Glücksfehler

„Aus Fehlern wird man klug, drum ist einer nicht genug“ oder auch „ich habe so viel aus meinen Fehlern gelernt, ich denke darüber nach, noch ein paar mehr zu machen“.

Neulich habe ich einen Glücksfehler gemacht. So nenne ich Fehler, die sich im Nachhinein als großartige Entdeckung herausstellen. Ich bin nämlich ausnahmsweise im Gelände ohne Aufstiegshilfe auf mein Pony gekrabbelt. Ohne Sattel kann ich ja springen, aber mit dem Sattel steh ich noch auf Kriesfuß beim Aufsteigen. So ein baumloses Modell rutscht ja doch sehr viel schneller wenn man zu doll in einem Bügel steht. Weil bei dem neuen Sattel die Bügel anders aufgehängt sind als bei meinen bisherigen Sätteln, habe ich den linken Bügel zum Aufsteigen falsch herum gedreht. Gemerkt hab ich nix. Dann sind wir weiter geritten und plötzlich fiel mir auf: am linken Bein drückt und scheuert nix mehr! Ich habe nämlich immer das Problem, dass im Trab die Steigbügelriemen am Schienbein drücken und scheuern. Damit bin ich wohl nicht allein, nicht umsonst gibt es Chapsletten, Reitstiefel oder Fender. Aber ich hatte meine Optimallösung noch nicht gefunden bzw im Moment nicht das Geld für Fender für den Ghost-Sattel. Also hatte ich noch nach anderen Lösungen gesucht.

Als wir nun eine Weile geritten waren und mein rechtes Schienbein schon recht genervt war, das linke aber tiefenentspannt, wurde mir das doch merkwürdig. Ich guckte lange an meinen Beinen herunter und rätselte. Erst nach einer ganzen Weile fiel es mir auf: der linke Bügelriemen ist total verdreht! Aber die Verdrehung sitzt unterhalb meines Knies, da wo mein Bein keinen Kontakt zum Sattel hat. Ich verdrehte auch noch den rechten Bügel und siehe da: kein Druck mehr am Schienbein! Was für eine tolle Erkenntnis! Beim nächsten Ritt verdrehte ich mir also die Steigbügelriemen ganz bewusst. Meine Schienbeine hatten Ruhe. Bedauerlicherweise stellte sich dann heraus: die Verdrehung bleibt doch nicht unbemerkt. Zwei hübsche blaue Flecken an meinen Oberschenkeln zeigten, dass der verdrehte Riemen auch nicht die Lösung sein kann. So saß ich Sonntags vormittags vor meinem Sattel, drehte verzweifelt an den Riemen herum und kam einfach auf keinen grünen Zweig. Auftritt Arnulf: was denn mein Problem sei? Ich erklärte es ihm. Er schaute auf die Riemen. „Du musst die anders einfädeln, darf ich?“ Gefühlte 10 Sekunden später hingen die Bügel anders im Riemen. Obwohl ich dachte, ich wäre der Anweisung genau gefolgt, hatte ich es anscheinend falsch gemacht. Und jetzt, jetzt bin ich fast 8km mit den Riemen getrabt und habe überhaupt kein Problem mehr.

So hat ein kleiner Fehler – das verdrehen des Bügels beim Aufsteigen – letztlich zur Lösung eines langjährigen Problems geführt. Ein echter Glücksfehler!

Und deswegen liebe ich es, Dinge einfach mal anders zu machen. Neulich habe ich eine Schülerin einhändig reiten lassen. Normalerweise kommt spätestens nach 5min ein Kommentar wie „so kann ich viel besser sitzen!“ oder „oje, so kann ich nicht lenken“, oft auf „so läuft er ja viel entspannter/besser“. Diese Schülerin aber fragt nach ein einer halben Stunde „und was soll das jetzt bringen?“ Diese Reaktion war mir bisher nie untergekommen, aber meine Antwort war einfach: einfach mal was anders machen als sonst. Raus aus den gewohnten Mustern und gucken was passiert.

Und wenn man dann fest stellt dass das nichts verändert, dann macht das nix. Man hat auf jeden Fall was gutes für das eigene Gehirn (das ist diese flexibel formbare Masse zwischen den Ohren) und das Gehirn des Pferdes getan. Hat ein paar neue Datenbahnen verlegt und den Horizont ein bisschen erweitert.

In letzter Zeit sagt mein Tagebuch (ich habe so ein „geführtes“ Tagebuch in dem Fragen und Impulse stehen um das schreiben zu erleichtern) mir immer was über die Komfortzone. Ich mecker dann immer, denn ich will da endlich wieder REIN in diese verdammte Komfortzone die ich seit Finlays Tod nur selten von innen gesehen habe. Aber wenn wir „raus aus der Komfortzone“ ersetzen durch „raus aus der Routine“, dann nimmt das der Sache ihren Schrecken, finde ich. Und es zeigt, wie klein wir starten können. Zum Beispiel mit einem verdrehten Steigbügelriemen oder den Zügeln in einer Hand. Und wer weiß, vielleicht machen wir dabei den einen oder anderen Glücksfehler, der unser Leben total viel leichter macht. Gebt den Fehlern eine Chance!

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