Analyse

„Ich knicke immer in der linken Hüfte ein“ sagt meine Reitschülerin. Es kribbelt mich, meine übliche Antwort zu geben: „dann lass das doch!“ Ein kleiner, gemeiner Scherz, den ich gern mal mache wenn Reitschülerinnen mir genau selbst erklären können, was sie falsch machen. Natürlich ist völlig klar, dass es ihnen anscheinend nicht gelingt, es zu lassen, sonst würden sie mich ja nicht um Hilfe bitten. Und das ist eins der Dinge, die ich von der wunderbaren Amanda Barton gelernt habe und die für mich das Unterrichten interessant machen. Natürlich kann ich – wie es früher im Reitverein war – meiner Schülerin jetzt jede Minute zwei mal sagen, dass sie nicht in der Hüfte einknicken soll. Oder aber ich helfe ihr, sich selbst zu helfen. Erst mal bin ich im Vorteil, denn meine Schülerin sitzt gar nicht auf ihrem eigenen Pferd, sondern auf Diego, der sie heute eine Einheit lang unterstützen soll, für ihr eigenes Pferd zu lernen. Also schicke ich sie erst mal los mit dem Auftrag, zu fühlen, ob sie denn auf Diego auch in der linken Hüfte einknickt. Es ist nicht meine Aufgabe, ihr das zu sagen, denn sie merkt es ja selbst. Und siehe da, die Antwort lautet „nein“! Auf Diego passiert ihr das nicht. Gut für uns, denn jetzt hat das Rätselraten, warum das passiert und sie es nicht verhindern kann, ein jähes Ende gefunden: das Pferd ist „schuld“. Bzw der Mensch, der das Pferd nicht richtig ausgebildet hat, so dass es jetzt den Rumpf falsch rotiert und die Reiterin nach außen setzt. Also müssen wir gar nicht sitzen üben, sondern Diego darf ihr erklären, wie man einem Pferd hilft, richtig zu rotieren und das Gewicht gleichmäßig zwischen den Schultern zu verteilen.

Diese Art von Analyse fehlt manchmal im Reitunterricht und die Reiterinnen wundern sich, dass sie nicht weiterkommen. Sie drehen an der falschen Stellschraube und betreiben quasi Symptombehandlung, weil sei keine Erklärung für das haben, was da eigentlich schief läuft. Manchmal frage ich auch, wenn Schülerinnen mir sagen was sie „falsch“ machen „Ja warum machst du es denn dann?“ (zu viel treiben, zu viel ziehen oder ähnliches) und oft bekomme ich eine Antwort, die das Problem genau aufzeigt. In Wirklichkeit haben wir ja Gründe für das was wir tun. Manchmal sind es halt blöde Gründe (wie beim Frustessen, denn natürlich hilft Essen nicht gegen Frust). Beim reiten liegen diese Gründe sehr, sehr oft in der mangelnden Ausbildung des Pferdes. Das Pferd hat die Hilfen nicht richtig verstanden und kann sie daher nicht umsetzen. Der Reiter versucht, über das Verstärken der nicht verstandenen Hilfen das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Das kann ja nicht klappen! Und obwohl wir das eigentlich alle wissen, passiert es uns dauernd wieder. Es scheint schwer für uns Menschen zu sein, dann den Schritt zurück zu treten und eine Stufe weiter unten wieder anzufangen, obwohl es so, so viel erfolgreicher ist.

Manchmal, wenn Pferde komische Verhaltensweisen zeigen, ist nicht unmittelbar festzustellen, woher das kommt. Dann müssen wir vielleicht mal ausprobieren. Und manchmal, wenn Reiter schlechte Angewohnheiten haben, ist es nur das: eine schlechte Angewohnheit. Dann kann es helfen, wenn ich jede Runde darauf hinweise, bis das Gehirn eine neue, bessere Gewohnheit abgespeichert hat. Aber vorher möchte ich immer die Frage stellen, warum das passiert, was Pferd und/oder Mensch da tun. Denn fast immer liegt in der Antwort auf diese Frage die Lösung des Problems.

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3 Kommentare

  1. Das wollte ich schon eine ganze Weile mal fragen: woher weiß das Pferd, was das Wort „Trab“ bedeutet? Oder woher weiß es, was es bedeutet, wenn ich antreibe, damit es trabt?
    Trab ist ja jetzt nicht sowas wie die Piaffe, alle Pferde tun das, wenn sie irgendwo hin wollen und der normale Schritt nicht schnell genug ist.
    Wie bringt man dem Pferd das bei?
    Wie unterscheidet das Pferd was wir wollen, bisschen laufen (Trab) oder schnell laufen (Galopp)?

    Und noch was. Nicht nur die Menschen, sondern auch die Pferde sind alle unterschiedlich. Wie weiß ich, dass jedes Pferd die gleichen Wörter bzw. Bewegungen, Berührungen usw versteht, die wir Menschen mit ihnen kommunizieren?
    Gibts auch fremdsprachige Pferde?
    Legastheniker?
    Quasi schwerhörige?
    Oder einfach dumme Pferde? (kann ja passieren, zu wenig Sauerstoff während der Geburt oder ganz natürliche Ursachen)

    Ja, da denk dir jetzt mal was aus 🙂

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