3 Jahre mit Duncan

Heute vor 3 Jahren ist Duncan bei mir eingezogen. Unvergesslich, wie mein kleiner Jährling so völlig stressfrei 4 Stunden Anhänger gefahren ist mit Diego neben sich (der nicht gerade schockverliebt war). 4 Stunden in denen er nur gefressen oder gedöst hat. Nicht ein einziges Mal hat er mit dem Kopf geschlagen, gewiehert oder mit dem Huf gescharrt. Bis heute ist das so geblieben: er liebt Anhängerfahren. Viele andere Dinge sind nicht so geblieben. Elsa sagte auf dem Kurs zu mir: „es braucht viel Zeit, ein Pferd wirklich kennen zu lernen. Und da du ein junges Pferd hast, wirst du 27 Pferde kennen lernen müssen.“ Und so fühlt es sich an. Wobei ich hoffe, von den 27 Pferden vielleicht schon 17 geschafft zu haben. Die einzige Konstante mit einem jungen Pferd ist die Veränderung. Heute pubertär, morgen ängstlich, übermorgen mit Wachstumsschmerzen und nächste Woche ein paar Tage lang total erwachsen. Dann unausgelastet, nervig, größenwahnsinnig oder aber müde, abgeschlagen und unsicher. Hoch motiviert, mitzumachen oder hoch motiviert, einen Streit vom Zaun zu brechen, auf der Suche nach Halt und Trost oder auf der Suche nach Grenzen – mal so, mal so. Stimmungen können innerhalb eines Tages wechseln aber auch innerhalb einer Minute. Dann all diese Unbekannten: wovor hat er Angst, wovor nicht? Welche Dinge lernt er schnell, bei welchen dauert es ewig, welche leuchten ihm vielleicht nie ein? Welche Methode ist (im Moment) die richtige und wie lang ist die Konzentrationsspanne heute?

Die drei vergangenen Jahre waren ein heißer Ritt durch Höhen und Tiefen. Und dabei ist Duncan nach wie vor eins der einfachsten Ponys die ich kenne. Finlay war ein viel komplizierterer Charakter – oder kam es mir nur so vor, weil er mein erstes eigenes Jungpferd war? Sicher würde ich heute vieles anders machen und anders sehen. Fest steht, dass Finlay viel mehr Grenzen ausgelotet hat – auch in der Herde und am Zaun, nicht nur mit mir.

Die Achterbahn mit Duncan ist stark abgemildert worden durch unsere wunderbare Herde, die ihn hervorragend erzogen hat und mit seinen Launen und Stimmungen umzugehen weiß. Ob auch die Ponys von Finlay gelernt haben und jetzt besser wissen, wie man so einen kleinen Rotzlöffel groß zieht zu einem anständigen Kerl? Sie sind sich immer sehr einig und ziehen alle 4 perfekt an einem Strang, wenn mein nicht mehr ganz so kleiner Ritter sich daneben benimmt. Und dabei sind wir verletzungsfreie Zone, seit Duncans Eingewöhnung (in der er sich ein paar blutige Bisswunden geholt hat). Die Ponys haben noch nicht mal Kratzer. Wenn Duncan einen Kratzer hat, bin ich gewarnt: Pubertätsschub. Denn ansonsten passiert das hier nicht. Alle Uneinigkeit wird über Drohgebärden geklärt.

Drei Jahre sind eine lange Zeit – und eine kurze Zeit. Gleichzeitig war es eine von Krisen geprägte Zeit. Nicht nur Finlays Tod, sondern bald danach auch Krisen in der Welt, die mich zwar nicht so ganz direkt betreffen aber eben doch da sind und mir Sorgen und Unsicherheit bescheren. Umso mehr brauche ich die Stabilität hier zu hause – und Duncan konnte mir das in den letzten drei Jahren nicht so oft geben.

Jetzt werden die Tage mehr, an denen er das schafft. Ob wir uns gemeinsam auf dem Reitplatz konzentrieren und in fast schon meditativer Stimmung unsere Gymnastik machen oder ob er mich freundlich durchs Gelände trägt und wir einfach genießen, in der Natur unterwegs zu sein: immer öfter kann ich mich auf ihn verlassen. Ich muss nicht mehr ständig alles abklopfen auf potentielle Störungen. Regeln, die schon immer bestehen, stellt er nicht mehr dauernd in Frage. Ja, einen Moment der Ablenkung nutzt er immer noch aus um einen Grashalm zu erhaschen oder das Begleitpferd zu kneifen. Aber das finde ich nicht schlimm, denn es ist nur die Rückmeldung an mich, dass ich nicht ganz bei ihm war. Und es passiert ja nichts wildes.

3 Jahre mit Duncan und ich weiß: da kommen noch weitere 4 Jahre bis mein Pony wirklich ehrlich und vollständig erwachsen ist. Vielleicht habe ich Glück: Finlay war mit 6 Jahren so weit. Aber wissen kann man das eben nie und bei Duncan stehen uns wohl auch noch Testosteronschübe bevor. Wenn ich auf die vergangenen 3 Jahre zurück schaue, bin ich guten Mutes, dass alles rund läuft. Ein paar Pannen, ein paar Streits und die eine oder andere Überraschung kommen bestimmt noch. Aber die drei überstandenen Jahre – so anstrengend sie waren – machen mir auch Mut. Und das, was wir uns in den drei Jahren aufgebaut haben, kann uns keiner mehr nehmen.

Bei Finlay habe ich all die Arbeit in Ausbildung und Erziehung investiert in dem Gedanken, viele, viele Jahre davon zu profitieren. Bei Duncan fühle ich mich anders. Ich versuche, noch mehr das zu genießen was schon da ist. Manchmal packt mich die nackte Angst, dass es wieder morgen vorbei sein kann. Dann mache ich mir klar, dass ich mich entschieden habe, dieses Risiko wieder einzugehen. Dass ich nicht ohne Pony sein möchte, auch wenn ich vielleicht wieder einen harten, viel zu frühen Abschied erlebe. Und dass ich Duncan heute lieben kann, ohne an morgen zu denken. Wieder ist Ambiguitätstoleranz gefragt: ihn heute lieben, ohne an morgen zu denken – aber mich gleichzeitig heute so verhalten, dass morgen ein gutes Ergebnis dabei heraus kommt (auch dann, wenn das heute unbequem ist). Schreibt sich leicht, es zu tun ist eine Herausforderung. Allein, mein Herz wieder wirklich zu öffnen, mich wieder so verletzlich zu machen ist ein großes Risiko und im Gegensatz zu vorher bin ich mir dieses Risikos sehr bewusst. Nach und nach merke ich aber auch, wie sich die Angst etwas abmildert. Weil Duncan bereits 4 Lebensjahre lang bewiesen hat, dass er grundsätzlich gesund und sehr vernünftig ist. Er hat sich selbst nicht verletzt, auch beim wilden Spiel mit entsprechenden Stürzen nicht. Außer einer Kolik war er nie krank (und bei der Kolik weiß ich jetzt auch was ich vorher hätte sehen können). Mehr als das kann ich an Sicherheit nicht erwarten.

So gehen wir jetzt in unser 4. gemeinsames Jahr. Ein Jahr voller Ausritte und Gymnastizierung auf dem Platz. Ich bin gespannt, wie Duncans Energiepegel sich entwickelt, wenn das Wetter jetzt wieder kühler wird. Wird er wieder ungestüm und möchte endlos bewegt werden? Oder ist er insgesamt ruhiger geworden? Beim Ausreiten scheint es mir nun doch so zu sein, dass er sich seine Kräfte besser einteilt. Er hat – wie von mir gewünscht – gelernt, dass man nie so recht weiß, wie lang die Runde wird. Dass es dumm ist, alle Energie am Anfang zu verpulvern. Dass man Führpausen besser nutzt um sich zu erholen anstatt ständig Schabernack zu machen. Aber wer weiß, ob sich das ändert, wenn die Weide wieder zu ist, die Weidewampe etwas schrumpft und die Tage kälter werden. Diesmal habe ich aber bessere Mittel, damit umzugehen, denn ich kann mit ihm in Ruhe durch den Wald traben, bis er sich wieder wohl fühlt. Darauf freue ich mich und wie jedes Jahr bin ich gespannt, was ich nächstes Jahr zu berichten habe.

Duncan am Tag seines Einzugs

Duncan dieses Jahr auf dem Kurs bei Elsa (Foto von Jessica Freymark)

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1 Kommentar

  1. schööön.
    Er ist ja schon richtig weiß vor den Ohren, auch wenn er dir manchmal noch etwas grün dahinter vorkommt 🙂
    und ach ja, jetzt weiß ich, dass ich eine relativ ambiguitätstolerante Person bin! Wieder ein neues Fremdwort erguggelt

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