Die beste Mutter der Welt (meine) lässt uns zu Ostern immer Naschi zukommen. Damit wir nicht vom Fleisch fallen und unsere gute Laune behalten!
Dieses Jahr ist ja aber alles anders. Meine Mutter meidet (zum Glück) den Supermarkt – kein Naschi-Einkauf – und sie möchte dass wir das auch tun, also ist es mit einer Geldspende auch nicht getan, denn dann wären wir ja versucht, einen Naschi-Einkauf zu tätigen!
Also wird meine Mutter kreativ. Und was fällt ihr da ein? Dass sie uns auch in der Adventszeit immer Naschi zukommen lässt und zwar vom Lebkuchen-Lieferanten!

Was tut meine Mutter also? Sie lässt uns Lebkuchen zu Ostern liefern!
Was für ein Glück dass ich sowieso immer diejenige bin, die das ganze Jahr über Lebkuchen essen könnte (ja ich bin auch die, die im September die ersten Lebkuchen aus den Supermarkt-Regalen mitnimmt – nur falls Ihr mal wissen wolltet wer die dann schon kauft!). Und was für ein doppeltes Glück, dass der Lebkuchen-Lieferant anscheinend meiner Meinung ist: Lebkuchen geht immer! Und also sogar liefert.

Und Ihr wisst: für mich hat alles immer etwas mit Pferden zu tun – sogar das.
Pferdeausbildung funktioniert nämlich genau so. Man nehme eine Situation in der das Pferd nicht weiß was zu tun ist (wie meine Mutter: das bisherige Konzept zu Ostern funktioniert dieses Jahr nicht). Nun wird dieses Pferd Verhaltensweisen ausprobieren (sagen wir mal: wenn es ein gut ausgebildetes Pferd ist, das weiß, dass es sich lohnt, Verhaltensweisen auszuprobieren und das keine Angst hat, dabei Fehler zu machen). Im Gegensatz zu meiner Mutter, die Verhaltensweisen lediglich im Kopf als Szenario durchspielt und dann die beste aussucht, wird das Pferd ganz real dieses oder jenes Verhalten zeigen um zu sehen wie wir darauf reagieren. Im NLP nennt sich dieses Verfahren „Test-Operate-Test-Exit“ also feststellen was das Problem ist, eine Handlungsweise probieren, Nachtesten ob das Problem jetzt gelöst ist. Wenn das Problem nicht gelöst ist, eine andere Handlungsweise probieren, wieder Nachtesten etc so lange bis das Problem gelöst ist.
Ich erkläre Euch das an einem Beispiel. Ich rufe Duncan. Er weiß: ich habe einen Keks für ihn. (test: er stellt fest, dass er den Keks haben will) Aber er weiß noch nicht genau, wie er sich verhalten soll, wenn ich ihn rufe. Er bleibt stehen und schaut betont weg. (Operate: kriegt er so den Keks? ) Ich rufe ihn wieder (Test: er stellt fest, dass er den Keks nicht bekommen hat). Er kommt ein Stück auf mich zu (Operate: vielleicht bekommt er den Keks jetzt?) aber er hält zu früh an, ist noch zu weit weg. (test: er hat den Keks noch nicht bekommen.). Er bleibt dort stehen und schaut betont weg (operate: vielleicht klappt wegschauen jetzt, wo er näher dran ist?). Er bekommt den Keks immer noch nicht (test: kein Keks). Operate: er kommt näher. Er bekommt den Keks (Exit: Problem gelöst). Er merkt sich: rufen = kommen = keks.
Genau so läuft es auch im Kopf meiner Mutter ab, nur dass keine reale Handlung erfolgt. Sie spielt Möglichkeiten durch und findet schließlich eine, die funktioniert.
Nun ist es so: je länger wir leben (und meine Mutter ist einen Hauch älter als Sir Duncan) desto mehr Erfahrung sammeln wir mit diesem Prinzip. Je mehr Erfahrung wir sammeln, je mehr Probleme wir in unserem Leben schon gelöst haben, desto mehr Lösungsmöglichkeiten stehen uns zur Verfügung.
Das ist etwas was ich beim Unterrichten häufig beobachte: ein guter Lehrer hat das Problem, dass sein Schüler mit seinem Pferd hat, schon öfter gesehen und verschiedene (!) Lösungsstrategien entwickelt und ausprobiert (ein schlechter Lehrer wendet einfach stumpf immer die selbe Strategie an und wenn sie nicht funktioniert macht er mehr davon). Der gute Lehrer weiß, welche Lösungsstrategien bei welchem Pferd und welchem Menschen funktioniert haben, also auch, welche häufig funktionieren und welche selten, welche bei diesem Charakter eher funktionieren oder bei jenem. Er wird dann die erfolgsversprechendste Lösung probieren. Sollte die nicht klappen, hat er aber auch noch andere Lösungen in petto und das ist das, was wir „Erfahrung“ nennen.
In meiner NLP-Ausbildung habe ich gelernt, für ein Problem 10 Lösungen zu finden, mögen sie auch noch so absurd sein. Es schult unsere Kreativität, das zu tun und wir werden flexibler in unseren Strategien. Ich lade Euch ein, das auch öfter mal zu tun, es macht Spaß und ist gut fürs Gehirn!
Sir Duncan jedoch mit seinem kleinen Erfahrungshorizont hat noch gar keine 10 Lösungsmöglichkeiten parat. Er wird also zunächst immer die zwei oder drei Dinge ausprobieren die er kennt. Am Anfang kannte er nur eine Lösung um an Futter zu kommen: rückwärts gehen. Dann haben wir die zweite Lösung erarbeitet: stehenbleiben (daraus hat er „stehenbleiben und wegschauen“ gemacht, weil ich das wegschauen unbewusst mit belohnt habe). Jetzt erlernt er eine dritte Möglichkeit: zu mir kommen. Und dann fängt es an interessant zu werden, denn zu mir kommen beinhaltet letztlich dann auch, rechtzeitig stehenzubleiben. Ich möchte ja nicht umgerannt und auch nicht überholt werden. Er soll kommen und in gutem Abstand vor mir stehenbleiben. Durch sein test-operate-test-exit-Verfahren kann er jetzt herausfinden, was ein guter Abstand ist.
Dann wird er weiter Details erproben: wie schnell soll ich kommen, wann soll ich NICHT kommen bzw wann lohnt sich kommen nicht, mit welchem Gesichtsausdruck soll ich kommen etc.
Das interessante für mich ist, dass Pferde – wenn sie gut ausgebildet wurden – dieses Vorgehen von allein anwenden. Sie werden stets neue Verhaltensweisen ausprobieren und immer noch versuchen, Dinge zu verbessern.
Menschen hingegen tun das nicht immer. Menschen sagen oft zu mir „das kann ich nicht“ und sind geneigt, dann aufzuhören, es zu probieren. Häufig bin ich diejenige, die dann in der Mitte vom Reitplatz steht und sagt „probiere es nochmal“ oder „probiere etwas anderes“.
Und dann denke ich an meine Mutter. Meine Mutter war oft sauer wenn ich gesagt habe „ich kann das nicht“. Ich war dann auch sauer, denn ich wollte Hilfe und sie hat sie mir verwehrt, weil sie fand, ich könnte es doch nochmal probieren oder mir eine andere Lösung überlegen.
Ein schmaler Grat – wann helfen wir, wann lassen wir unser Pferd „auflaufen“ und selbst probieren? Auch bei Schülern: wie oft lasse ich meinen Schüler das probieren bevor ich eingreife? Heute neige ich dazu, Schüler und Pferde viel probieren zu lassen. Aber manchmal begegnen mir Pferde oder Menschen, die viel Unterstützung brauchen, die noch wenig eigene Lösungsstrategien haben. Deren Erfahrungshorizont so klein ist wie der von Klein-Duncan. Dann muss ich helfen. Lösungen vorschlagen, Aufgaben vereinfachen. Manchmal staunen meine Schüler über die kreativen Ideen die ich habe. Manchmal staune ich, dass sie Ideen kreativ finden, die ich ganz offensichtlich fand. Manchmal haben aber auch meine Schüler die kreativen Ideen und ich kann etwas von ihnen lernen.
Sir Duncan fördere ich bewusst darin, es selbst zu probieren. Und schon jetzt – viel früher als ich es bei Finlay getan habe – arbeite ich mit ihm daran, dass nicht immer alles gleich ist. Die Lösung für Futter ist nicht immer stehenbleiben. Und nicht immer rückwärts gehen. Sondern situationsabhängig auch mal herkommen. Und er fängt an zu merken, dass die Gleichung manchmal ein paar Unbekannte enthält und das Ausprobieren erlaubt ist und zum Ziel führt. Dann holt er sein Klemmbrett raus und macht sich Notizen.
Und ich denke an meine Mutter und an Lebkuchen zu Ostern und daran wie wichtig es ist, dass wir uns darin üben, Lösungsmöglichkeiten zu finden: möglichst 10 Stück für ein Problem, mögen sie noch so absurd sein. Und dass wir unserem Pferd erlauben, auch mal absurde Lösungsmöglichkeiten auszuprobieren, kreativ zu sein und auszuprobieren.
Und jetzt, Ihr Lieben, wünsche ich Euch schöne Ostern. Ich werde dieses Wochenende nicht nur Ostereier essen sondern auch lecker Lebkuchen.
Bleibt gesund!