So sehr ich auch wie eines riechen mag, ich bin kein Pony. Ich bin ein Mensch mit den ensprechenden Empfindlichkeiten. Ich mag es nicht, wenn man mich mit den Zähnen krault und meine Spiele sind doch etwas zarter als die der Ponys untereinander.

Von all dem weiß Sir Duncan Dhu noch nicht so viel. Er mag Menschen und er hat gelernt, dass sie gut kraulen können. Er ist sehr wohl vorsichtig, seine Züchterin hat da einen guten Job gemacht. Aber – wie sie mir selbst schrieb – er ist ein kleiner Hengst. Er möchte es lieber etwas wilder haben, es darf ruhig etwas rauer zur Sache gehen. Und manchmal vergisst er sich dann einfach und meint, ich sei wohl doch ein Pony (wahrscheinlich wegen des Geruchs).
Und so fangen wir in unserem Freedom Based Training (Elsa Sinclair) damit an, dass ich ihm erkläre, was mir gefällt und was nicht. Im Moment bedeutet das vor allem, dass ich weggehe, wenn Duncan anfängt zu kneifen oder mich mit den Zähnen kraulen zu wollen. Ich mahne sein Verhalten nicht in irgendeiner Form ab (obwohl ich mich schon einmal aus der Not heraus gewehrt habe). Ich bin dann eben einfach als Spielpartner nicht mehr da. Gespielt und gekrault wird nur, wenn Duncan dabei meine Grenzen akzeptiert und da er es doof findet, wenn er keine Aufmerksamkeit bekommt, ist es leicht, ihm das auf diese Art zu erklären. Ich lerne dabei eine Menge über ihn: wenn ich ihn vom Kopfende her verlasse, also in seine Blickrichtung weggehe, legt er die Ohren an und will mich jagen. Es triggert wohl noch mehr Spiel in ihm, so empfinde ich es. Da ich das nicht möchte, gehe ich lieber vom Schweifende in die entgegengesetzte Richtung von ihm weg.
Früher hätte ich es nicht schlimm gefunden, sondern sogar wünschenswert, dass er mir folgt und ich hätte die angelegten Ohren billigend in Kauf genommen. An Finlay habe ich aber gesehen, dass das nicht dorthin führt, wo ich hin will (besser: wo ich heute hin will). Ich möchte es bei Sir Duncan lieber etwas „ritterlicher“ haben, Jungs zum toben, kämpfen, rennen und kraulen hat er ja genug. Im Moment ist Merlin der einzige, mit dem er mal Spielansätze zeigt, aber ich glaube es wird nicht mehr lange dauern, bis auch Caruso anfängt mit ihm zu spielen und später ganz sicher auch Gatsby. Ich vermute, dass die Attacken, die ab und zu noch stattfinden, sich nach und nach in spielerische Versionen wandeln werden und je mehr Duncan lernt, nicht mehr kopflos wegzurennen, desto schneller wird das wohl passieren. Häufig galoppiert er nun schon nicht mehr, sondern trabt kurz weg, manchmal noch wild schmatzend, aber insgesamt hat er schon gut verstanden, was die anderen wirklich dazu bringt, ihn in Ruhe zu lassen. Ich konnte neulich beobachten, wie er an Gatsby vorbei wollte und präzise das richtige Verhalten zeigte: erstmal ganz viel Ruhe reinbringen, bißchen dösen, dann hinschauen, wieder wegschauen, beschwichtigendes Schnüffeln am Boden, wieder hinschauen, Schrittchen nach vorne, wieder wegschauen, kauen, nochmal Schnüffeln… und dann konnte er unbehelligt vorbei.
Einmal habe ich sogar gesehen wie alle Pferde im Roundpen standen und Duncan sich trotzdem sicher genug fühlte, um sich zu wälzen – strategisch klug geplant genau am Ausgang, so dass er schnell hätte wegsausen können, aber keiner der anderen hat sich drum geschert und er konnte genüsslich ein „Bad“ nehmen, mit kleinen Seitenblicken Richtung Gatsby, ob der Anzeichen macht, ihn scheuchen zu wollen.


Er löst sich mehr und mehr von Onkel Merlin, den er aber immer schnell aufsucht, wenn die Situation brenzlig wird. Aber auch Diego hat er schon mal als Schutzschild benutzt. Diego ist zwar einschüchternd, setzt aber niemals nach – er legt mal die Ohren an, schnappt vielleicht auch mal oder macht ein, zwei Schritte auf Duncan zu, rennt aber nie hinterher, so dass Duncan sein Verhalten viel besser einschätzen kann als das von Gatsby. Naja, bis auf das eine Mal, als ich mit Merlin Bodenarbeit in der Halle gemacht habe und es plötzlich so laut im Stall gescheppert hat, dass ich schnell nachgeschaut habe. Da hatte Diego sich kurz vergessen und Duncan in die Ecke gestellt. Zum Glück tritt er nicht wirklich zu, sondern ist so nah dran, dass er immer nur die Kruppe hochwirft und die Hufe kaum zum Einsatz kommen – mehr sowas wie boxen mit den Hinterbeinen als echtes treten. Was da los war, werde ich wohl nicht erfahren.
Ritter werden nicht geboren, sie müssen erst viel lernen – die Kunst des Kämpfens aber eben auch die Höflichkeiten, die Regeln und Tugenden, die dazugehören. Sir Duncan arbeitet quasi noch an seinem Ritterschlag, der ihm vielleicht eines Tages von Diego erteilt wird im Zuge der Aufnahme in die Herde. Aber einige Dinge hat er schon im Repertoire:
Heu zum Beispiel wird nicht einfach gegessen, nein, Sir Duncan tafelt regelrecht, und zwar nicht immer im Stehen, sondern sehr gerne auch im Liegen. Mehrfach haben wir ihn schon gesehen, gemütlich auf dem Bauch ins Heu gekuschelt vor sich hin mampfend und einmal habe ich ihn sogar erwischt, wie er auf der Seite liegend anscheinend im Halbschlaf ganz gemach auf ein paar Halmen kaute. Mir scheint, da wird einfach gegessen bis zum Umfallen, so dass Sir Duncan schließlich ganz ohne Alkohol „heuselig“ einschlummert, so ein richtiges Gelage eben. Ich finde, es verschwinden unglaubliche Mengen an Heu in dem doch noch recht handlichen Bauch, aber Duncan wächst ja auch ganz fleißig – manchmal habe ich den Eindruck, ich kann ihm dabei zuschauen. Zum Heu gibt es nun auch Mineralfutter – in lecker Matsche versteckt. Das findet der unerfahrene Fresser noch etwas schwierig zu managen und stellt sich gelegentlich dumm an, aber Übung macht den Meister. Schmecken tuts jedenfalls, das ist ja das was zählt. Danach könnte er dann eine Serviette vertragen, aber so weit geht‘s dann eben doch nicht mit den Manieren. Die Schnute wird an Merlin abgewischt, das passt schon.
Wenn er dann satt und ausgeschlafen ist, widmet Duncan sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung: die Erforschung der Welt. Was genau muss man eigentlich tun, damit so eine Schubkarre umfällt und was passiert danach? Warum macht es so ein lustiges Geräusch, wenn man mit dem Huf auf dem Holzbrett herumdengelt? Wie genau reagiert ein leeres Heunetz, wenn man hineinbeißt und daran zieht? Und wo kann man sich hier am besten kratzen? Wozu sind die Stangen in der Halle da, wo passt der Kopf durch und wo nicht? Was treiben die verliebten Nachbarponys da? Schmeckt Sauerampfer eigentlich genauso wie Gras?
Bei all diesen Beschäftigungen ist er allerdings sehr darauf bedacht, seinen großen Freund Merlin nie aus den Augen zu verlieren. Er geht zwar durchaus allein auf Tour, weiß aber immer wo Merlin ist und kriegt mit, wenn der seinen Standort verlegt. Als ich mit Merlin auf dem Reitplatz bin, ist Duncan wieder ganz ruhig in seinem Paddock auf Erkundungstour, steht aber parat, wenn wir in seiner Sichtweite Pause machen und schaut neugierig zu wie Merlin Gras zupft.
Wenn beide in ihrem Nachtquartier sind und ich Merlin für eine Schüssel Hafer raushole außer Sichtweite, ruft Duncan ein bißchen nach seinem weißen Helden, steht aber ansonsten einfach geduldig an der Tür und wartet oder geht zwischendurch gucken ob er über den Zaun andere Ponys sehen kann.
Abends, wenn ich mit der (sehr hellen) Stirnlampe komme, die die Ponys etwas störend finden, kommt Duncan – der die Lampe am Anfang kurz gruselig fand – genau auf das Licht zumarschiert. Sogar beim Reinholen von der Weide kommt er angedackelt, ganz unaufgefordert, und sagt hallo. Je nachdem wie beschäftigt er ist, bleibt er für einen kurzen Klönschnack oder geht dann recht bald weiter seiner Wege. Er schaut sich die Abläufe bei den anderen Ponys ab und versteht ganz ohne mein Zutun, was es bedeutet, wenn ich rufe.
Als ich die Ponys eines Abends alle von der Weide rufe, habe ich noch Leckerlis auf Tasche und jeder, der im Paddock ankommt, bekommt etwas. Duncan traut sich nicht gleich von der Weide herunter, weil Diego zu nah am Ausgang steht. Ich rufe Diego etwas weiter in den Paddock, bitte die Ponys, mich jetzt nicht zu behelligen, damit Duncan gut reinkommen und ich die Weide zu machen kann. Duncan kommt auch rein und fragt dann – sehr ritterlich höflich! – ob da nicht auch noch ein Keks für ihn sei, wo doch alle einen bekommen haben. Es hat eine Selbstverständlichkeit mit der er das fragt, er hat genau beobachtet was passiert ist und macht einfach mit. Da er so freundlich fragt, bekommt er einen Keks und akzeptiert klaglos, dass es keinen zweiten gibt. So aufdringlich und wild er manchmal sein mag, es gibt Momente, in denen er wirklich schon ein Gentleman ist.
Samstag war der große Tag: die Ponys sind nun auch nachts alle zusammen. Ein bisschen geschwitzt habe ich ja schon, ob Duncan wieder durch irgendeinen Zaun marschiert, aber es hat alles wunderbar geklappt und nun können wir jeden Tag Fortschritte sehen.

Zur Erkundung der Welt gehört für Duncan auch, Gatsby zu erkunden. Der, der Duncan am meisten Ärger macht, den findet Duncan gerade unglaublich spannend. Immer wieder pirscht er sich an und lotet genau aus, wie er sich wohl benehmen muss, damit es keinen Ärger gibt. Und Ärger gibt es immer seltener und wenn dann nur noch sehr milde. Ich glaube also mit Fug und Recht behaupten zu können: Integration geglückt. Den Rest erledigt die Zeit.
Inwieweit unsere Arbeit mit dem Freedom Based Training in der Gruppe dazu beigetragen hat, vermag ich nicht zu sagen, aber es wurde schon alles deutlich besser, nachdem ich etwas Zeit mit den Ponys verbracht habe und dabei geholfen hatte, Stress abzubauen.
Im Nachhinein wird mir erst so richtig bewusst, wie sehr Finlay ein Puffer für die ganze Herde war. Wer immer gerade genervt war und Frust hatte, ging zu Finlay und hat ihn geärgert und Finlay hat das alles entweder ausgesessen oder in ein lustiges Spiel verwandelt. Ich glaube, er war durch sein sonniges Gemüt und seine stoische Gelassenheit dazu in der Lage, die Stimmungen der anderen aufzufangen – so wie er auch meine Stimmungen immer aufgefangen hat. Das hat ihn ja alles nie erschüttert.
Ob Sir Duncan Dhu das können wird, wird sich noch zeigen, aber ich habe Hoffnung dass das klappt. Denn wie Finlay hat er in seinem Leben nichts schlechtes erlebt, kennt keine Sorgen und Nöte und wenn er doch mal welche hat, hält er sich nie lang damit auf. Er ruht schon jetzt – mit nur einem Jahr Lebenserfahrung – unglaublich in sich selbst und ich glaube er wird der sprichwörtliche Fels in der Brandung werden. Lassen wir uns überraschen!
Bis es so weit ist, habe ich eine große Aufgabe vor mir: eine gute, stabile Basis schaffen. Doch dazu nächste Woche mehr!
Wirklich unglaublich schön geschrieben!
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Ich schließe mich Maria an – wirklich schön, deine Schilderung – man ist hautnah dabei 😊
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