Da ist er wieder – der komische Punkt.
Ich erinnere mich gut, wie es mir mit Finlay damals ging – allerdings war Finlay da schon 6 Jahre alt, weil ich mit ihm einen anderen Weg gegangen bin als jetzt mit Duncan. Es ist ein merkwürdiger Punkt, finde ich. Denn am Anfang war für mich mit meinen beiden jungen Pferden ganz klar, was es so zu lernen gibt. Vom ersten Führen über Spaziergänge, grundlegende Bodenarbeit bis zum anreiten und alles was da so drum und dran hängt, ist für mich eindeutig, welche Basis ich haben möchte mit meinem Pony. Und dann – gefühlt sehr plötzlich, obwohl das natürlich nicht stimmt – geht das alles. Als wir am Sonntag unterwegs waren, wurde mir wieder einmal klar, wie entspannt Duncan und ich inzwischen durchs Gelände tingeln. Alles, was für unsere heiß geliebten Ausflüge nötig ist, können wir zwei jetzt. (Einige Dinge müssen noch extra geübt werden, na klar, aber das sind dann Spezialthemen wie Autobahnbrücken o.ä.)
Und jetzt geht´s los mit der Zielsuche. Naja, irgendwann wollen wir zumindest mal wieder einen kleinen Distanzritt machen. Da ist der Weg vorgezeichnet: Kondition aufbauen, möglichst unterschiedliche Gelände besuchen, das anständige Zusammensein mit fremden Pferden üben. Das alles ist kein Hexenwerk – für einen Einführungsritt von 30km braucht es noch keinen Trainingsplan, keine Pulsuhr oder etwas derart kompliziertes. Und wenn es mal so sein sollte, dass wir so etwas brauchen, dann sind das Dinge, die ICH lernen muss. Mein Pony schaut auf keinen Plan, der läuft einfach mit mir los.
Was also soll Duncan jetzt lernen? Und da ist er wieder: der Nebel in Tüten. Denn natürlich soll Duncan lernen und üben, mich gesund zu tragen. Er soll ausbalanciert werden und kräftiger, damit er mich schadlos tragen und sich möglichst verschleißfrei bewegen kann. Und wie ich ihn da hin trainiere, das hängt schwer davon ab, welchen Ausbilder ich zu Rate ziehe. Und genau diese Tatsache macht mir gerade wieder das Leben schwer. Denn wenn man sich umschaut in der Reiterwelt, gibt es viele, viele Menschen, die uns genau erklären können, wie wir unser Pferd korrekt ausbilden. Nur leider sagt jeder was anderes und es wird sich auch ganz direkt widersprochen. Auf welche Höhe gehören Kopf und Hals? Was ist das richtige Tempo? Wie reitet man am besten seitwärts – mit Biegung oder ohne, mit viel Abstellung oder wenig? Welches Zaumzeug und welche Zügelführung ist das beste für mein Pferd? Welche Gangart ist die, in der es sich am besten bewegt und trainiert? Brauche ich Stangen, Hütchen, viel Platz oder wenig, tiefen oder flachen Boden? Soll ich lieber viel reiten, viel longieren oder viel Handarbeit machen? Doppellonge, Freiarbeit? Soll mein Pferd sich viel biegen, viele Kreise und Kringel laufen oder lieber ganz viel geradeaus?
Wahrscheinlich hat jede Reiterin schon die Erfahrung gemacht, zu einem neuen Ausbilder zu kommen und etwas ganz anderes zu hören als davor. Mir ist es gefühlt hunderte Male so gegangen – sowohl als Schülerin wie auch als Lehrerin. Jetzt kann ich mich entscheiden: glaube ich dem nächsten Ausbilder und erlerne wieder ein neues System? Glaube ich keinem mehr und mache einfach einen Mix aus allem, in der Hoffnung dass es einigermaßen klappt? Greife ich auf das zurück, was ich einigermaßen beherrsche und versuche es weiter zu verbessern?
Bisher habe ich in Duncans Ausbildung genau das getan: das, was ich schon kann und weiß, weiter verbessern und ein bisschen auf Duncan zuschneiden. Handarbeit, Seitengänge in Variationen von Schenkelweichen bis zu verschiedenen Schulterhereins (jaja, lieber Reiterinnen, je nachdem welchen Ausbilder man fragt, sieht Schulterherein durchaus sehr unterschiedlich aus!), Übergänge, Wendungen, Tempounterschiede. An der Longe ein bisschen Stangenarbeit (Duncan ist das erste meiner Ponys das einen Sinn darin sieht!), Doppellonge haben wir neu zusammen gelernt, ist aber mit Duncan auch ganz leicht (in der Basisversion die wir machen, zu höheren Sphären sind wir noch nicht aufgestiegen bzw haben uns bisher nicht darum bemüht). Freiarbeit haben wir bisher nicht viel gemacht und ich glaube, es wird nicht Duncans Favorit.
Ich muss jetzt entscheiden ob ich diesem bisherigen Programm treu bleibe, was davon ich wie, wie viel und wie oft mache und ob ich etwas neues dazu nehmen oder einiges weg lassen bzw ersetzen möchte. Ob wir wirklich irgendwann piaffieren oder eine 60km Distanz reiten, weiß ich nicht und es ist mir auch egal, denn mein Pony ist „Freizeitpony“ (Pfridolin Pferd würde an der Stelle hinzufügen „… der DARF gar nicht arbeiten“).
Führt mein bisheriges Programm zu diesem wunderbar gut bemuskelten und geschmeidigen Pony, das ich gern hätte? Oder braucht er noch etwas anderes? Welches Vorgehen ist das beste für Duncan? Was passt zu seinem Körper und seiner Seele? Stürze ich mich noch einmal in ganz unbekannte Gefilde und lerne ein neues Konzept – wieder mal?
Letzte Woche war ich kurz in einer Sinnkrise. Aber zum Glück habe ich einige langjährige Schülerinnen, mit denen auch mal das eine oder andere persönliche Gespräch stattfindet. Und eine von ihnen gab mir den alles entscheidenden Hinweis. Sie sagte sinngemäß „es geht doch um den Spaß und darum dass dein Pony merkt, dass du ihn toll findest“.
Da fiel mir Karen Rohlf ein, eine amerikanische Ausbilderin, die ich zwar persönlich nie getroffen, von der ich aber trotzdem schon eine Menge gelernt habe. Und eines ihrer wunderbaren Zitate:
„Precision arrives out of the possibilities that play creates“ (frei übersetzt: „Präzision ergibt sich aus den Möglichkeiten, die im Spiel entstehen“)
Was auch immer Duncan und ich uns jetzt so vornehmen, ich will immer daran denken: es soll für uns beide spielerisch bleiben. Wir wollen nicht ernst und verbissen Lektionen üben, sondern die Möglichkeiten ausloten und entdecken. Das steht nicht im Widerspruch zu Konzentration und Anstrengung! Aber es bedeutet, dass wir frei herum probieren und uns keiner starren Methode verschreiben. Und dass wir uns nicht anstecken lassen von den ernsten Ausbildern, die so wichtig daher kommen und keinerlei Lebendigkeit und Freude mehr versprühen. Auch wenn wir von diesen Ausbildern viel lernen und mitnehmen – wir machen es trotzdem auf unsere Art. Wir dürfen Spielen und Quatsch machen wo andere kritisch gucken – die Freiheit nehmen wir uns. Wir suchen nach Abwechslung und immer neuen Ideen, so wie Merlin es mich in den letzten 22 Jahren gelehrt hat. Denn Merlin hat das Zitat von Karen Rohlf gelebt: er hat immer herum probiert, gespielt, mir etwas vorgeschlagen. Und wenn ein neuer Lehrer mit einer neuen Anforderung kam, konnten wir das oft sehr schnell umsetzen, weil mein Pony so wunderbar flexibel reagiert hat und bereit war, auch dieses neue Spiel zu probieren. Und dadurch konnte er in all den Jahren immer all die Dinge tun, die ihm eigentlich niemand zugetraut hätte. Heute schaue ich mein altes Pony an und merke, was er mich WIRKLICH gelehrt hat: auf eine Art und Weise zu spielen und Spaß zu haben, die zu fantastischen Ergebnissen führt.
Daran möchte ich bei Duncans weiterer Ausbildung immer denken, wohin uns der Weg auch führen mag.
Und darum zu Merlins Ehren hier noch ein kleines Video von Anfang des Jahres mit dem Spruch seines Lebens: „Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden, wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen.“
Hallo Lioba,
ich war jetzt zwei Wochen krank 😦 und konnte deswegen fast deinen ganzen blog lesen :-)) . Mit dem heutigen Beitrag sprichst Du mir echt (wie so oft) aus der Seele. Nebel in Tüten, aber wie dahin kommen? Puh. Überfordert mich oft. Und dann –> Spielen. Eine wunderbare Erinnerung! Danke!!!
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Liebe Lioba, das ist wieder ein ganz toller Blogbeitrag von dir. Das passt mittlerweile auch bei Amadeus und mir. Amadeus entscheidet, was ihm Spaß macht. Ich versuche dann – jetzt wieder mit deiner Hilfe 😍 – diese Dinge so umzusetzen und zu lernen, dass es gesund ist und auch Spaß macht. Wenn ich an gestern denke bin ich so stolz auf mein Pferdchen. Es hat ihm definitiv sehr gut gefallen, was wir gemacht haben. Ansonsten wäre er ziemlich begriffsstutzig in die Mitte marschiert und hätte … nix mehr gemacht 🙈😂😂. Vielen lieben Dank für diese klasse Stunde! Wir freuen uns schon auf das nächste Mal – und dann hoffentlich ohne die technischen Unwegsamkeiten 🙄. Herzliche Grüße und schöne Ostern 🐣 🐝🐝🐇, Angelika 😘
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Also ich denk mir: bestimmt hat keiner der Experten sein Konzept für sich entschwärzende Schotten geschrieben, deswegen würd ich an deiner Stelle den Kerl fragen, was ihm so in den dicken Schädel kommt und ansonsten deinem Herzen folgen. Damit hast du bisher gute Erfolge erzielt. Kekse einstecken und los!
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