Schöne Bescherung

„KEKSE! Du hast KEKSE in der Tasche! Ich rieche es ganz genau!“

„Duncan, könntest Du bitte… „

„KEKSE! Ich will diese KEKSE! Jetzt gleich sofort!“

„Duncan, ich möchte… „

„KEKSE! KEKSE! KEKSE! Sie sind da in Deiner Tasche! DA!! Gib sie mir! KEKSE!!“

„Es gibt jetzt keine…..“

„Sie sind da! KEKSE! Ich weiß doch dass sie da sind! KEKSE! Geh nicht weg! Ich lauf Dir einfach hinterher, Du musst mir diese KEKSE geben, jetzt sofort unbedingt!“

Er ist nicht ansprechbar. Sein Gehirn ist für nichts anderes zu haben. Kekse!

Es dauert lange, bis ich ihn so weit heruntergedreht habe, dass er mir einigermaßen zuhören kann. Er hat „vergessen“, dass er stehenbleiben soll wenn ich stehen bleibe. Er hat „vergessen“ dass es nichts nützt, in die Tasche zu beißen. Er hat „vergessen“, dass nur zuhören zum Erfolg führen könnte. Er hat auch „vergessen“ dass es in der Bodenarbeit gar keine Kekse zu holen gibt.

Bisher hat Duncan nur recht spärlich Kekse von mir bekommen. Beim Füttern habe ich ihm welche gegeben, als Zwischenlob für kleine gute Ansätze bevor er dann als Jackpot die Schüssel bekam wenn er komplett richtig rückwärts gegangen war.

Auch so hat er mal den einen oder anderen Keks bekommen, manchmal weil die anderen einen bekommen haben und er so nett gefragt hat (das dürfte so 3 mal der Fall gewesen sein), zweimal fürs Pinkeln auf dem Spaziergang, einmal für Hufe geben, ein paar in Folge für stehenbleiben während ich um ihn herum gehe.

Und dann war Weihnachten. Und Pony-Bescherung. Es gab hingeworfene Möhren zum selbst suchen und dann … ja dann gab es Kekse aus der Hand. Vor allem damit wir schöne Fotos bekommen. Und dieses eine Mal, diese eine Gelegenheit zu der es ungeplant und unverdient Kekse gab, die hat aus meinem sonst so entspannten, freundlichen Jährling ein kleines Monster gemacht. Eines von diesen Monstern, die nicht denken können, wenn sie etwas essbares wittern. Eines von diesen Keks-Krümel-Monstern, die nur das eine im Kopf haben und alles andere vergessen.

Diese eine einzige Gelegenheit hängt uns jetzt nach. Und ich habe wieder etwas gelernt.

Nun brauche ich einen neuen Keksplan. Ich möchte nicht mit vielen Keksen arbeiten, aber es gibt schon Stellen, an denen ich es als die einfachste, beste Methode empfinde. Zum Beispiel beim „warte“, mein Kommando für „bleib da stehen und bewege keinen Huf von der Stelle“. Es ist praktisch, wenn dieses Kommando so ins Pferdegehirn zementiert ist, dass das Pony einfach immer und überall so lange wartet, bis der Keks kommt. Und auch sonst bekommen unsere Ponys ja durchaus Kekse, aber eben nur für die besonders guten Leistungen, nicht pauschal bei dieser oder jener Übung und normalerweise auch nicht im Rahmen von positiver Verstärkung zum Formen von Verhalten (außer z.B. beim waschen im Intimbereich oder beim Zähne anschauen).

Aber Duncan weiß natürlich noch nichts von unseren Keksregeln und er stellt mich vor Herausforderungen, wegen seiner Eigenart, Verhalten ins unendliche zu steigern. So geht er zum Beispiel endlos rückwärts, während ich versuche, ihm das Halfter vom Kopf zu fummeln. Weil ich ihn mit dem Halfter zu seiner Schüssel geführt habe und er nun davor steht und rückwärts das einzige ist, was er bisher im Repertoire hat, um Futter zu bekommen. Ich will mir also sehr gut und sehr genau überlegen, wie ich weiter vorgehe. Finlay war da ja das Gegenteil, er hat Verhalten fast nie gesteigert, sondern immer eher überlegt, ob weniger nicht auch noch genug wäre. Auch Merlin neigt nicht dazu, Verhalten so sehr zu steigern und natürlich ist das Verhältnis zwischen Merlin und mir so gefestigt, dass immer irgendeine Kommunikation möglich ist. Außerdem ist Merlin so alt und so zauberhaft dass er sowieso dauernd Kekse bekommt, verdient oder nicht. Da bin ich eine der inkonsequentesten Pferdemamas der Welt. Aber bei Duncan kann ich mir das eben einfach noch (lange) nicht leisten. Das ist so ein Altersprivileg, da darf er mal noch mindestens 20 Jahre drauf warten. Bis dahin heißt es: eine Strategie muss her.

Ich erinnere mich an den ersten Kurs mit Finaly bei Amanda Barton. Amanda sagte zu mir „er hat noch nicht ganz eingesehen, warum Du bestimmen sollst. Fakt ist: wenn ein Pferd zum Reitpferd wird, wird der Mensch fast alles entscheiden. Das Pferd muss sich damit wohlfühlen, das ist ein Lernprozess. Achte darauf, dass es ihm wirklich immer sehr viel besser geht, wenn er das tut, was Du ihm gesagt hast. Dann wird es auf die Dauer gern tun was Du sagst“.

Hier liegt bei Duncan das Thema. Der Ritter – genau wie Finlay – entscheidet selbst, was er gut gemacht hat. Und wenn er findet, dass er das gut gemacht hat, dann bekommt er bitteschön seine Belohnung, aber zügig. Warum soll ICH denn so etwas wichtiges entscheiden dürfen?

Natürlich ist noch gar nicht genug Zeit vergangen als dass er die Erfahrung hätte machen können, dass es ihm besser geht, wenn er tut, was ich ihm sage. Außerdem ist er in diesem Punkt dann eben doch mal ein ganz normaler Jährling: Frustrationstoleranz und Geduld hat er einfach noch nicht entwickelt. Was er jetzt entwickelt hat, sind Ideen, wie er mich da hin manipulieren könnte, das zu bekommen, was er will. Und manche von diesen Ideen sind eben Blödsinn.

Manche sind aber auch ausnehmend schlau.

Zum Beispiel hat er schon genau verinnerlicht, dass es fürs Pinkeln beim Spaziergang einen Keks gibt. Folgerichtig bleibt er jeweils nach den ersten 50 Metern schon mal stehen und erledigt sein Geschäft. In einer Vorahnung beschließe ich, nur jeweils das ERSTE Pinkeln zu belohnen. Mir schwant nämlich übles. Und richtig: als Sir Duncan mächtig Frust schiebt, weil er nicht grasen darf, hält er an und macht noch ein winziges Pfützchen. Der Blick den er mir zuwirft spricht Bände und ich muss ziemlich lachen. Einen Keks gibt es trotzdem nicht.

Jetzt wird es für mich wieder interessant: wie schnell wird er die Taktik jeweils wechseln? An welchem Verhalten wird er stur festhalten, wo überlegt er sich etwas neues? Meine Herausforderung liegt darin, gute neue Strategien zu entwickeln. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, wie komplex er denkt. Manche Pferde sind da ja recht einfach gestrickt und gehen immer nur schnurgerade Denkwege: auf A folgt B. Also mache ich mehr von A, gibt mehr Keks. Oder ich versuche mal C.

Andere denken deutlich komplizierter. Eine Stute in meinem Kundenkreis, die partout nicht stillstehen mochte, hatte es zum Beispiel raus, ihre Besitzerin so lange zu nerven, bis diese sie „zur Strafe“ rückwärts geschickt hat. Erst als ich sie darauf hinwies, dass das genau das ist, was das Pferd will (sich bewegen, egal wie) hat die Schülerin verstanden, wie schlau ihr Pferd Situationen einfädelt.

Um wie viele Ecken wird Duncan denken? Selbst wenn er jetzt noch recht harmlos daher kommt, weiß ich: das wird sich noch entwickeln in den nächsten Jahren. Und so wie er sich bisher präsentiert vermute ich, dass das gut geölte, PS-starke Maschinchen zwischen seinen Ohren so manche interessante Idee ausspucken wird.

Beim Hufe geben zeigt sich derweil, wie sehr er auch ohne Keksbelohnung alles richtig machen möchte. Er fängt jetzt an, mir die Hinterhufe „anzureichen“. Vorne hat er Schwierigkeiten, was ich darauf zurückführe, dass er so überbaut und vorhandlastig ist im Moment. Aber hinten entlastet er jeweils schon den Huf, den ich haben möchte. Solche Dinge tut er mit absoluter Selbstverständlichkeit und erwartet keine Lobeshymnen. Da ist er nun wieder völlig bei sich und freut sich über freundlichen Kontakt, von dem er sowieso nie genug bekommen kann.

Ein paar gemeinsame Einheiten später hat sich das Keks-Thema wieder beruhigt. Sir Duncan ist wieder so wie er vorher war und ich bin schlauer geworden und überlege stets sehr genau, wofür es wohl einen Keks geben mag. Es wird vorerst die Ausnahme bleiben und ich werde auf jeden Fall versuchen, diesbezüglich etwas unberechenbar zu sein für ihn, so dass er nicht an bestimmten Stellen unbedingt auf seinen Keks besteht, sondern ihn als Bonus versteht, der ihm anzeigt, wann er ganz besonders wunderbar war. Die Übungen, die ich regulär mit Keks mache (warten, Intimbereich reinigen, Zähne gucken etc) schiebe ich noch ein bißchen auf, bis ich sicher bin, dass wir das händeln können. Und bis zur nächsten Weihnachts-Bescherung dauert es ja noch ein paar Tage….

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