Label A

Warnung: Dieser Artikel handelt von Waschmaschinenlabeln und enthält groben Unfug!

A wie Abenteurer

Duncan hat also letzte Woche seine Furchtlosigkeit unter Beweis gestellt. Weder Plane noch Matratze konnten ihn irgendwie beeindrucken. Mehr noch: er selbst hatte sofort wieder die Idee sich das alles anzusehen. Hilfe oder Aufmunterung braucht er für so etwas nicht. Meine Freundin steht daneben, lacht genauso schallend wie ich und sagt dann „Label A++“.

Sie meint damit das Abenteurer-Label. Finlay hatte A wie Abenteurer und Duncan sieht nach A++ aus. Wie bei Waschmaschinen, die das noch bessere Energielabel haben. Solche, die quasi fast schon Strom erzeugen, während sie waschen. Heimlich stelle ich mir einen solchen Aufkleber auf Sir Duncans Hintern vor und muss schon wieder kichern.

Dann denke ich an das Ellie-Abzeichen aus dem Film „Oben“ und habe Tränen in den Augen. Vielleicht würde Finlay, wenn er noch da wäre, Duncan das Abzeichen verleihen. Der Film wird für mich auf magische Art immer mit Finlay und Duncan verbunden sein – auch wenn viele von Euch meine Vorliebe für Kinderfilme vielleicht schräg finden.

Label A++, mal sehen ob sich das bewahrheitet. Es ergeht der Beschluss, bald einen ersten Spaziergang zu wagen. Aber vorher passiert noch etwas ganz wunderbares:

A wie Adoption

Als wir Duncan gekauft haben, war meine größte Sorge, was Diego davon halten würde. Finlay war Diegos „Adoptivsohn“, sein wichtigster und bester Freund, vielleicht der beste Freund den er je hatte. Als Finlay uns verlassen hat, war das für Diego mit Sicherheit ein noch viel härterer Schlag als für mich. Aber Diego, stark wie er ist, hat sich nicht viel anmerken lassen. Er hat weitergemacht, still getrauert, die Herde weiter geführt. Nur, was würde er sagen, wenn jetzt so ein Zwerg hier einzieht? Wäre er bereit, noch einmal „Papa“ zu sein? Könnte er sich noch einmal darauf einlassen, einen kleinen Rotzlöffel großzuziehen und bei der Ausbildung so wunderbar und großartig zu helfen wie er es bei Finlay getan hat? So viel Sicherheit zu geben, so ein großes Vorbild zu sein?

In den letzten Wochen hat Diego sich von allen Ponys hier am wenigsten um Duncan geschert. Er hat ihn fast ignoriert, ihm nur gelegentlich gesagt, dass er weggehen soll, ihn aber auch viel eher mal nah bei sich akzeptiert als Gatsby das getan hat.

In seiner ruhigen, nachdenklichen Art kam er mir immer vor als würde er sich das erstmal anschauen. Als bräuchte er Zeit, sich zu überlegen, wie er damit umgeht. Oder vielleicht als bräuchte er einfach nur etwas Zeit – wie wir alle – um zu akzeptieren, dass Finlay nicht mehr da ist, dass Duncan dafür jetzt hier bei uns ist und dass das ja etwas Gutes sein könnte. Duncan hat sich Diego nicht aufgedrängt. Im Gegensatz zu Finlay, der damals unbedingt sofort mit Diego befreundet sein wollte (vielleicht auch weil er anfangs nur Merlin und Diego als Gesellschaft hatte), hat Duncan sich eher unsichtbar gemacht. Er ist Diego zwar gefolgt und immer wieder in seiner Nähe gewesen, aber ganz unauffällig, ganz anspruchslos. Nur so da sein, das wollte er.

Und dann, letzten Donnerstag, nahm die Magie ihren Lauf.

Und hier kommt der versprochene grobe Unfug ins Spiel, denn jetzt erzähle ich Euch die vermenschlichte Version der Geschichte:

Unter Zeugen (nämlich in Anwesenheit von Caruso und in Sichtweite von mir) wurde am 7.11.2019 der offizielle Adoptionsvertrag unterschrieben. Der Vertrag wurde verlesen und von den Parteien gehört. Jede Partei hat ihre Rechte und Pflichten verstanden und eingewilligt. Sir Duncan Dhu of Nakel ist jetzt der rechtmäßige Sohn von Diego dem Großen. Sir Duncan Dhu verpflichtet sich, auf seinen Vater zu hören und zu tun was er ihm sagt. Diego der Große verpflichtet sich, auf seinen Sohn aufzupassen und ihm die Welt zu zeigen und zu erklären.

Mit ein paar liebevollen Nasen- bzw. Oberlippenstübern wurde das ganze dann besiegelt.

Über viele Minuten lief dieses Gespräch, ganz ruhig, ganz unspektakulär und doch für mich vielleicht der bisher wichtigste Moment seit Duncan hier ist.

Ich weiß nicht, ob es das bei Pferden gibt: diesen Moment in dem sie entscheiden, welche Beziehung sie zueinander führen wollen. Ob alles wächst, ganz still und leise, oder ob da dieser Augenblick ist, wie vielleicht bei uns eine Hochzeit, eine Adoption oder ein erster Kuss.

Es sah für mich jedenfalls so aus wie ein Augenblick der Besiegelung. Ein Moment, in dem sich etwas geändert hat, in dem etwas festgeschrieben wurde, was sich vorher nur leise angebahnt hat. Ein Gespräch darüber, wie man die Zukunft gemeinsam gestalten möchte, wie man zusammenleben möchte, in welchem Verhältnis man zueinander steht.

In meinem Herzen ist mehr Frieden eingekehrt seit ich die beiden so gesehen habe. Vielleicht können wir alle jetzt heilen – Diego, ich und natürlich auch die anderen, die alle mehr oder weniger unter Finlays Tod und seiner Abwesenheit leiden. Wenn ich weiß, dass die anderen Ponys einverstanden sind mit meiner Entscheidung, Duncan hier her zu holen, dann können wir wieder gemeinsam unser Paradies neu aufbauen.

Nicht dass jetzt plötzlich alles nur noch Friede-Freude-Eierkuchen wäre. Die Herde muss sich trotz allem noch finden – neulich haben Diego und Gatsby gemeinsam Duncan nochmal so in die Ecke gedrängt dass der durch den Zaun marschiert ist. Blöder Fehler meinerseits, ich hatte eine doofe Situation geschaffen.

Aber seit ich Duncan und Diego bei der „Adoption“ gesehen habe, bin ich endgültig sicher: das wird. In einigen Monaten wird alles seine Ordnung gefunden haben.

A wie Ausflug

Nachdem also nun die Adoption abgeschlossen ist, wird es Zeit für ein echtes Abenteuer. Bei schönstem Herbstwetter wagen wir einen ersten kleinen Spaziergang.

Als ich Duncan gekauft (aber noch nicht hierher geholt hatte) habe ich zu einem Freund gesagt: naja, der wird hier erstmal nur sein, der sagt mir dann schon bescheid, wenn er was tun möchte.

Ich war sicher: Duncan wird mich wissen lassen wann er beschäftigt werden möchte. Und er hat es mich wissen lassen. War halt ETWAS früher als ich gedacht hätte…. Jedem hätte ich abgeraten, nur 6 Wochen nach Einzug mit einem Jährling spazieren zu gehen. Was für eine Schnapsidee! Jedem Pferdebesitzer hätte ich gesagt „lass den mal in Ruhe der hat genug zu tun“. Aber Duncan steht da und hat Lust, ganz eindeutig. Es soll bitte losgehen.

So marschieren wir also los. Bis zur ersten Abzweigung, das sind so 500 Meter. Dort etwas Gras naschen, dann wieder nach hause. Das Ganze in Begleitung von Adoptiv-Papa Diego und Arnulf.

Duncans Öhrchen arbeiten die ersten Minuten auf Hochtouren. Er möchte überall hinschauen, geht dabei aber ganz gut weiter. Ich lasse ihn gehen wie er mag und schaue immer da hin wo er hin schaut. Ich versuche, diese aufregende Welt durch seine Augen zu sehen und als er eine Stelle entdeckt, an der anscheinend Wildschweine den Weg gekreuzt haben, bin ich mal wieder beschämt über meine mangelhafte Wahrnehmung solcher Dinge. Dort möchte er stehen bleiben und schauen, das machen wir dann auch.

Später schaltet er zeitweise ab, klappt die Ohren ein und dackelt neben mir her. Informations-Überladung denke ich mal.

Als wir an der Grasstelle anhalten, ist er zunächst überrascht, dass er grasen darf. Arnulf geht ein Stück weg um zu fotografieren und plötzlich findet Duncan es bedeutend wichtiger, zu Arnulf (nicht Diego!) zu gehen, als zu essen. Schnurstracks hinmarschiert und dann dort weiter gegrast. Noch selten habe ich ein Pony gesehen, dem der Kontak zu Menschen so viel bedeutet.

Nach einer kleinen Diskussion, warum wir nach wenigen Minuten schon wieder aufhören mit Grasen, geht’s dann wieder nach hause. Duncan schnuft mit der Nase am Boden und versucht, mich auszutricksen indem er vom Schnufen direkt zum Essen übergehen möchte. Klappt aber nicht, ich kenne diesen Trick zu gut. An der Wildschwein-Stelle bleiben wir wieder stehen und schauen.

Ich habe keinen Bedarf, ihn irgenwie zu beeinflussen (außer dass jetzt nicht gegrast wird). Er geht, ich gehe mit. Mal bin ich rechts, mal links, mal vorne, mal weiter hinten. Ich fühle mich absolut sicher, sehe keinen Grund, etwas zu ändern. Als ein Auto von hinten kommt, drehe ich Duncan um und lasse ihn schauen. So findet er das Auto uninteressant, demnächst werden wir dann probieren was passiert wenn Autos von hinten kommen – das war für Finlay sehr lange ein Thema.

Auf den letzten Metern wird Duncan flott. Vielleicht habe ich es heute mal geschafft, dass er genug Input hatte und müde ist?

Ich beschließe, ihn mindestens so lange in Ruhe zu lassen, bis er wieder nach Abenteuer fragt. Diese Anfrage kommt Dienstag abend beim „ins-Bett-bringen“. So lange hat er anscheinend gebraucht um das Erlebte zu verdauen. Ob ich ihn da richtig verstanden habe, werden wir sehen… eine gemeinsame Sprache müssen wir ja erst noch finden. Dazu schreibe ich bald nochmal was für Euch.

A wie Acht Jahre

Der Spaziergang macht mich nachdenklich. Ich bin mit Duncan ungefähr da, wo ich vor 8 Jahren mit Finlay war. So ganz stimmt das nicht, denn vor 8 Jahren war Finlay erst 7 Monate alt und noch bei Mama, aber ich kannte ihn schon länger als ich Duncan jetzt kenne.

Vor 8 Jahren habe ich das alles ganz anders gemacht. Ich hatte ein System, eine feste Idee, was Finlay lernen sollte, welche Verhaltensweisen ich etablieren und fördern wollte. Ich hatte einen Plan, welcher Schritt zuerst kommt und welcher danach. Mein erstes eigenes Jungpferd, da hatte ich genaue Vorstellungen wie alles laufen soll. Ich war auch ganz sicher, was mein Ziel ist. Finlay hat sein Leben damit verbracht, mein System zu sprengen und meine Pläne zu vernichten. Das war seine Hauptbeschäftigung. Und jetzt wo ich von vorne anfange, sehe ich, wie viel ich gelernt habe, wie viel sich für mich verändert hat in den vergangenen acht Jahren. Danke mein Finlay, für die großen Lektionen, die Du mich gelehrt hast. Duncan profitiert jetzt davon. Duncan wird es leichter haben mit mir, denn ich habe keinen Plan. Wünsche und Ziele ja, aber keinen Plan. Ich bin sehr viel mehr im Vertrauen, dass das alles schon wird. Dass wir zusammen wachsen und zusammenwachsen werden. Dass Duncan Lust haben wird, etwas mit mir zu unternehmen und dass ich Lust haben werde, das mit ihm zu machen worauf er Lust hat. Ich bin ambitionsloser und gleichzeitig ambitionierter als damals. Finlay habe ich oft gesagt, was er tun soll. Oder ich hatte zumindest eine Vorstellung davon, was er tun soll. Bei Duncan warte ich viel mehr, was er denn so tut. Ich bin viel mehr Beobachter als Ausbilder. Damals wollte ich mein Ding machen. Heute möchte ich einfach nur möglichst viel Zeit mit Duncan verbringen. Ja, wenn ein Distanzritt dabei raus kommt, freu ich mich. Wenn nicht, wird Duncan andere, wunderbare Sachen für mich bereithalten. Finlay hat mir all diese Dinge geschenkt, von denen ich nicht mal geahnt hätte, dass sie mir Spaß machen würden. Sie haben mir Spaß gemacht, weil ich sie mit Finlay machen konnte. Weil mit Finlay zusammensein das Größte war für mich, weil wir so verbunden waren. So wird es auch mit Duncan sein, denn ich liebe ihn schon jetzt sehr und das ist alles was zählt. Jeden Tag erobert er mein Herz im Sturm und ehrlich gesagt glaube ich, er kann mich auch schon ganz gut leiden.

A wie Anfang

So fangen wir also an. Ganz vorne. Ganz neu. Völlig ungeplant, aber so ist es jetzt und ich bin froh dass Duncan hier ist. Unserem ersten gemeinsamen Ausflug werden weitere folgen auf die ich mich schon freue.

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1 Kommentar

  1. Es ist so schön anzusehen, wie Lio dem kleinen Duncan die Welt zeigt, ganz ohne (naja fast ohne) komandos. Duncan hingegen läuft auf dem Spaziergang mit als währe nichts selbstverständlicher als das,
    Ein wirklich erstaunliches Pony für mich.

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