mal den Hintern rum nehmen, ein Stück zur Seite treten, stillstehen etc lernt er beim Putzen auf dem Hof und wenn wir eine Bewegung brauchen die er noch nicht kennt, üben wir sie kurz. Dauert in der Regel unter 1 Minute und dann geht das Leben weiter. Alles Anfassen, das Reitpad samt Gurt dulden und andere Kennenlerndinge haben wir im Freedom Based Training im Paddock erledigt. Unsere Herde nimmt mir einen großen Teil der Arbeit ab indem sie Dinge vorlebt (manchmal auch die, die ich nicht so gern sehe wie das Gedrängel am Tor….) und wir rutschen so durch die Grundausbildung ohne dass wir viel davon merken. Schrecktraining machen wir am Mülleimer (siehe Duncans letzter Tagebucheintrag https://schotten-pony.com/2020/06/16/aus-dem-tagebuch-des-sir-duncan-dhu-49/ ) und an der Straße, wo er inzwischen auch den Trecker mit zwei Anhängern gut übersteht. Ich bemühe mich, im richtigen Moment einen Keks ins Pony zu tun und streiten tun wir äußerst selten. Seit das Wetter milder ist, ist Duncan ein sehr sanfter kleiner Hengst, nicht mehr der wilde, der dauernd spielen und rennen möchte. Er wächst so vor sich hin, was sicher auch viel Energie kostet, das kenne ich von Finlay. Probleme hat er damit im Gegensatz zu Finlay aber keine (soweit ich es sehe).
Den größten Beitrag zu dieser fabelhaft einfachen Entwicklung leistet unsere Herde und die Tatsache, dass wir die Ponys am Haus haben. Dazu kommt, dass Duncan aus einer entsprechenden Zuchtlinie stammt und die Züchterin gut mit ihm umgegangen ist – er bringt kein Trauma mit, wie so viele andere junge Pferde. Es macht mich manchmal wütend und traurig, wenn ich sehe, wie Pferd und Mensch das Leben schwer gemacht wird, weil man am Anfang nicht achtsam ist. Züchter aber auch Jungpferdebesitzer sind oft zu bequem, Dinge richtig vorzubereiten. Stattdessen macht man mal schnell – das erste Anhängererlebnis ist die Fahrt ins neue zu hause, wenn der Hufschmied kommt hält man halt mal fest und ansonsten kann das Tier ja ohne Menschen-Kontakt auf der Wiese herumstehen mit den anderen jungen Pferden (oft ohne erwachsenes Pferd, das etwas Halt und Sicherheit bietet). Entschuldigt meine Wut, aber wenn es so läuft muss man sich nicht wundern, dass das Pferd nachher Probleme mitbringt. Ich verdiene viel Geld daran, dass sich im Nachhinein diese Basisprobleme auftun, weil niemand sich die Zeit genommen hat, dem Pferd zu vermitteln dass das Zusammensein mit Menschen eine schöne Bereicherung des Lebens ist und welche Grundregeln dabei bestehen. Gut für meine Geldbörse aber manchmal hart für meine Seele…
Denn wenn ich Pferde wie Finlay, Duncan oder andere achtsam aufgezogene Tiere sehe, dann habe ich den Vergleich wie diese Pferde sind. Welche Ausstrahlung sie haben, wie leicht ihnen das Lernen fällt, wie gern sie mit dem Menschen zusammenarbeiten.
Also: der größte Teil dessen, dass es mit Duncan so leicht ist, ist nicht mein Verdienst. Der Dank gebührt Duncans Züchterin und unserer Herde.
Ich dagegen habe mehr Leichtigkeit entwickelt. Da ich nicht – wie bei Finlay seinerzeit – ein bestimmtes Konzept habe, kann ich mich einfach dem anpassen was Duncan so tun möchte. Und da er so eine ausgeprägte Mimik hat und so ein offenherziges Wesen zeigt er ganz deutlich was er gerne möchte. Und so sind wir in eine Aufwärtsspirale geraten: wir tun das, was er möchte. Dann kommt vielleicht ein Moment wo ich mal aus Sicherheitsgründen etwas anderes tun muss, aber weil er grundsätzlich gut gelaunt ist und mich gern hat, macht er mit und stellt fest dass das nun auch nicht so schlecht ist. Sein Repertoire an Dingen die er gern tut, erweitert sich. Und schon wird es noch leichter, immer nur zu tun was er gern tut. Und ich beobachte fassungslos, wie leicht das alles ist.
Und manchmal macht es mich traurig: wenn es so leicht sein kann, warum muss es dann für viele oft so schwer sein? Mein Beruf bringt das wohl so mit sich. Ich mutiere nach und nach mehr zur Therapeutin denn zur Lehrerin. Es interessiert mich immer weniger, was Pferd und Mensch können, denn mir wird immer wichtiger, dass beide zusammen einfach glücklich sein können.
Schon seit vielen Jahren habe ich keine Pferdeshow mehr besucht und niemand beeindruckt mich mehr mit Piaffen, Freiarbeit, Zirkustricks oder ähnlichem. Zu oft habe ich beobachtet, dass das Glück dabei auf der Strecke blieb. Das heißt nicht, dass diese Dinge schlecht sind – ich tue sie ja auch. Aber das Glück ist mir wichtiger. Als ich verstanden hatte, dass mein Merlin ausreiten nunmal nicht leiden kann (aus verschiedenen Gründen) habe ich es gelassen und er ist mir dankbar dafür. Unser Glück liegt auf dem Reitplatz.
Mit Finlay wollte ich meinen Traum von der perfekten Freiarbeit erfüllen – und habe ihm damit keinen Gefallen getan. Mit Duncan will ich einfach nur glücklich sein und es ist mir egal, wo und wie.
Das klingt so simpel – wollen wir das nicht alle? Aber glücklich sein kann Arbeit verlangen. Glücklich ist man manchmal nicht von allein. Die Glücksforschung beim Menschen zeigt, dass das Glück oft an anderen Stellen liegt als da, wo wir es vermuten. Dass wir etwas investieren dürfen, um glücklich zu sein.
Es macht mich glücklich, wenn ich Pferd und Mensch in Harmonie miteinander sehe. Was auch immer die beiden zusammen tun – mag es nur sein, dass sie von A nach B gehen oder dass ein Pferd die Hufe gibt – wenn ich sehe, dass beide Freude aneinander haben, dass das Pferd verstanden hat was es tun soll und das auch gut tun kann (oder sich fröhlich bemühen kann es gut zu tun), dann bin ich zufrieden.
Viele meiner Schüler entschuldigen sich, dass sie so wenig können. Eine meinte sogar, es sei mir bestimmt sehr langweilig, sie zu unterrichten, weil sie so langsam sei. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein! Im Gegenteil: ich möchte niemanden unterrichten, der dem nächsten Trick oder der nächsten spektakulären Lektion hinterherrennt und dabei sein Pferd aus den Augen verliert. Ich liebe meine Schüler dafür, wenn sie Freude in den Kleinigkeiten entdecken und bereit sind, einen großen Haufen Arbeit (und Geld) zu investieren in die Dinge die wir oft als so selbstverständlich betrachten: der Pferd von der Koppel holen, entspannt führen, entspannt Anhänger fahren, sich beim reiten sauber lenken lassen ohne die Balance zu verlieren. Und wenn ich sehe, wie beide zueinander finden in den kleinen Dingen, dann strahle ich über alle Backen und bin voller Stolz. Da kann keine Lektion der Welt mithalten, wenn sie nicht das selbe Glück in beiden Gesichtern erzeugt.
Ich kann Euch aus eigener Erfahrung versichern: wenn unsere Pferde tot sind (und das wird früher oder später nunmal der Fall sein) bleibt uns ein Gefühl zurück. Erinnerungen – ja. An Leistungen und Erlebnisse – auch. Aber vor allem das Gefühl: was hat unser Pferd uns geschenkt?

Finlays Geschenk ist durch den harten Abschied noch immer vergiftet. Aber der sanfte, leichte Abschied von unserer Hündin Sali lässt mich staunend und ganz ohne Traurigkeit zurück: sie hat mir 16 Jahre Glück geschenkt. Sie war selbst so glücklich und so fröhlich und das bleibt in mir zurück und macht mich unendlich reich. Sie hat nichts besonderes geleistet, keine Preise gewonnen, keine Shows gemacht. Sie war nur einfach jeden Tag da und wir waren jeden Tag glücklich, uns zu haben. Und jetzt, wo sie nicht mehr da ist, finde ich heraus, dass ich dem nicht hinterhertrauere, denn ich habe einen großen, vollen Topf Glück und der ist immer noch da und bleibt für immer voll. Und es ist dieses Glück, dass ich mit Duncan suche. Es liegt in der Einfachheit einer guten Basis, fernab von Leistung. Und wenn ich Glück habe, habe ich später 30 Jahre voller Glück gesammelt, die mir niemand mehr nehmen kann.
So wunderbar geschrieben – ich bin glücklich, von dir und deinen Ponys hier lesen zu können – alles Liebe für euch ❤️ – und versuche, auch in mein Leben etwas mitnehmen zu können
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Liebe Zuselfee, ich bin tief berührt über Deine weisen Worte. Ich kann es nicht fassen, dass Du „nur“ von dem Zusammenleben mit Pferden sprichst. Ich finde dasselbe gilt für das Zusammenleben und Arbeiten mit Menschen und es steckt in Deinen Text soviel Liebe und Weisheit. Das was im Leben zählt hast Du auf den Punkt gebracht. Mehr ist mir nicht möglich zu sagen. Einen herzlichen Gruß, die Gärtnerin mit dem gruenen Daumen
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